Max Geißler

Der Douglas


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Vaters. Lord William Malcolm ist der einzige Mensch, dem der Marschalk in wahrhaft heldischer Treue zugetan ist. Er würde ihn nicht missen mögen; denn es kann sich einer nicht seinen Kopf und seinen rechten Arm abhacken ... Verstehst du das, Archibald Douglas?“

      Der blonde, junge Ritter schwieg und sah nachdenklich vor sich hin. Um dem Gespräche eine andere Wendung zu geben, fragte er:

      „Hast du Brüder, John Malcolm? Und warum führst du sie nicht zu mir, damit wir uns dieser Stunde gemeinsam freuen?“

      „Keine Brüder, Archibald Douglas! Aber meine Schwester Harriet will ich morgen in dies Gemach geleiten.“

      Da lächelte der genesende Mann: „Oh, ihre Schönheit ist allmächtig, und ihr Herz ist wunderbar wie ein Märchen.“

      Er sprach diese Worte wie im Traume, und seine Augen füllten sich darüber mit hellem Glanze.

      „Du weisst ...?“ entgegnete John Malcolm erstaunt.

      Douglas legte seine Hand auf die des Freundes und sagte:

      „Für die Kunde von ihrer Schönheit und für das Lob der Güte ihres Herzens waren die Mauern der Douglasschlösser nicht stark genug. Und die Feindseligkeit unserer Geschlechter war nicht mächtig genug, ihrem Eindringen zu wehren. Von Harriet Malcolm, der Rose von Schottland, singen die fahrenden Leute. Von ihr und ihrem edlen Sinn erzählen die Mägde am Spinnrade mit glückseligen Augen. Ich freue mich, Harriet Malcolm morgen zu sehen.“

      Während Douglas so sprach, erhob sich der Arzt von seinem Sitz. Er schlug dem jungen Ritter das Oberkleid am Halse zurück und schob ihm den Verband zurecht, der sich an Schulter und Brust verschoben hatte. Auf der Stirne sass dem jungen Helden noch der blutrote Striemen eines frischvernarbten Schwerthiebs. Erst an diesem Morgen hatte ihm der Greis die Binde abgenommen. Nun sagte er lächelnd und bedächtig:

      „Wenn Ihr bald nach Burg Douglas reiten wollt, Sir, so werden wir jetzt daran denken müssen, Euch in der Stille des Turmgemachs allein zu lassen. Ich bitte, streckt Euch wieder auf den Fellen aus und lasst uns beide heute den Rest des Burgunderweins allein trinken.“

      Douglas litt frohgemut die Sorge des greisen Arztes. Dann sagte er scherzend:

      „Was meint Ihr, Melvil? Bin ich nicht wieder stark wie ein Löwe?“

      Er schlug ihm dabei sanft auf den Arm.

      „Hm,“ machte der Alte, „und wenn Euch in einer Stunde ein Geissbock anrennt, so setzt er den Löwen in den Sand. – Wir wollen daran denken hinauszugehen, Herr John,“ wendete er sich an Malcolm, „oder wir wollen höchstens noch ein wenig darüber reden, was zu geschehen hat.“

      „Es ist recht,“ antwortete der junge Ritter und wendete sich dem neugewonnenen Freunde zu: „Auf Burg Douglas meinen sie, du wandelst nun unter den Toten! Möchtest du, dass ich einen verschwiegenen Boten reiten lasse, der den Deinen die Kunde hinüberbringt: Archibald Douglas lebt?“

      Da legte der Kranke die Hand flach über seine Stirn und sah schweigend nach der gebräunten Decke des Gemachs. Es war, als senke sich eine tiefe Trauer in sein Herz. „Kunde bringen?“ fragte er halblaut. Er redete mit sich selbst. Dann richtete er sich ein wenig auf: „John, du sagst, einen ‚verschwiegenen‘ Boten. Glaubst du, dass ausser unserem alten Doktor ein Mensch lebt, der über das schweigen wird, was in dieser Stunde sich zwischen uns ereignet hat? Ja, wenn wir beide die Ältesten unserer Geschlechter wären! Und wenn wir die Macht hätten zu gebieten: der alte Hass soll nun begraben sein, denn er war die Schmach der Malcolm und Douglas! Aber wir sind beide nur die Söhne unserer Väter. Und in unseren Vätern brennt die Flamme des Hasses verderblich weiter ...“

      Noch ehe Douglas geendigt hatte, war Malcolm wieder zurück in den Erker getreten. Auch ihn überkam tiefer Unmut – nun lehnte er die Stirne in schweigsamem Sinnen gegen die kalten Rundscheiben des Fensters.

      „Den Hass des Alten von Malcolm gegen die Douglas zerschlägt nur der Tod!“ sagte er dumpf.

