aber freuen, Harry.“
„Eben“, antwortete Harry, „ich bin wahrhaftig ihr ein und alles.“
Drittes kapitel
Die jungen Leute hatten Pullover übergezogen und ein paar Decken besorgt und lagen im Windschatten auf dem kurzgeschnittenen Rasen. Ab und zu drang unartikuliertes Gebrüll hinauf zur Veranda. „Wie die schreien“, sagte Karl. „Ja, das kreischende junge Mädchen, dieses Fräulein Madsen“, sagte Harry, „um die zu bemerken, braucht man in der Tat, haha, kein Radar.“
Kurt lag auf dem Rücken, einen Halm zwischen den Zähnen, und probierte mit großem Ernst, wie weit sich die Zehen auseinanderspreizen ließen. Rie rückte ein Stück weiter: „Bist du bald fertig?“ Er sah sie über die Sonnenbrille an, antwortete jedoch nicht. Luffe lag auf dem Bauch und döste.
„Ihr werdet nie braun“, sagte Pusser, die ihr Gesicht in die Sonne hielt. „Soll ich euch ’n paar Haarklemmen pumpen?“ „Nee, danke.“ – „Ja, aber ehrlich“, meinte auch Rie, „ihr bleibt hinter der Gardine ganz blaß.“ Kim hielt die Arme um die Knie verschränkt und hatte die unentbehrliche Pfeife zwischen den Zähnen.
„Wie kannst du dir eigentlich erlauben“, fragte er in Pussers Richtung, „Kurt ’nen Schmarotzer zu nennen?“
„Wenn er das doch ist!“ antwortete Pusser aggressiv.
„Warum sollte er mehr Schmarotzer sein als du?“
„Ich und Schmarotzer! Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank! Ich mach wohl was, und er?“
„Studiert“, kam es lakonisch von Kurt.
Rie grinste: „Du! Nicht die Bohne, du treibst dich bloß rum. Glaubst du, wir wissen das nicht? Eines Tages wirst du rausgeschmissen.“
Kurt zuckte ein wenig zusammen und drehte sich halb um. „Gar nichts werd ich!“ Aber beunruhigt von dieser Möglichkeit, die absolut in den Grenzen des Wahrscheinlichen lag, rollte er sich wieder auf den Rücken: „Na und?! Ist mir doch egal.“
„Dann bist du wohl auch ’n Schmarotzer.“
„Man erbittet eine Definition“, sagte Luffe.
„Ist das so schwer?“ fragte Rie. „Einer, der von andern lebt.“
„Nassauert“, sagte Pusser.
„Das tun alle – mehr oder weniger“, behauptete Kim philosophisch.
„Das kannst du aber nur von dir selbst sagen“, brauste Pusser auf. „Ich weiß verdammt gut, was ich mache. Was arbeiten heißt.“
„Und wer sagt denn“, Luffe drehte den Kopf zur Seite und sah sie nachsichtig an, „daß das soviel besser ist als das, womit wir andern uns befassen?“
„Ich falle ja wohl keinem zur Last“, sagte sie erregt.
„Die Kleine ist gut abgerichtet, haben sie gut hingekriegt“, sagte er zu den andern.
„Was meinst du damit?“
„Frommer kleiner Arbeitssklave, was?“
„Soll ich mich vielleicht deswegen schämen, weil ich arbeiten kann?“
„Ja, vielleicht solltest du das.“
„Du spinnst ja.“
„Nein, du drehst aber auch alles um“, sagte Rie, „es ist doch gut, daß das jemand kann.“
„Gut, daß man sich ausnutzen läßt?! Das kann ich nicht einsehen.“ Pusser wurde immer aufgebrachter. „Es gibt sicher ’ne Menge, was du nicht einsehn kannst! Aber wenn man nicht krepieren will, muß man ja wohl arbeiten. – wenn’s ginge, würde man schon gerne frei sein.“
„Dann mach dich frei!“
„Ph, dann mach dich frei. Davon kann so’n verwöhntes Jüngelchen, das alles umsonst hat, grad quatschen! Wie denn? Man sollte sich wohl von ’nem Kerl aushalten lassen, wie?“
„Nimm’s, wie’s kommt, das ist das einzig Positive.“
„Positiv!“ rief Rie, „euer schlampiges Leben – positiv?!“
„Jawohl, wir leben nämlich im freien Einfall.“
„Und mit welchem Resultat?“ fragte Rie spitz.
