Alex Conrad

Tod auf der Finca


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Wohnung drangen, konnte Carmen nicht wirklich zuordnen: Ein Möbelstück, was gezogen wurde, oder ein Körper, den jemand über den Boden schleifte?

      Egal, sie konzentrierte sich auf das Angriffszeichen.

      Die Tür sprang unter dem Stoß der Ramme sofort weit auf und Carmen stürmte mit Joan an der Seite den uniformierten Kollegen hinterher.

      Eine frische Blutspur führte vom Eingangsbereich in das Wohnzimmer. Wahrscheinlich hatte das Opfer zuvor versucht, die Wohnung zu verlassen, war aber nur bis in den langen Flur gekommen.

      Am Ende des Ganges stand ein großer Garderobenschrank zwischen den offen stehenden Türen von Wohnzimmer und Küche. Davor lag seitlich ein Badezimmer, in das einer der Kollegen nun vorsichtig ging.

      Aus Wohnzimmer, Küche und Bad kam jeweils der Ruf: „Gesichert!“

      Zwei weitere Zimmer gab es noch. Der Brigadeführer setzte gerade die ersten Handzeichen an seine Kollegen, als Carmen aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.

      Blutbesudelt mit einem Messer in der Hand stürmte der Mann aus dem Schrank und rannte ins Wohnzimmer auf den Balkon zu.

      „Stehen bleiben!“ Carmen hechtete dem Mann hinterher.

      Noch bevor Joan oder die Kollegen bei ihr waren, hatte sie den Mann erreicht, stürzte sich in seinen Rücken, riss ihn zu Boden. Mit dem rechten Fuß trat sie ihm das Messer aus der Hand, das über den Fliesenboden schlitterte.

      Joan zog ruckartig beide Arme des Mannes zu sich und legte ihm Handfesseln an.

      „Opfer im Schlafzimmer!“, rief der Brigadeführer und funkte den unten wartenden Notarzt an.

      ***

      Endlich ging die Schicht zu Ende und Roberto brachte die letzten Schlachtabfälle des Tages nach draußen.

      Felipe lehnte an der Wand der Halle und rauchte. „Lust auf ein Feierabendbier?“

      Warum eigentlich nicht? Während er Felipe zunickte, griff er in den Container. „Ah! Mist.“ Hastig zog Roberto seine Hand zurück. Blut lief aus dem Riss in seinem Handschuh. Einer der scharfkantigen Schneidezähne hatte ihm den Daumenballen aufgeschlitzt. Er drückte mit der anderen Hand dagegen.

      „Soll ich den Arzt rufen?“ Felipe kam zu ihm. „Sieht übel aus.“

      „Bis zum Betriebsarzt schaffe ich es noch selbst. Kannst du hier den Rest machen?“

      „Geh schon.“ Felipe nickte. „Und danach brauchst du erst recht ein Bier. Ich warte auf dem Parkplatz.“

      Mit vier Stichen hatte der Arzt die Wunde genäht. „Tetanus ist noch aktuell?“

      „Ja. Die letzte Impfung war vor zwei Jahren.“

      Der Arzt legte einen Verband an. „Ich gebe dir noch Schmerzmittel und Antibiotika mit.“ Er ging zum Schreibtisch und holte aus der Schublade zwei Medikamenten­packungen. „Krankschreiben werde ich dich auch für eine gute Woche.“

      „Geht es nicht auch ohne?“ Schon am nächsten Wochenende fand die Hochzeit statt, zu der er nach Mallorca reisen wollte. Die entfernte Cousine war ihm vollkommen egal, aber er hoffte, in einem persönlichen Gespräch seinen Opa doch noch überzeugen zu können. Da kam es nicht gut beim Arbeitgeber, wenn er kurz vorher oder gar währenddessen krankgeschrieben war.

      Über den Brillenrand sah ihn der Arzt an. „Machen wir es folgendermaßen. Da heute Freitag ist, kommst du am Montagmorgen vor Schichtbeginn zu mir und ich sehe mir die Wunde an. Verheilt sie gut und zeigt keine Entzündung, kannst du arbeiten.“

      „Prima.“ Erleichtert nahm Roberto die Medikamente entgegen und verabschiedete sich.

