Ursula Isbel-Dotzler

Unheimlich


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ihn mit Wasser zu bespritzen, und die beiden veranstalteten eine Wasserschlacht. Magnus und ich hielten uns in sicherer Entfernung von den beiden. Wir blinzelten in die Sonne, sahen den Segelschiffen zu, wechselten ab und zu einen Blick oder ein Lächeln. Es war, als würden wir uns schon seit Jahren kennen und nicht erst seit weniger als zwei Stunden.

      Später lagen wir zu viert auf der Klippe und sonnten uns. Eine Weile schwiegen wir, doch es war kein unbehagliches Schweigen. Manchmal öffnete ich die Augen und sah träge aufs Meer hinaus oder verfolgte mit den Blicken die Möwen, die in wunderbarer Anmut über dem Wasser schwebten und sich vom Wind tragen ließen.

      Plötzlich sagte Magnus: „Ihr wohnt in das alte Pfarrhaus, wie?“

      Kristin nickte. „Ja, bei meinem Vater. Ich weiß wirklich nicht, warum er sich das Haus gekauft hat. Es ist so einsam da. Brrr!“ Und sie schüttelte sich.

      Magnus machte ein nachdenkliches Gesicht. „In Lilletorp sagen die Menschen, daß es in das Pfarrhaus…“ Er stockte. „Wie heißt das doch, Sten? Spöker?“

      „Spuken“, sagte Sten. „Sie sagen, daß es ins Pfarrhaus spukt. Die alte Frauen erzählen sich das, ja. Und die alte Männer. Das Haus hat deshalb auch viele Jahre leer gestanden, bis dein Vater es gekäuft hat.“

      „Gekauft“, verbesserte Kristin. „So ist das also! Da siehst du’s mal, Frankie!“ Und sie warf mir einen triumphierenden Blick zu.

      Ich hob den Kopf. Die friedliche Stimmung war zerstört. Spuk! Die Geräusche fielen mir ein, die ich in der ersten Nacht im Pfarrhaus gehört hatte. Dieses Schleifen…

      Obwohl die Sonne so warm schien, lief mir ein Schauder über den Rücken.

      „Du hast ja eine Gänsehaut!“ sagte Magnus. „Bist du ängstlich vor Spukerei?“

      Ich erwiderte: „Nein.“ Aber es klang nicht sehr überzeugend.

      „Was soll denn das für ein Spuk sein?“ fragte Kristin begierig. „Geht ein Gespenst um? Eine ruhelose Seele oder so?“

      „Ich weiß selber nicht so genau“, sagte Magnus. „Du sollst meine Großmutter fragen. Die hat mich oft davon erzählt, als ich klein war. Da ist mal etwas geschehen, vor hundert oder zweihundert Jahr. Ein böser Pastor hat seine Frau geplagt, glaube ich.“

      „Ja“, bestätigte Sten. „Jetzt weiß ich es auch wieder. Ein alte Tante von mir hat früher manchmal davon gesprochen. Da soll ein Pastor gewesen sein, wo war sehr grausam zu sein Ehefrau. Er hat sie so gequält, daß sie… Wie sagt man doch gleich? Sie hat Selbstmord gemacht. Ein kleines Kind hatte sie auch. Das soll sie vorher noch getötet haben, aber sein Leiche hat nie jemand gefunden.“

      Ich starrte ihn an. Mir war jetzt richtig kalt. Ich griff nach meinem T-Shirt und deckte mich zu.

      „Pfui Teufel!“ sagte Kristin. „Und so was soll ein Pastor gewesen sein. Aber die Kirche hat früher schließlich auch Frauen foltern und verbrennen lassen, die sie für Hexen hielt. Das müssen doch grausame, engstirnige Leute gewesen sein!“ Sie schüttelte voller Abscheu den Kopf. „Diese Frau soll also im Pfarrhaus herumspuken? Oder etwa der Pastor? Vielleicht läßt ihm sein Gewissen keine Ruhe!“

      Ich stöhnte. „Hör bloß auf, Kristin! Wenn das so weitergeht, packe ich meine Sachen und laufe zu Fuß nach Hause.“

      Magnus sagte: „Oh, das ist mir sehr unangenehm. Ich meine, ich wollte dir nicht ängstlich machen. Es gibt doch kein Spukerei, Frankie. Das ist nur, was die alten Menschen glauben.“

      „Wer weiß“, warf Kristin ein. „Es könnte doch sein, daß solche armen Seelen, die im Leben furchtbar gelitten haben oder viel Böses getan haben, keine Ruhe finden und an dem Ort umgehen müssen, wo alles passiert ist.“

