Siegfried Mau

Geschichten zum Einschlafen, Wachwerden und für Zwischendurch


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am Veräppeln der Touristen hat er auch heute noch großen Spaß.

      Wenn er einmal auf Touristen trifft, die etwas fragend schauen, dann geht er zielstrebig auf sie zu und stellt sich so vor:

      ›Guten Tag, wenn ich mich einmal kurz vorstellen darf. Ich bin S.E.K.R. Ulf.‹ Natürlich weiß niemand, was S.E.K.R. bedeutet. Und wenn dann doch einmal jemand wissen möchte, was das bedeutet oder fragend schaut, dann sagt er einfach, ›R wie Ranger.‹ Dann fragt keiner mehr nach. Aber dass diese Abkürzungen eigentlich selbst ernannter Klönschnack Ranger bedeuten, das erzählt er niemandem und die Touristen fragen auch nicht nach. Man könnte ja sonst denken, dass man nicht gebildet sei.

      Und so tischt er ihnen dann die tollsten Geschichten auf. Er soll sogar schon einmal einem Touristen erklärt haben, dass Schafe unterschiedlich lange Beine hätten, damit sie nicht vom schrägen Deich herunterrollen. Deshalb gäbe es immer welche, die das Gras an der Seeseite und andere, die das Gras an der Landseite fressen würden.

      Oder früher, als die Schafe noch wild am Deich lebten, da wären sie zum Brüten ins Watt gegangen und hätten da schwimmende Seegrasnester gebaut, aber das hat er angeblich immer nur den Touristen erzählt, die aus den Großstädten kamen und überhaupt keine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht hatten. Eine seiner größten Schwindeleien ist immer, dass man männliche und weibliche Schafe daran unterscheiden könne, ob die Locken in ihrem Fell linksherum oder rechtsherum gewickelt seien.

      Er sitzt auch gern auf einer der Bänke, die direkt an der Wasserkante stehen. Dann erzählt er den Vorbeigehenden, dass er nach Springschnecken Ausschau hielte. Wenn die durch das Watt springen würden, dann sei immer mit einer Springflut zu rechnen. Daher hätten sie übrigens auch ihren Namen.

      Auch auf den Bänken in der Innenstadt sitzt er gern. Die Möwen sind ja dort an der Fischbude besonders frech und sie haben schon so manch einem unaufmerksamen Touristen einfach den Fisch vom belegten Brötchen geklaut. Dann behauptet er immer, dass die Möwen von ihrem Bürgermeister so dressiert worden seien. Er hieße Nörgel Nörgelson und jeder, der dort lebe, meine, dass es der richtige Name für ihn sei. Er nörgle schließlich den ganzen Tag rum. Zu wenig Touristen, zu viel Touristen, zu kalt für die Jahreszeit, zu heiß für den Sommer, zu viel Regen, zu wenig Regen, zu wenig Umsatzsteuer verdient und so weiter. Da sie gerade bei der Umsatzsteuer wären. Genau deshalb hätte der Bürgermeister die Möwen ja dressiert. Wenn der Fisch geklaut würde, dann müsse ein neuer gekauft werden und für alles, was verkauft würde, müsse man dann auch wieder Steuern bezahlen. Die Möwen würden quasi die Konjunktur anheizen und das sichere Arbeitsplätze und fülle das Steuerkonto. Deshalb würde man die Raubmöwen dort auch Nörgelmöwen nennen.

      Ja, ja, dein Onkel Ulf ist schon ein seltsamer Vogel, aber die Menschen dort mögen ihn trotzdem sehr gern, weil er sehr hilfsbereit und immer freundlich ist. Besonders seine Freunde mögen ihn, weil er bei Problemen sofort zur Stelle ist und hilft, wo er helfen kann und vor allen Dingen lieben sie seine Späße und Streiche, es sei denn, sie sind gerade selbst davon betroffen.

      Es gab eine Zeit, da war es aber selbst für seine Freunde zu viel und sie meinten, man müsste ihm auch einmal verdeutlichen, wie man sich fühle, wenn man reingelegt würde.

      Damals hatte er mit seinen Freunden am Vatertag einen Spaziergang im Watt gemacht. Dazu hatten alle ihre Schuhe ausgezogen und am Strand stehen lassen. Onkel Ulf hatte heimlich alle Schuhe im Sand eingegraben und war ihnen dann hinterhergegangen. Als sie wieder an die Stelle zurückkamen, da suchten alle ihre Schuhe und waren sehr ärgerlich. Onkel Ulf saß nur am Strand und sagte nichts. Als nach dreißig Minuten alle verärgert nach Hause gehen wollten, da sagte er: ›Wartet doch nochmal eben eine Minute. Ich will nur eben meine Schuhe ausgraben, denn barfuß möchte ich nicht nach Hause gehen. Übrigens, euch würde ich raten, an der gleichen Stelle zu graben.‹

      Dann ging er grinsend davon. Du kannst dir vorstellen, wie sauer seine Freunde waren.