      Während er sich umzog, dachte er über den Besuch bei seinem Großvater nach. Nur persönlich würde er ihn überzeugen können, auch wenn er dafür die Reisekosten einsetzen musste. Ein Einsatz, der sich hoffentlich mehr lohnte als seine sonstigen. Zurzeit gab es glücklicherweise günstige Flugangebote und er hoffte, die Ausgabe würde kein zu großes Loch in seine so schon knappe Kasse reißen. Vielleicht könnte ein kleines Spielchen mit geringem Einsatz wenigstens diese Lücke füllen. Am Samstag war ein solcher Abend angesetzt mit Einsätzen von maximal hundert Euro. Eigentlich ein Witz, aber eine Maßnahme, um neue Spielerkunden zu gewinnen. Doch bei nicht zu erfahrenen Spielern, die an so einem Abend kamen, lagen die Chancen gut, mit geringem Einsatz Gewinn einzufahren. Hätte Roberto erst einmal die Reisekosten erspielt, würde er sich die Strategie für das Gespräch mit seinem Großvater überlegen.

      Er schloss seinen Spind und ging hinaus.

      „Na endlich. Ich verdurste bald“, begrüßte ihn Felipe auf dem Parkplatz.

      „Musste halt genäht werden.“ Roberto hob die verbundene Hand. „Ich würde gerne erst mein Auto zu Hause abstellen.“

      „Geht klar. Dann in einer halben Stunde in unserer Bar?“

      „Spielt da heute wer?“

      Felipe schloss sein Auto auf. „Keine Ahnung. Letztes Wochenende gab es eine Party mit Songs der Achtziger.“

      „Da war ich ja noch nicht mal auf der Welt.“ Roberto schüttelte den Kopf. „Bis nachher.“

      Auf der Terrasse vor der Bar waren alle Tische besetzt, als Roberto ankam. Von Felipe war noch nichts zu sehen. Im Augenwinkel nahm Roberto wahr, wie ein Pärchen aufstand, ging rasch hin und setzte sich an den nun frei gewordenen Tisch.

      Kurz danach kam die Bedienung, stellte die leeren Gläser auf ein Tablett und wischte den Tisch ab.

      Roberto bestellte ein Bier.

      Während er den ersten tiefen Zug trank, schlenderte Felipe heran und setzte sich. „Sorry, hat ein bisschen länger gedauert, weil ich Ana erst noch wo abgesetzt habe. Mädelsabend.“

      „Siehst du, immer muss man etwas für die Frauen tun.“ Roberto grinste schief.

      „Du kannst mir meine Ana nicht ausreden, nur weil du gerade so eine frauenlose Phase hast.“ Er winkte der Bedienung und bestellte ebenfalls ein Bier. „Hast du eigentlich noch Schmerzen?“

      „Geht so. Habe ja Tabletten bekommen.“

      „Und kannst du am Montag arbeiten?“

      Roberto nickte. „Wird schon gehen. Ich will ja Ende der Woche nach Mallorca. Den Urlaubstag habe ich auch beantragt. Da käme es nicht besonders gut, wenn ich vorher krank bin.“

      Felipe drehte sein Feuerzeug in den Händen. „Die Zähne sind wirklich spitz. Letzt habe ich in der Zeitung gelesen, dass ein Schwein seinen Besitzer attackiert und sogar gebissen hat.“

      „Und dann?“

      „Keine Ahnung, erinnere mich nicht mehr. War aber bestimmt nicht lustig.“

      „Übel.“ Roberto betrachtete seine verletzte Hand. „Und ich weiß noch, wie ich als Kind mal nur knapp einem Schwein bei meinem Onkel entkommen bin. Gerade so habe ich es noch über den Zaun geschafft. Und dann ist das Vieh doch glatt durch den Zaun gebrochen. Mann, was bin ich gerannt.“ Er nahm eine Zigarette aus der Schachtel. „Dafür räche ich mich heute an den Biestern, indem ich sie zu Schinken verarbeite.“

      ***

      Aufgeregt las Miquel die E-Mail der chinesischen Interessenten. Sie boten ihm eine Partnerschaft an, wenn es ihm gelänge, Schweinesperma von Eduardo zu bekommen. Sie schrieben weiterhin, dass Miquel im Fall einer Einigung bei jedem Ferkel aus der Zucht einen Anteil erhalten würde.

      Er wischte seine schwitzigen Finger an der Hose ab. Selbst bei einem nur kleinen Betrag pro Nachkommen käme im Laufe der Zeit ein ansprechendes Sümmchen zustande. Möglicherweise könnte er mit Eduardos Sperma auch selbst einen präsentablen Zuchteber aufziehen und eine längere Geschäftsbeziehung mit den Chinesen anbahnen.

      Anscheinend waren sie bei ihren Verhandlungen mit Antonio gescheitert und hatten sich deshalb an ihn gewandt. Da ging es ihnen nicht besser als ihm selbst. Schon