      „Das glaube ich nicht“, sagte Sten. „Man hat doch kein Beweis dafür, daß irgendwo wirklich ein Gespenst war. Die Menschen wissen nur, wenn in ein Haus etwas Schlimmes passiert ist. Dann denken sie, daß es dort ungeheuerlich sein muß.“

      „Nicht geheuer“, verbesserte Kristin. „Aber ich sage euch, ich habe mal in einer Zeitschrift einen Bericht gelesen…“

      Und sie erzählte weitschweifig eine Geschichte von einem Spukhaus im Bayrischen Wald, doch ich hörte nicht richtig hin. Wieder dachte ich an die Geräusche. Ich war sicher, daß ich während der kommenden Wochen jede Nacht stundenlang wach liegen und horchen würde, ob sich die seltsamen Laute wiederholten; und das war keine angenehme Vorstellung.

      „Ihr sollt mal mit mein Großmutter sprechen“, sagte Magnus. „Sie weiß viel über das alles Bescheid. Ihr eigenen Großmutter hat nämlich mal in das Pfarrhaus gearbeitet. Als Piga… Wie sagt man auf deutsch, Sten?“

      „Als Hausmädchen“, erklärte Sten. Er machte ein interessiertes Gesicht. „Hat sie bei dem bösen Pastor und sein Frau gearbeitet?“

      Magnus schüttelte den Kopf. „Nein, später erst. Das war wohl der nächste Pastor oder so. Jedenfalls sagt meine Großmutter, daß seine… nein, ihre Großmutter aus das Pfarrhaus entlaufen ist. Wegen der Spukerei.“

      Ich stöhnte wieder, diesmal aber nur innerlich. Magnus fuhr fort: „Aber mein Großmutter kann nicht Deutsch.“

      Ich dachte erleichtert, daß ich ja kein Schwedisch konnte und mir die Schauergeschichten deshalb auch nicht anzuhören brauchte. Doch Kristin erwiderte eifrig: „Ach, das macht nichts. Wir gehen zu ihr, und sie soll uns alles genau erzählen. Dann mache ich den Dolmetscher und übersetze für Frankie, was sie sagt.“

      „Vielen Dank!“ murmelte ich schwach.

      Glücklicherweise redeten wir an diesem Tag nicht weiter vom Pfarrhaus. Sten begann eine andere Spukgeschichte zu erzählen, die er in einem Buch gelesen hatte. Nicht, daß ich im Augenblick besonders wild auf Spukgeschichten gewesen wäre. Seine Erzählung klang jedoch eher komisch als schaurig, weil er gelegentlich ein falsches Wort benutzte und grammatikalische Fehler machte, die einfach keine gruselige Stimmung aufkommen ließen.

      Dann gingen wir zu einer Würstchenbude hinter der Parkbucht, aßen „korv med senap“, was soviel wie Würstchen mit Senf bedeutet, badeten noch einmal, legten uns wieder in die Sonne und fuhren anschließend nach Lilletorp zurück.

      „Das war prima!“ sagte Kristin, als wir vor dem Krogen abstiegen. „Nehmt ihr uns morgen wieder mit?“

      „Sicher“, sagte Magnus. „Morgen fahren wir noch mal. Dann fängt der Schule bei uns wieder an, leider.“

      „Oh!“ Kristin war enttäuscht.

      „Aber am Wochenende können wir fahren und schwimmen“, sagte Sten. „Und ein bißchen Zeit gibt es schon noch.“

      Wir verabredeten uns für den nächsten Tag um die gleiche Zeit. Dann holten Kristin und ich unsere Fahrräder aus dem Hof der Gastwirtschaft. Magnus und Sten warteten noch am Straßenrand.

      „Und seid vorsichtig mit dem Spukerei!“ rief uns Sten nach, als wir losradelten. „Wenn der alte Schweinepastor um Mitternacht vor eure Tür steht und sein Kopf unter sein Arm trägt, müßt ihr ihm fotografieren. Dann haben wir ein Sensation in Lilletorp!“

      Kristin wandte sich lachend um und winkte. Ich aber lachte nicht. Ich konnte es einfach nicht komisch finden.

      7

      Natürlich schlief ich in der folgenden Nacht ausgesprochen schlecht. Ich wälzte mich unruhig im Bett herum, wurde von ekelhaften Träumen geplagt und fuhr immer wieder erschrocken hoch, weil ich mir einbildete, ein Geräusch gehört zu haben. Dabei war es während der ersten Nachtstunden völlig still im Haus.

      Kristin, die Glückliche, schlief selig wie immer. Nur einmal kicherte sie im Schlaf. Nicht zum erstenmal beneidete ich sie um ihre Unbekümmertheit.

      Kurz nach Mitternacht begann es draußen leise und fern zu donnern. Der Wind seufzte in den Bäumen, nahm langsam