dass es durchaus lukrativ sein konnte, jedoch das Prestige eines solchen Züchters über dem Gewinn stand, weshalb auch keine Zahlen genannt worden waren. Eigentlich aber zweitrangig, da sein Großvater drei Apotheken sein Eigen nannte, dazu kamen das Privathaus und diverse Wohnungen und Ladenlokale, die er vermietet hatte. Insgesamt schätzte Roberto das Vermögen seines Opas auf ungefähr dreieinhalb Millionen Euro. Davon stünde ihm als Pflichtteil etwas mehr als Fünfhunderttausend zu … also, wenn alles zu Bargeld gemacht würde.
„Bist du noch da?“, fragte Antonio.
„Ja, entschuldige, ich …“
„Falls du gerade das Kopfrechnen angefangen hast, einen Teil meines Besitzes habe ich bereits als Schenkung an den Verein übertragen.“
Verdammt! Dann würde ja noch weniger bleiben. Roberto zwang sich zur Ruhe. „Ist ja jetzt nicht so wichtig. Die Trauung ist um halb eins, also hole ich dich vorher an den Stallungen ab. Bis dann.“ Roberto wartete die Antwort nicht mehr ab und legte auf. „Mierda!“ So eine Scheiße, denn mit einem Pflichtanteil von welchem Rest auch immer, den sein Opa noch nicht verschenkt hatte, käme er nicht weit. Es war so ungerecht. Würde sein Vater noch leben, hätte der einen Anspruch auf zwei Drittel und das stünde dann Roberto zu hundert Prozent zu.
Er zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Blöder Schweineverein!
***
Kopfschüttelnd steckte Antonio das Handy in die Hosentasche. War er eigentlich nur von habgierigen Ignoranten umgeben? Würde sein Enkel sich wirklich für die Zucht interessieren, hätte er schon vor einigen Jahren einmal für längere Zeit kommen und mitarbeiten können. Doch Stallarbeiten hatte Roberto rigoros abgelehnt, weshalb Antonio ihn als möglichen Nachfolger für sein Zuchtunternehmen nie wieder in Betracht gezogen hatte. Der feine Herr saß ja lieber an irgendwelchen Pokertischen und verspielte Geld, das er nicht hatte.
Antonio hörte Schritte und drehte sich um.
„Ich habe Äpfel für Eduardo.“ Miquel schwenkte eine Tüte in seiner Hand.
Der hatte ihm gerade noch gefehlt. „Ich will deine Äpfel nicht.“ Antonio wandte dem Nachbarn den Rücken zu und ging in den Pferch zu seinem Eber Eduardo.
„Traust du mir nicht?“
Zärtlich streichelte Antonio über Eduardos Rücken. „Du könntest ja was in die Äpfel gespritzt haben.“
Miquel ließ die Tüte sinken. „Glaubst du ernsthaft, ich würde Eduardo etwas antun?“ Er nahm einen Apfel aus der Tüte und biss demonstrativ hinein. „Siehst du, alles in Ordnung damit.“ Mit dem Handrücken wischte er sich den Saft vom Kinn.
„Lass es einfach.“ Antonio zog eine Bürste aus der Hosentasche und striegelte Eduardo, der wohlig grunzte.
Miquel trat näher an das Gatter. „Ich habe einmal einen Fehler gemacht und weiß heute, dass du recht hast, auf die Reinrassigkeit zu bestehen. Ich habe mir sogar eine neue Zuchtsau zugelegt und …“
„Das ändert nichts“, unterbrach Antonio. „Ich traue dir einfach nicht mehr. Weiß ich, ob du Eduardos Sperma nicht auch für andere Sauen verwendest?“ Er steckte die Bürste wieder in Tasche, was Eduardo mit einem leichten Schubs gegen sein Bein quittierte.
Miquel hielt sich beinahe krampfhaft am Holzgatter fest. „Ich zahle auch wirklich gut.“
Antonio lachte verächtlich auf. „Du weißt, dass mir das egal ist.“
Eduardo lugte an Antonio vorbei und schien Miquel mit seinen Augen zu fixieren. „Sch“, sagte Antonio sanft und drehte Miquel den Rücken zu. Mit dem Zeigefinger strich er seinem Eber zart zwischen den Augen auf und ab.
„Du bist ein verdammter Dickschädel!“ Miquel fasste das Gatter und rüttelte daran.
Antonio drehte ihm den Kopf zu. „Hör auf damit! Eduardo kann das nicht leiden.“
Doch es war zu spät. Eduardo wandte sich grunzend von Antonio ab, streifte dabei sein Bein, er verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Hintern.
