Max Geißler

Der Douglas


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sollte. Sie wandte sich Archibald Douglas zu:

      „Habt Ihr nicht in der Nachbarschaft von Dohlen und Eulen hier im Turme Musse genug gehabt, mir ein wenig nachdenken zu helfen?“ scherzte sie.

      „Das wohl,“ entgegnete der junge Ritter, „aber – seit Ihr durch diese Tür geschritten seid, ist alles anders geworden um mich her. Es ist keine Einsamkeit mehr, es ist keine graue, glanzlose Umgebung mehr. Nein – alles ist anders geworden. Ich habe nicht einmal Eile, gesund zu werden.“

      Wie Harriet Malcolm die Freude aus diesen Worten klingen hörte, ward sie in ihrem Herzen froh. Aber sie schlug doch die Augen nieder; denn sie fürchtete, der Freund ihres Bruders möchte in solchen lieben Worten den Wunsch zu erkennen gegeben haben, sie einst als Weib zu besitzen. Dann wäre freilich ein trefflicher Bund geschlossen gewesen, und die Liebe hätte sich wieder einmal in ihrer ganzen Herrlichkeit und Stärke gezeigt; sie hätte den jahrhundertalten Hass besiegt wie einen bösen Feind.

      Aber wie hätte das alles geschehen können?

      Kaum wusste sie, was sie dem jungen Douglas auf seine freudige Rede entgegnen solle. Ihre Blicke glitten suchend durch das Gemach. Und nur, um das Schweigen zu brechen, sagte Harriet: „Wir werden noch einmal von vorn anfangen müssen, uns die Sache zu überlegen.“

      Sie hatte daran gedacht, dass sie dem Feinde ihres Vaters nicht verraten dürfe, wie fröhlich ihr Herz geworden sei, seit Douglas und John Malcolm sich gefunden hatten. Aber der junge Ritter hing mit seinen Augen an den Lippen des jungen Burgfräuleins und ward noch froher als zuvor. Denn er vernahm, dass sie nicht nur gern gekommen sei, sondern dass sie auch noch ein wenig in seiner Gesellschaft verweilen wolle.

      Da erhob sie sich von ihrem Sitz, als wolle sie andeuten, dass sie schon länger geblieben sei, als es sich für eine so vornehme Jungfrau schicke, und sagte ganz ruhig:

      „Herr Ritter, es wird nicht schwer sein, meinem Vater alles zu verbergen. Seine Gemächer liegen am anderen Ende des Schlosses, und es ist ein weiter Weg bis dahin. Ich entsinne mich nicht, dass er jemals dieses Turmgelass betreten hätte. Wenn der Marschalk nicht wüsste, dass Ihr hier krank lieget, so brauchte der Lord nie etwas davon zu erfahren. Aber – Marschalk Glenalvon sieht so scharf, als hätte er hundert Augen. Er hat, wie es scheint, auch schon aus dem alten Arzte das Geheimnis herausfragen wollen. Wie wir uns vor seiner Schlauheit hüten sollen, ohne die Unwahrheit zu sagen, das weiss ich nicht.“

      Jungfrau Harriet wandte sich bei diesen Worten langsam der Türe zu.

      Da war es dem jungen Ritter, als solle er die Schönheit des Burgfräuleins nie mehr sehen. Er wagte nicht zu bitten, dass sie noch bleibe, aber er sagte lächelnd:

      „Wir werden uns nun an jedem Tage gemeinsam beraten müssen. Vielleicht können wir den listigen Marschalk durch unseren Arzt irre führen: er soll ihm sagen, ich läge im Fieber. Oder ... er soll sagen, ich sei gestorben und schon begraben ...“

      John Malcolm unterbrach ihn mit sehr nachdenklichem Gesichte: „Du lachst bei diesem Rate, Freund! Aber du hättest ihn ganz im Ernst geben können. Wer weiss, ob wir uns nicht doch am Ende noch mit einer solchen Ausflucht behelfen müssen.“

      Archibald Douglas zuckte die Achseln und sah Blossom an: „Der Däne hätte mir fürwahr einen schlimmen Streich gespielt, wenn er fester dreingehauen hätte. Meint Ihr nicht auch, Jungfrau Harriet? Auf der gespaltenen Stirne hätte Euer klares Auge gewiss nicht ruhen mögen. Und ich hätte die höchste Schönheit nie sehen dürfen, von der sie im Lande erzählen wie von einem Märchen.“

      Harriet reichte ihm die Hand und ging mit ihrem Bruder hinaus.

