Alex Conrad

Tod auf der Finca


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seine Finger über der Tastatur. Wenn Antonio krank würde oder verletzt wäre, könnte er anbieten, sich in der Zwischenzeit um die Schweine und auch Eduardo zu kümmern … die Chinesen würden gar nicht mitbekommen, dass Eduardo nur ausgeliehen war. Ein verknackster Knöchel reichte eigentlich schon.

      Sollten sie erst einmal kommen und bis dahin … Miquel schrieb zurück, dass er sich darum kümmern würde und sich bereits auf das Treffen freute.

      Drei

      Carmen schloss die letzte Website. Es sah wirklich nicht prickelnd aus, was die Wohnungssuche anbelangte. Hoffentlich hatte Peter nachher gute Nachrichten. Sie blickte auf die Uhr. Schon halb zwölf. Zu spät, um noch zum Samstagsmarkt zu huschen.

      Durch die Festnahme gestern war sie auch zu nichts mehr gekommen. Wie in Zeitlupe lief erneut in ihrem Kopf die Szene ab. Sie hatte instinktiv gehandelt und im Bewusstsein, sich auf Joan verlassen zu können, der ihr Vorpreschen hoffentlich genauso wertete. So ein tiefes Vertrauen auf den Partner während eines Einsatzes kam nicht von heute auf morgen. Das mussten sich beide zusammen aufbauen. Wenigstens hatte die Frau überlebt und lag im Krankenhaus. Am Montag hofften sie, das arme Opfer befragen zu können.

      Carmen seufzte. In Inca hatte sie erst einmal nichts, worauf sie bauen konnte. Eine Beförderung gab es nicht umsonst und der Preis, den sie zahlen musste, hieß, sich alles neu zu erarbeiten.

      Sie stellte die Tasse unter den Kaffeevollautomaten und drückte die Taste. Wassertank füllen. Sie goss Wasser nach und betätigte erneut den Knopf. Abtropfschale unter der Brüheinheit leeren. Wer das programmiert hatte, lebte schon in der ganz eigenen Hölle. Warum konnte die blöde Maschine nicht einfach alle ihre Wünsche gleichzeitig auflisten? Sie wollte doch nur eine weitere Tasse Kaffee. Seufzend leerte sie die Schale und auch gleich den Kaffeerestebehälter mit. Ein letzter prüfender Blick, ob noch genügend Bohnen drin waren. Knopf drücken. Zufrieden hörte Carmen dem Mahlwerk zu, als ihr Telefon klingelte.

      Auf dem Display sah sie Peters Namen aufleuchten. So früh? Hoffentlich hatte er gute Nachrichten. „Buenos días.“

      „Hola! Wie geht es der frisch Beförderten?“

      „Ich mache mir gerade erst den dritten Kaffee, also noch nicht hundert Prozent.“ Carmen griff die Tasse, klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter fest und öffnete die Milchpackung. Der Drehverschluss hakte und das Handy rutschte dabei vom Ohr weg. Sie hörte nur Wortfetzen. Verdammt! Rasch nahm sie das Telefon wieder in die Hand und hielt es richtig, während sie mit der anderen die Milch eingoss. „Entschuldige, ich habe dich gerade nicht gehört. Was hast du gesagt?“

      Peter lachte. „Klingt beinahe nach einer Ausrede, weil du dich nicht mit mir treffen willst.“

      Carmen trat mit der Tasse auf den kleinen Balkon und pustete über den Rand. „Treffen?“

      „Du hast mir wirklich nicht zugehört“, stellte Peter fest.

      „Die Milchpackung und das Handy …, ach egal. Also: wann, wo, warum?“ Carmen nippte am Kaffee.

      „Ich habe vielleicht eine Wohnung für dich und dachte, wir …“

      „Echt? Das ist fast nicht zu glauben. Ich wollte vorhin schon den Computer an die Wand schmeißen, weil ich überhaupt nichts gefunden habe.“

      Sie hörte, wie Peter schnaufte.

      „Lo siento, es tut mir wirklich leid, dass ich dich unterbrochen habe.“

      „Schon gut, eigentlich müsste ich ja daran gewöhnt sein, dass ich bei dir nicht ausreden darf. Um es kurz zu machen: Hast du nachher so gegen drei Zeit? Wir könnten uns in dem Lokal in Inca am dritten Kreisel treffen.“

      „Das Ledergeschäft, das nebenan ein Restaurant hat?“

      „Ja, genau. Dann erzähle ich dir, was ich habe, und wenn du willst, können wir es danach um vier ansehen.“

      Carmen wusste, dass Peter ihr in diesem Moment nichts weiter über die Wohnung sagen würde, und es deshalb sinnlos war, nachzufragen. Doch es fiel ihr schwer, ihre Neugier im Zaum zu halten. Wäre die Wohnungs­frage geklärt, könnte sie sich voll und ganz auf die neue Aufgabe konzentrieren. Leicht würde das bestimmt nicht. Sie sah auf die Straße unten. Wie würde wohl demnächst ihr Ausblick sein, wenn es mit der Wohnung in Inca klappte?