Antonio konnte Eduardo nur hinterhersehen, wie er auf Miquel zuraste und mit dem Kopf an das Gatter rammte. „Mach dich von meinem Grundstück! Sofort!“, schrie er und rappelte sich wieder auf.
Miquel war hastig einige Schritte vom Gatter getreten, als der Eber losgerannt war.
Sein Glück, dass das Holzgatter stabil gebaut war. Der Zaun wackelte, hielt aber stand. Schnaubend starrte Eduardo Miquel an und Antonio näherte sich, summte ein beruhigendes Lied dabei.
Miquel hob beide Hände und winkte ab. „Wir sprechen ein anderes Mal.“ Er ging zum Hoftor.
„Pass auf, dass ich dich nicht verklage, weil du meinen Eduardo in Stress bringst. Schweine sind sensibel, aber das ist dir ja egal!“ Antonio zog erneut die Bürste aus der Hosentasche und striegelte in sanften Bahnen Eduardos Rücken. „Ich weiß, du wolltest mich nur verteidigen und hast dabei nicht gemerkt, dass du mich umschubst.“
Vier
„Muchas gracias, Laura.“ Carmen verabschiedete sich mit zwei Wangenküssen. „Ab Dienstag bringe ich dann meine Sachen, wenn Isabel mir Bescheid gibt, dass sie alles rausgeräumt hat, was sie mitnehmen möchte.“ Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Eine wirklich schnuckelige Wohnung und sie hatte sogar ein Stückchen Garten und eine kleine überdachte Terrasse.
Dankbar nickte sie Peter zu und ging hinaus. Sie streckte den Rücken und atmete tief ein. Die Luft roch tatsächlich anders als mitten in Palma. Außerdem lagen hinter dem Nachbarhaus große unbebaute Grundstücke – eine ruhige Gegend. Kein Wunder, dass Laura keine Lust verspürte, einen Mieter zu haben, der Partys feierte. Bestimmt waren alle Nachbarn in der kleinen Straße ebenso ruhebedürftig.
„Hast du gesehen?“, Peter deutete nach Westen, „vom Garten aus hast du sogar einen Blick auf die Tramuntana.“
Carmen konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Du musst mir die Wohnung nicht mehr schmackhaft machen, sie ist perfekt. Und dann der Preis. Dafür kriegst du in Palma noch nicht einmal ein Studio, in dem sich dein Bett tagsüber in der Wand versteckt, und du ein Bad hast, das so schmal ist, dass du dir beide Ellenbogen gleichzeitig an den Wänden anstoßen kannst.“
„Das mit dem Anstoßen ist doch ein passendes Stichwort. Wir sollten das auf alle Fälle begießen. Heute Abend?“ Peter öffnete ihr die Beifahrertür.
Carmen sah auf die Uhr. „Es ist schon halb sechs. Da lohnt es sich nicht, nach Palma zu fahren und wieder hierher.“
„Dann eben kein richtiges Abendessen, sondern jetzt ein paar Tapas. Steig ein.“
Neugierig sah sich Carmen während der Fahrt durch Inca um. Auf dem Weg zur Wohnung hatte sie keinen Blick dafür gehabt. Linker Hand entdeckte sie ein Hinweisschild zum Gericht. Dunkel erinnerte sie sich, einmal dort gewesen zu sein, um bei einer Verhandlung auszusagen. Wurden eigentlich alle Fälle, die hier in der Gegend passierten, in Inca verhandelt?
„So schweigsam?“, fragte Peter, während er am Parkhaus links abbog, um anschließend an der Einfahrt vorbei in eine enge Einbahnstraße zu fahren.
„Ich schaue mir die Gegend an und habe das Gefühl, dass Inca die Verkehrsplanung nach der Anzahl der Einbahnstraßenschilder, die sie übrig hatten, ausgerichtet hat.“ Die würde sie sich alle merken müssen.
„Habe ich noch nie drüber nachgedacht. Aber manchmal ändern sie es auch wieder.“ Peter bremste und bog nach rechts ab. „Da sind wir.“ Er parkte ein, stieg aus und zeigte wenige Meter nach vorne. „Da gibt es nicht nur leckere Tapas, sondern die haben auch einige Biersorten zum Verkosten.“
Kopfschüttelnd sah Carmen ihn an. „Du weißt schon noch, dass ich Polizistin bin und nicht trinke, wenn ich fahren muss.“
„Musst du nicht.“
Oh nein. Sie hatte es geahnt. Immer wieder versuchte er es. Sie presste ihre Lippen aufeinander.
Abwehrend