zwischen so einem wohlerzogenen Offizierssohn und dann uns.“
„Aber das ist wohl nicht Harrys Fehler?“
„Nein, nein – es ist nur so.“
Nachdem er Karl und Elsa nachgewinkt hatte, ging Erik ins Haus. Er konnte Marianne und Gunvor im Eßzimmer rumoren hören und ging nach oben, ins Schlafzimmer, fühlte das Bedürfnis, allein zu sein. Er steckte sich eine Zigarette an, stand eine Weile auf dem Balkon und sah auf den Garten hinunter, konnte Harry auf dem Sofa in der Veranda sehen.
Es war nicht so sehr die Tatsache, daß der Kognak alle war, sagte er sich wieder – obwohl man so auf die schiefe Bahn kommen konnte –, aber daß es hinter seinem Rücken geschah! Warum sagte der Junge das nicht? Warum kam er nicht am nächsten Tag und sagte: Hör mal, gestern abend ging’s ein bißchen hoch her, und deshalb ... Hätte man das nicht erwarten können? Er wußte, daß er nie so aufgetreten war, daß Heimlichtuerei nötig gewesen wäre. Er hatte sie die Regel von Freiheit unter Verantwortung gelehrt und selbst nach dieser Regel gelebt. In diesem Punkt waren sie sich immer einig gewesen, er und Gunvor. Keinen anderen Druck als den, den eine vernünftige Lebensführung nun mal erfordert.
Aber Kurt konnte ja vergessen haben, ihm Bescheid zu sagen, es war vielleicht gerade erst passiert. Nicht, daß das etwas entschuldigte, aber das würde eine Erklärung sein – eine partielle. Er warf die Zigarette in einen Aschenbecher, ging über den Flur und klopfte bei Kurt an. Sie waren drinnen; er konnte sie hören. „Was ist?“ rief Kurt. „Wir wollen nicht gestört werden. Nicht jetzt.“
„Ich möchte gern mit dir sprechen“, sagte Erik.
„Hat das nicht Zeit?“
Er wurde fast wütend. „Nein!“
„Zum Teufel, ist das ein Befehl?“
Erik faßte die Türklinke. Es war abgeschlossen. „Hör mal“, rief er.
„Ja, ja, immer mit der Ruhe, ich komme.“
Einfach dastehen und eine verschlossene Tür anglotzen, das wollte er nicht. Er kehrte um, rief: „Ich warte also“, und ging zurück zum Balkon.
Es dauerte seine Zeit. Er wurde immer nervöser. Gewisse Grenzen mußte es schließlich geben. Er war drauf und dran, hinzugehen und gegen die Tür zu donnern. Aber gerade da kam der Junge, schlaksig und nonchalant, wie immer. Uff, dachte er. Dumm – dumm, die Situation so zu nehmen. Dann ging ihm das Inkonsequente in seinem Gedankengang auf. Der Junge konnte ja unmöglich wissen ...
„Sag mal“, begann er und bedeutete Kurt mit dem Kopf, daß er sich setzen könne. „Seit wann versorgst du dich mit meinem Kognak?“
Kurt versuchte erstmal verblüfft zu spielen. „Öh, Kognak?!“ Dann grinste er komplicenhaft: „Du hast es also gemerkt.“
Erik begnügte sich mit einem Nicken.