      „Bist du noch da?“

      „Ja, ich habe nur …“

      „Also um drei?“, unterbrach sie Peter. „Das nächste Lämmchen wartet schon sehnsüchtig auf seine Impfung.“

      „Ich bin pünktlich.“

      Der Wind blies Carmen die Haare ins Gesicht, während sie über den hauseigenen Parkplatz hinter dem Wohnhaus zu ihrem Auto ging. Sie fingerte einen Haargummi aus der Hosentasche und band ihre schulterlangen Haare zu einem Zopf. Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben und es sah nach Regen aus.

      Als sie die Autobahn nach Inca erreichte, klatschten die ersten Tropfen auf die Windschutzscheibe und der Scheibenwischer verschmierte lediglich den Staub. Carmen betätigte den Hebel für das Wischwasser, doch außer einem leichten Brummen tat sich nichts. „Mist“, fluchte sie. Das kam davon, wenn man immer zu Fuß zur Dienststelle ging und dort auf einen Dienstwagen zurückgreifen konnte. Sie fuhr direkt wieder in Son Fuster von der Autobahn ab und parkte bei der ersten Gelegenheit auf einem Seitenstreifen.

      Irgendwo musste noch eine Wasserflasche sein. Im Kofferraum unter diversen leeren Einkaufstaschen wurde sie fündig. Der Regen hatte mittlerweile zugenommen, und bis sie mit der Flasche das Wischwasser aufgefüllt hatte, war ihr T-Shirt auf dem Rücken feucht.

      Schnell stieg sie wieder ein, betätigte die Waschanlage und fuhr erneut zur Autobahn.

      Kurz vor Inca entlud sich ein Platzregen und es ging nur noch im Schritttempo vorwärts. Na super! Pünktlich wäre sie schon mal nicht.

      Fünfzehn Minuten nach drei bog sie auf den Parkplatz des Restaurants ein, dessen dazugehöriges Ladengeschäft bereits geschlossen hatte. Obwohl der heftige Schauer in Nieselregen übergegangen war, reichte es aus, dass Carmens ohnehin noch feuchtes Shirt wieder nasser wurde, während sie zum Restauranteingang rannte. Rechts von der Tür standen unter einem Dach einige Tische, die Hälfte von ihnen besetzt. Am äußersten Ende entdeckte sie Peter, der auf seinem Handy tippte.

      „Hola.“ Carmen hatte Peters Tisch erreicht.

      Er hob den Kopf und sein breites Lächeln erfasste selbst seine Augenfältchen mit.

      Bevor er aufstehen konnte, beugte sich Carmen zu ihm hinab und begrüßte ihn mit zwei Wangenküssen.

      „Ich dachte schon, du hättest es dir anders überlegt bei dem Wetter.“

      Energisch schüttelte Carmen den Kopf. „Und wenn es hageln und blitzen würde. Außerdem bist du doch eher der Wetterflüchtling. Wer hatte denn keine Lust, bis zur Rente bei deutschem Schmuddelwetter bis zu den Knien im Matsch auf irgendeiner Wiese eines Bauernhofs zu versinken?“

      „He, hätte ich meinem Geburtsland nicht den Rücken gekehrt, wären wir uns vielleicht nie begegnet.“ Er zwinkerte ihr zu.

      Kurz blitzte die Erinnerung ihres Kennenlernens auf, wie er vor über sieben Jahren und gerade frisch auf die Insel gezogen bei den Strandfeiern in der Johannisnacht neben ihr gestanden hatte, um zum rituellen nächtlichen Bad ins Meer zu gehen. Mit dem Fuß war er im nassen Sand hängen geblieben, gegen sie gestolpert und hatte sie umgerissen.

      „Wo auch immer du gerade mit deinen Gedanken bist“, Peter stand auf, „lass dich auch noch einmal drücken zu deiner Beförderung.“ Er breitete seine Arme aus.

      „Danke.“ Für einen Moment genoss Carmen es, seinen Körper an ihrem zu spüren. „Also“, sie löste sich von ihm und setzte sich, „was für eine Wohnung ist es?“

      „Du änderst dich nie.“ Peter legte den Kopf schief. „Immer gleich zum Punkt, innehalten ist nicht.“

      „Sagt genau der Richtige, der von Tier zu Tier