      „Und den Hass des greisen Lord Douglas wider die Malcolm zerschlägt nur der Tod!“ kam es in gleichem Tone von den Lippen des Kranken.

      Endlich trat John Malcolm wieder an das Lager seines Freundes und reichte dem jungen Ritter die Hand: „So wollen wir uns unverbrüchliches Schweigen geloben. Kein Mensch soll von dem Glücke dieser letzten Stunde Kunde bekommen als unser treuer Arzt und Harriet, meine Schwester!“

      Bei diesen Worten beugte er sich zu dem goldhaarigen Douglas nieder und küsste ihm die Wange. Dann winkte er dem Arzte:

      „Kommt, Melvil, wir wollen zu Harriet gehen und mit ihr heimlich Rat halten! Vielleicht weiss Frauenklugheit einen Weg aus diesem Netze, mit dem uns das Schicksal umstrickt hat.“

      Damit verliessen die beiden das Turmgemach.

      Das Geheimnis des Turmes

      Als der alte Arzt am nächsten Tage wieder in das Turmgemach trat, fand er den Zustand des Kranken zu seiner grossen Freude besser denn zuvor. Er hatte gefürchtet, das wunderbare Ereignis würde das Fieber von neuem heraufbeschwören. Deshalb meldete er dem Genesenden lächelnd, dass John Malcolm mit seiner Schwester Harriet in kurzer Zeit das Turmgemach aufsuchen würde.

      Nachdem Melvil in eifernder Sorge noch einige gute Ratschläge erteilt hatte, verabschiedete er sich von Douglas.

      Wie er die Wendeltreppe des Turmes hinabstieg, begegnete er dem Geschwisterpaare.

      „Nun, Melvil, wie steht es?“ rief ihm Herr John entgegen.

      „Es ist, als wäre ein Wunder geschehen – auch mit ihm!“ antwortete der Arzt. „Er hatte das Lager bereits verlassen, als ich vorhin zu ihm kam. Fast scheint es, als fände er Gefallen an der Gefangenschaft im Turme von Malcolm – einer Gefangenschaft, die er sich freiwillig auferlegt. Sonst hätte er heute früh wohl ein Ross zum Heimritt von mir gefordert!“

      Eine Minute später betrat John Malcolm mit seiner Schwester Harriet die Einsamkeit des Turmgemaches.

      Douglas schritt ihnen entgegen, verneigte sich tief vor der Jungfrau und berührte ihre Hand mit seinen Lippen. Dann schlang er lachend die Arme um seinen Freund.

      Beim Anblicke der Lieblichen war ein Glanz in die Augen des jungen Ritters gefallen; und auf seine Stirne flog ein freudiges Rot.

      Blossom war gekleidet wie an jenem Morgen, da sie sich für die Heimkehr des Bruders bereitet hatte. Unter den Säumen ihres seegrünen Übergewandes, das an der Seite gerafft war, fiel der dunkelrote Seidensammet des Rockes hervor. Der war mit einer goldenen Borde fein geziert. Auch war es, als bräche ein goldener Schein aus den silbernen Maschen des Netzes, das über ihrem Haare lag, und erhellte das stumpfe Licht des Gemachs.

      Es ist zu denken, was sie sprachen.

      Zuletzt redeten sie über die Heimkehr des Gastes nach Schloss Douglas und die Möglichkeit heimlichen Wiedersehens. Dabei flogen ihre Blicke zueinander wie Vogelpaare im Mai.

      Dass die hochgemuten jungen Ritter ihre Freundschaft fortsetzen und pflegen wollten, das war der Wunsch ihrer Herzen. Auch Harriet sollte Genossin dieser Freundschaft sein. Aber sie sahen keinen Weg, der sie in den Tagen des Winters heimlich zueinander führen konnte. Im Sommer hätte der grüne Bergwald ihre heimlichen Zusammenkünfte vor den Augen Neugieriger beschirmt. Aber nun?

      Archibald Douglas hatte an diesem Morgen ein leichtes Jägerkleid aus weichem Hirschleder angetan. Nun, da er neben Malcolm stand, erkannte Harriet, dass er ihrem Bruder an Stärke und Grösse des Leibes nicht nachstand. Blondes Haar fiel ihm in mässig langen Locken vom Scheitel, und ein leichter Flaum lag über seinen Lippen.

      „Wir wollten Harriet Malcolms Frauenklugheit das Schicksal unserer jungen Freundschaft anheim geben,“ begann John nach einer Weile nachdenklichen Schweigens das Gespräch von neuem.

      „Es ist nicht zu denken, dass es in sorgsamerer Hut sein könnte!“ antwortete Douglas und sah das Burgfräulein mit blanken Augen an. So viel Schönheit und zauberische Anmut hatte der Ritter noch an keiner Frau gesehen.