Siegfried Mau

Geschichten zum Einschlafen, Wachwerden und für Zwischendurch


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Kalfatermann. Holzschiffe sind nämlich häufig mal undicht geworden und dann wurden sie kalfatert, also die Ritzen wurden mit Pech und Hanf abgedichtet. Dazu schlug man das Abdichtmaterial mit dem Werkzeug in die undichten Holzfugen, damit das Schiff nicht unterging. Wenn die Matrosen solch eine Undichtigkeit übersehen hatten, dann soll angeblich der Kalfatermann diese Arbeit übernommen haben. Das merkten die Matrosen dann immer, wenn sie das Klopfen hörten.

      Also, so ein Klabautermann ist also ein Geschenk des Himmels und man kann froh sein, wenn es einen an Bord gibt. Und ich war einmal besonders froh, dass ich einen auf unserem Schiff hatte. Vor vielen Jahren kam ich einmal auf einer Fahrt nach Brasilien in schwere See. Nie im Leben hatte ich so hohe Wellen erlebt. Sie schlugen mit voller Wucht über unser Schiff und der Sturm tat sein Übriges. Plötzlich fiel auch noch die gesamte Elektrik aus und ich konnte nicht mehr navigieren. Nicht einmal die Notbeleuchtung sprang an. All unsere Schiffssysteme schienen zu versagen. Wir drohten zu sinken. Ich schaute von der Brücke herunter in die tobende See, konnte aber absolut nichts mehr erkennen. Doch da sah ich eine Gestalt, die sich mit Leichtigkeit am Fahnenmast vorne am Bug des Schiffes festzuhalten schien. Seine feuerroten Haare leuchteten in der trüben Nacht, aber noch mehr schienen seine grünen Zähne zu leuchten. Schnell bemerkte ich, dass es sich um keinen Matrosen unseres Schiffes handeln konnte.

      Dann fiel mir auf, dass er wohl versuchte, mir zu helfen. Ich steuerte mein Schiff einfach in die Richtung, in die seine grünen Zähne leuchteten und nach kurzer Zeit konnte ich mit meinem Schiff das stürmische Gebiet verlassen. Er hatte uns und das Schiff gerettet. Als wir wieder in ruhigem Wasser waren, da ging ich sofort zu dem Mast. Ich wollte mich bei unserem Klabautermann bedanken. Als ich vor dem Fahnenmast stand, da war aber absolut nichts mehr von ihm zu sehen. So ist es halt mit den Klabautermännern. Man sieht sie eigentlich fast nie. Trotzdem rief ich ganz laut ›danke‹ und versprach ihm, dass ich ihm auch immer helfen werde, falls er meine Hilfe einmal benötigte. Er antwortete zwar nicht darauf, aber ich bemerkte ein dreimaliges lautes Klopfen unter meinen Füßen. So wusste ich, dass er mich auch verstanden hatte.

      Als ich dann die Nachricht bekam, dass unser Schiff abgewrackt wird, da wollte ich nicht, dass er kein Zuhause mehr hat und rief in das Schiff hinein, dass ich ihn in mein Kapitänshaus mitnehmen würde. Ich habe beim Auszug aus meiner Kapitänskajüte extra eine große Seemannskiste mehr mitgenommen, in die ich keine Sachen gelegt habe. Diese steht jetzt unten im Keller und du glaubst es nicht, der Deckel ist jetzt offen und ich war es nicht. Also wohnen wir jetzt zu zweit hier. Deshalb sind wohl nicht nur mein Schiff und ich abgewrackt worden, sondern auch unser Klabautermann.

      Das ist die ganze Geschichte. Nicht so ganz einfach zu glauben, aber so war es halt. Du verstehst jetzt sicher, warum kein anderer mithören sollte.«

      Als Onkel Ulf die Geschichte fertig erzählt hatte, da war mein Tee schon eiskalt. Es war so spannend, dass ich total vergessen hatte, auch nur einen Schluck zu trinken. Nun ja, es könnte sein, dass Onkel Ulf mir ziemliches Seemannsgarn vorgesponnen hat. So richtig glauben wollte ich die Geschichte jedenfalls nicht.

      Als ich dann am Abend selbst nach Hause ging, da kam ich an der Kellertür vorbei, welche weit offen stand. Ich schaute die Treppe hinunter und unten vor der Treppe stand tatsächlich eine große geöffnete Seemannskiste, aber was mich dann doch ein wenig stutzig machte, war ein eigenartiges Klopfen, welches irgendwo aus dem Keller zu kommen schien.

      Der Dummklönschnacker

      Mensch Tim, wo kommst du denn jetzt her?«, fragte sein Papa, »du weißt doch, dass Oma Leokadia und Tante Hildegunde heute zum Kaffeetrinken da sind und wenn wir nicht pünktlich um drei Uhr mit dem Kaffeetrinken anfangen, dann fangen die zwei an zu nörgeln und löchern mich mit tausend langweiligen Fragen.