„Das war“, begann Kurt zögernd, „war so ein Abend ...“
„Du hättest doch fragen können!“
„Na ja, aber – öhm – ich wollte dich nicht stören, es war so –“
„Quatsch!“ Erik wußte nicht recht, was er sagen sollte. „Bist du dir darüber im klaren, daß du dir was ziemlich Teures geleistet hast?“
„Eben.“
„Was meinst du mit ‚eben‘?“
„Ich kann’s mir nicht leisten.“
„Du meinst also, ich kann das?“
„Jedenfalls besser.“
„Hör mal, ich will dir mal was sagen: wenn ich mir einen kleinen Luxus gönnen möchte, dann muß ich den schon selbst bezahlen. Das wirst du auch lernen.“
„So eine Krämermentalität.“
„Du bist ja gut!“ Es juckte Erik in den Fingern, und er hätte ihn gerne geschüttelt. Aber was erreichte er damit? Er schwieg eine Weile, dann sagte er: „Du hältst es also für nötig, mich zu hintergehn – warum?“
„Na, ich ging davon aus, daß du nicht gerade begeistert gewesen wärst.“
„Natürlich nicht.“
„Und wenn ich gefragt hätte, dann hättest du ihn wohl kaum rausgerückt, wie?“
„Wahrscheinlich nicht.“ Erik dachte ein wenig nach. „Das, worauf du dich hier einläßt, ist nämlich weder unschuldig noch ungefährlich.“
„Man muß die Sachen ja mal probieren“, meinte Kurt, „wenn man was wissen will.“
„Ehrlich gesagt, ich finde, du hast im letzten Jahr etwas reichlich probiert – oder nicht?“
„Nicht mehr als alle andern auch.“
„Wir sprechen von dir. Und mir wäre es lieber gewesen, du wärst zu mir gekommen und hättest es selbst gesagt. Ich weiß nämlich einiges davon, wozu so was, das – bewahre! – ganz unschuldig aussieht – wozu so was führen kann.“
Als Kurt nichts sagte, fügte er ärgerlich hinzu: „Ja, das ist wirklich nur zu deinem Besten, Junge. Du darfst auf keinen Fall in irgendwas reinschlittern.“
„Ich finde, da hat kein anderer seine Nase reinzustecken. Ich werde schon mit mir fertig“, sagte er mürrisch und stand auf. „Sonst noch was?“
„Du hast nicht auf meine Frage geantwortet.“
„Wonach hast du gefragt?“
„Ob es zwischen uns notwendig sein sollte, daß du mich hintergehst. – Aber der Meinung bist du offenbar. Ich denke manchmal darüber nach, ob dir eigentlich aufgegangen ist, wieviel Freiheit ihr hier zu Hause habt und immer gehabt habt. Denk zum Beispiel mal an Kim. – Und dann finde ich, ehrlich gesagt, du könntest wenigstens ein bißchen, wie soll ich es nennen, Anständigkeit, Loyalität, vielleicht Familiengefühl zeigen ...“
„Davon hab ich weiß Gott nichts.“
„So, aber dann Anständigkeit, Mann! Daß du kommst und Bescheid sagst. Ich kann diese Einstellung nicht vertragen: geht dies, dann geht anderes auch. Kleine Betrügereien. Das hast du nicht nötig. Nicht wahr, mein Junge? – Ich kann natürlich nicht dafür garantieren, daß ich nicht mal wütend werde, natürlich werd ich das. Aber wir können doch darüber sprechen. Du bist doch wohl Manns genug, daß du sagen kannst, so und so ... Warum sagst du nichts? Hab ich vielleicht nicht recht?“
„Doch, meinetwegen, da ...“
„Was meinst du damit? Ich habe recht. Wenn ich an meine eigene Kindheit denke, glaubst du, ich hätte jemals gewagt, an den Schrank meines Vaters zu gehn – und dann in diesem Ausmaß!“
„Ich weiß nicht, ob dir aufgegangen ist, daß sich die Zeiten geändert haben.“
„Was heißt, die Zeiten haben sich geändert? So was ändert sich nicht. Es gibt Dinge, die man nicht tut – ganz einfach aus Rücksicht auf sich selbst. Ich möchte, daß du das verstehst. Persönlich kann es mir völlig egal sein, ob du eine Flasche Kognak stiehlst oder nicht.“
„Kaum zu glauben!“
„Halt doch den Mund und denk nach!“
„Wenn ihr Kognak trinkt, können wir das wohl auch.“
„Ich hab damit angefangen, als ich so um die Vierzig war. Du bist einundzwanzig. Komm erst mal ein bißchen in mein Alter, dann können wir darüber sprechen, was ihr – wohl auch könnt.“
„Mehr sind eure Phrasen von Demokratie also nicht wert?“ „Du bist ein kompletter Idiot! – Als ob es überhaupt irgendeine Grundlage für einen Vergleich gäbe! Du solltest etwas reifer werden, das solltest du!“ Er unterbrach sich; wie lächerlich, so was zu einem jungen Mann zu sagen.
„Offen gesagt, Vater, ich hab