      Ein anderes Mal klingelte er bei seinem Freund und meinte: ›Mann, deine ganzen Schafe sind ja noch auf dem Deich. Hast du nicht die Wetterwarnung gehört? Wir kriegen in der nächsten Stunde eine Sturmflut!‹

      Sein Freund lief sofort auf den Deich und trieb alle Schafe in den Stall, da er einen Mittagsschlaf gehalten und nicht auf die Wettervorhersage geachtet hatte. Als er dann den Wetterkanal im Radio angeschaltet hatte und nur hörte, dass das Wetter hervorragend bleiben würde, da bemerkte er sofort, dass Ulf ihn reingelegt hatte. Sein Freund war wegen dieser Sache ganz schön lange sauer.

      Ein anderes Mal besuchte er in der Hafenkneipe seinen Freund Wilhelm, der die Kneipe schon sehr lange betrieb.

      Wilhelm hatte sein Mobiltelefon auf dem Tresen liegen. Als er mal nicht hinschaute, nahm Ulf das Telefon und schrieb allen Freunden eine Nachricht, dass Wilhelm sein zehnjähriges Jubiläum feiern würde und am Samstag niemand sein Bier bezahlen müsse. Natürlich kamen alle. Aber als dann um zehn Uhr abends jemand eine Rede hielt und sich für die Einladung bedankte, da fiel der ganze Schwindel auf. Sein Freund Wilhelm hat natürlich das ganze Bier ausgegeben, aber irgendwie war jedem klar, dass nur Ulf dahinterstecken konnte.

      Alle waren sich darüber einig, dass es jetzt reichen würde und sie trafen sich heimlich, um einen Plan zu schmieden.

      Und der ging so:

      Alle wussten, dass Ulf großen Spaß an der Herstellung von Kaminholz hatte. Er liebte es, wenn er an den kalten Wintertagen vor dem Kamin sitzen und bei einem Tee mit Rum ins Feuer schauen konnte.

      So ging er gern in den Wald, um Bäume zu fällen und dann in seinem Garten die Holzscheite auf Länge zu bringen und zu spalten.

      Diese lagerte er dann in drei großen Holzstapeln in seinem Vorgarten und war furchtbar stolz auf seinen Vorrat für den Winter. Bei jeder Gelegenheit brachte er das zur Sprache und erklärte seinen Freunden, mit welcher Axt er welches Holz gespalten habe oder wie leistungsstark seine neue Kettensäge sei.

      Na ja, man merkte einfach wie wichtig ihm das war, auch wenn das manchmal echt nervte.

      Und so beschlossen seine Freunde, dass sie ihn nur drankriegen könnten, wenn sie etwas mit seinem Holz machen würden. Sie wollten die Stapel sogar anzünden, aber weil sie so dicht am Haus standen und es Umweltverschmutzung gewesen wäre, da fassten sie folgenden Beschluss:

      Einer von ihnen verabredete sich mit Onkel Ulf an einem Freitagnachmittag zum Angeln. Als er dann sein Haus verlassen hatte, da trafen sich dort alle anderen und luden alle drei Holzstapel auf zwei große Anhänger und versteckten diese in dem Schuppen seines Nachbarn.

      Dann stellten sie ein großes Schild in seinen Garten, auf dem in großen Buchstaben geschrieben stand: Wegen Umzugs Brennholz an Selbstabholer zu verschenken. Bitte einfach mitnehmen!

      Dann warteten sie alle bei dem Nachbarn, bis er nach Hause kam.

      Als Onkel Ulf zu Hause ankam, konnte er kaum glauben, dass sein Holz nicht mehr da war. Er lief auf und ab, fasste sich in die Haare, sah sich immer wieder das Schild an, ging auf die Knie und brüllte in voller Lautstärke: ›So ein Schietkram!!!‹ Dann haute er vor Wut mit den Fäusten auf den Boden und die Flüche, die er ausrief, die wiederhole ich jetzt besser nicht. Dabei soll sich mehrfach seine Gesichtsfarbe von blassem Weiß zu dunklem Rot geändert haben. Als dann sein Nachbar vorbeiging, da fragte er ihn, was denn los wäre. Onkel Ulf erklärte ihm, dass sich jemand einen blöden Streich erlaubt hatte und jetzt sein ganzes Holz weg sei. Worauf der Nachbar nur meinte, dass dies eine Erklärung dafür sein könne, warum heute so viele Autos mit Anhängern vorbeigefahren wären.

      Seine Freunde schauten sich das ganze Spektakel vom Fenster des Nachbarhauses an und hielten sich vor Lachen die Bäuche. Nach einiger Zeit gingen dann alle zu ihm und fragten ganz scheinheilig, was denn wohl passiert wäre. Leider mussten sie dabei ziemlich grinsen und als sein Freund Wilhelm dann noch sagte, ›da wirst du wohl im Winter frieren müssen oder du kaufst dir einfach neues Holz‹, da mussten alle furchtbar lachen. Und als Wilhelm noch einen draufsetzte und meinte, es würde zwar einiges kosten und dass er kürzlich auch viel Geld für kostenlose Getränke ausgeben musste, da wusste Ulf sofort, dass seine Freunde ihm jetzt auch einmal einen dicken Streich gespielt hatten.