      Mama hat es gut, die kann den Kuchen und den Kaffee in der Küche zubereiten, aber ich muss dann brav am Tisch sitzen und alles beantworten, was sie mich so fragen. Da hab ich wirklich keine Lust zu. Immer diese komischen Fragen wie: Du kennst doch die Nachbarin von Frau Brausemann, die mit dem Dackel, den du als Kind so gerne gestreichelt hast, weißt du eigentlich, dass die gerade in ein Seniorenstift gezogen ist? Oder auch: Kannst du dich an den Friseur erinnern, der früher immer mit dem Fahrrad zu den Kunden gefahren ist, Herr Kleinlindemann, der mit dem Holzbein, dessen Tochter damals den Oberstudienrat Lutzkämper geheiratet hat, mit dem sie dann nach Amerika ausgewandert war, obwohl der ja eine feste Beamtenstelle mit guten Pensionsaussichten hatte, bla … bla … bla?

      Keinen von denen kenne ich, geschweige dann, dass ich sie jemals als Kind kennengelernt habe. Eigentlich interessieren mich diese Personen auch überhaupt nicht, aber trotzdem muss ich dann ganz höflich sagen: Oh, da habe ich jetzt überhaupt keine Idee mehr, wer das wohl gewesen ist oder auch: Nein, da fällt mir gerade überhaupt nicht mehr ein, wer das wohl war. Man möchte ja höflich bleiben. Wenn wir dann wenigstens pünktlich mit dem Kuchenessen anfangen könnten, dann hätten sie ihren Mund voll und würden nicht so viele Fragen stellen und Mama wäre dann auch am Tisch und ich würde nicht alleine so gelöchert werden. Da hast du mich ja ganz schön hängenlassen. Auf die Entschuldigung bin aber mal gespannt.«

      Tim schaute ein wenig verschämt auf den Boden und dann flunkerte er seinem Papa etwas vor, dass sich die Balken bogen, über das sein Papa dann aber doch lächeln musste. Wusste er doch, dass Tim auch nicht viel Lust oder Bock, wie man heute sagt, auf Oma Leokadias und Tante Hildegundes Gerede hatte.

      »Ich wollte ja pünktlich kommen, aber als ich mit meinem Fahrrad vom Spielplatz nach Hause fahren wollte, da habe ich bemerkt, dass ich nicht genug Luft auf den Reifen hatte und dann musste ich erst den Umweg zu meinem Freund Uwe fahren, weil sein Vater einen Kompressor mit dem passenden Adapterstück für meine Ventile hat und das hat echt ein wenig länger gedauert. Gerade heute hatte ich meine eigene Luftpumpe vergessen, sorry, tut mir wirklich leid.«

      »Soso, so war das also. Mann Tim, du hast ja genauso viel Phantasie im Unfug erzählen wie Onkel Ulf von der Nordseeküste. Der ist quasi Weltmeister im Unfug erzählen und er veräppelt die Menschen, wo er nur kann. Da könnte ich dir Geschichten erzählen, dagegen ist deine Notschwindelei gar nichts. Diese Flunkereien können aber auch nach hinten losgehen, also überlege es dir in Zukunft besser ganz genau.

      Aber jetzt erst einmal ab zum Händewaschen und dann ran an die Kuchentafel. Alle warten schon auf dich und verziehe nicht wieder dein Gesicht, wenn Oma und Tante Hildegunde dir zur Begrüßung einen Schmatzer auf die Wange geben.«

      Tim wusch sich brav die Hände, begrüßte seine Oma und seine Tante mutig und ohne beim Begrüßungskuss sein Gesicht zu verziehen und hörte den Erwachsenen artig zu, obwohl es eigentlich so langweilig wie immer war. Na ja, wenigstens der Kuchen schmeckte super und seine Mama hatte für ihn einen echt leckeren Kakao zubereitet. Als die beiden am frühen Abend endlich nach Hause gefahren waren, da erinnerte Tim seinen Papa sofort daran, dass er ihm ja noch etwas von Onkel Ulf erzählen wollte.

      »Ach ja«, meinte sein Papa, »da war ja noch etwas.« Und dann fing er an zu erzählen.

      »Schon als Junge ließ sich Onkel Ulf die seltsamsten Geschichten einfallen.

      Einmal zeigte er uns Kindern bei einer Kindergeburtstagsfeier ein Einmachglas, in dem ein Heuhüpfer auf einer Plastikblume saß. Als wir ihm sagten, dass der Heuhüpfer ja so überhaupt nichts zum Fressen im Glas fände, da erzählte er uns, dass er ihn nur mit Müsli füttern würde, weil der arme Heuhüpfer unter Heuschnupfen leiden würde. Deshalb könne er ihn auch nicht wieder auf der Wiese freilassen.

      Ein anderes Mal zeigte er uns eine Schnecke, welche sich in ihr Haus zurückgezogen hatte und absolut nicht ihre Fühler herausstrecken wollte.

      Da hat er einfach behauptet, dass wir die Schnecke verstehen müssten. Sie war angeblich ein wenig deprimiert, da sie gerne ein Rennpferd geworden wäre.

      Dann war da noch die Sache, dass er ein Schaf von seinem Onkel Karl mit Textilfarbe ganz blau eingefärbt hatte. Mit dem Schaf hat er sich dann an den Hafen gestellt und allen Touristen erzählt, dass es sich bei diesem Schaf um eine neue friesische Rasse handeln würde. Sie durften auch Fotos von dem Schaf