„Läuse und lange Fingernägel“, antwortete Pusser.
Luffe ignorierte sie. „Lebenserfahrungen.“
„Lebenserfahrungen!“ Rie brüllte. „Haltet mich fest!“
„Führ dich bloß nicht so auf“, sagte Kurt, „und dann denken wir.“
„Denken – ihr?!“ Pusser stöhnte.
„Genau das – bedeutend gründlicher als die meisten Leute. – Oder hast du beispielsweise jemals etwas genauer darüber nachgedacht, ob ihre Art von Lebensführung die richtige ist?“ Kurt nickte zum Haus hinüber. „Hast du das?“
„Nachgedacht, nachgedacht“, sagte Rie, „klar hab ich das. Und natürlich soll mein Leben anders sein, obwohl ...“
„Obwohl was?“ fragte Kurt.
„Ja, eigentlich geht’s ihnen wohl sehr gut.“
„Denen? Die langweilen sich zu Tode. Das hast du ja selbst gesagt. Das ist ganz klar“, erklärte Kurt und kratzte sich am Hacken.
„Ich weiß nicht recht“, sagte Pusser, „so einer wie eurer Mutter, der geht’s doch gut.“
„Man träumt vielleicht davon – daß es einem auch mal so geht?“ stichelte Luffe.
„Ich träume überhaupt nicht“, knurrte Pusser, „aber das ist ja wohl klar, daß es nicht so unflott wäre, wenn’s einem so ginge – tun, was man will, und dann mit Haus und Auto und all so was, ja, und Badezimmer.“
„Das glaubst du“, sagte Kurt, „denn, siehst du, wenn du’s erst hast, denkst du nicht mehr dran, überhaupt nicht, denn dann entdeckst du, daß es eine ganze Masse gibt, was wichtiger ist.“
„Das weiß man ja eben nicht“, sagte Rie.
„Was weiß man nicht?“ fragte Kim.
„Ob das alles, wovon ihr so flott quatscht, auch so wichtig ist, wenn man die Dinge nicht hat, die elementaren, meine ich.“
Sie band sich ihr Schuhband und philosophierte weiter: „Wenn man zum Beispiel einer von den Ausländern hier in der Fabrik wäre, einer von denen, über die wir gelacht haben, Pusser?“
„Ja, und was dann?“ fragte Pusser verständnislos.
Aber Luffe sagte: „Tja – da ist natürlich was dran.“
„Man hat unterschiedliche Ausgangspunkte, nicht wahr“, sagte Rie, „ich meine, weil es auch eine Welt außerhalb von Verona gibt.“
„Jetzt wird sie gelehrt“, japste Kurt, „bläht sich auf wie der Schwager.“
„Halt die Klappe!“ sagte Rie.
„Schmeißt mal ’ne Zigarette her!“ verlangte Pusser.
Kim kroch zu ihr hin und gab ihr Feuer, legte dann den Kopf in ihren Schoß und wühlte sich zurecht: „Wunderbar! Darf ich?“
„Wenn du Asche in die Augen haben willst, dann bitte“, antwortete Pusser gleichgültig. Kurt ärgerte sich darüber, daß er selbst nicht auf die Idee gekommen war, obwohl das sicher auf sie gar keinen Eindruck machte. Sie war schon komisch, Pusser – wenn man grade glaubte, daß sie heute lieb und nett sei, konnte sie sauer wie Essig und boshaft werden, daß man zehn Schritte zurückging und dachte: Herr im Himmel! Aber eigentlich mochte er sie gern, und es ließ sich mit ihr sicher auch gut lieben, aber sie wollte nicht. Das ärgerte ihn. Da wußte man nun, daß der und jener der Kameraden