      Die Wunden brannten Douglas. Er lehnte seine heisse Stirne gegen die Scheiben. Er öffnete das Fenster und trank die kühle, neblige Herbstluft. Ein Flug Zugvögel rauschte am Turme vorüber. ‚Der Sonne nach‘, dachte Douglas. Und wie er sann, erkannte er, dass er von allen Frauen der Erde keine lieber zu seinem Ehegemahle nehmen wolle als Harriet Malcolm. Denn keine war herrlicher als sie. Sie war noch schöner als die Sonne, die im Frühling über die Berge scheint und mit ihrem Zauber die wintermüde Welt zu neuem Leben erweckt.

      Sehnsüchtig sah er dem rauschenden Heere der Zugvögel nach. Die durften hinziehen und bleiben, wo sie wollten – wo ihnen ihre Sonne schien. Er aber sollte einen Weg ersinnen, der ihn selbst seiner Sonne fern führte. Denn Harriet Malcolm war dem genesenden Manne wie die Sonne des Frühlings.

      Fast kam ihn eine Furcht an, er möchte sie ewig verlieren, wenn er sich in diesen Tagen ein Ross ausbedinge und durch den Bergwald der heimischen Burg zureite.

      „Ich will nicht!“ rief er frohgemut. „Ich will sie erringen und zu meinem stolzen Weibe machen!“

      Aber schon schlossen sich seine Lippen in herbem Schweigen. Er dachte daran, dass kein Weg war, zu solchem Glücke zu gelangen. Auf Schloss Malcolm in Harriets Nähe konnte seines Bleibens unmöglich lange sein; denn der alte Burgherr war der Erbfeind seines Geschlechtes. Und der Marschalk war ein Verräter. Er würde alles daran gesetzt haben, Burg Malcolm einem Douglas zu verschliessen.

      Aber noch mehr drückte den genesenden Mann der Gedanke, dass seine alten Eltern um ihn trauerten als um einen Toten. Durfte er die, die ihn lieb hatten, noch länger im unklaren über sein Schicksal lassen?

      Er berührte die Lehne des Stuhles, auf der Blossoms Hand vorhin gelegen hatte, mit seinen Fingern. Und ihm war, als dürfe er noch einmal die Hand des schönen Burgfräuleins streicheln.

      Dann setzte er sich an den Tisch und schrieb.

      Er war des festen Willens, diesem ungewissen Zustande ein Ende zu bereiten – so oder so.

      Die Pulse seiner Schläfen flogen. Und als am Nachmittage der Arzt kam, nach seinem Kranken zu sehen, übergab er dem treuen Alten den Brief und bat:

      „Bringt dieses Schreiben Eurer edlen jungen Herrin. Aber heute noch, hört Ihr? Es bereiten sich Dinge vor, die selbst Eurer alten Weisheit wunderlich erscheinen werden.“

      Der Arzt schob das Pergament unter sein hirschledernes Wams:

      „Es soll alles geschehen, wie Ihr befehlt.“

      Dann ging er seines Wegs.

      Douglas aber schritt mit geröteten Wangen durch die Stille seines Gemachs. Sein Herz schlug hörbar. Seine Augen strahlten in hellem Glanze. Die frühe Nacht dämmerte herauf, und der Schein des Kaminfeuers rötete die eichene Wandvertäfelung des Gelasses.

      Da klangen draussen auf dem Flur flüchtige, leise Schritte. Ein Klopfen an der Tür. Douglas öffnete, und das Burgfräulein trat in das Gemach.

      Diesmal war Blossom allein.

      Der Ritter fasste ihre Hände und presste seine Lippen auf ihre weissen Finger. Sie liess es geschehen.

      Er sah ihr dabei in die klaren, jungen Augen und sprach:

      „Oh, Harriet, wie soll ich dir danken – wie könnt’ ich mit armen Worten sagen, wie froh du mein Herz gemacht hast? Du bist gekommen, weil ich dich bat?“

      Das Edelfräulein neigte die Stirn ein wenig: „Ja, weil Ihr mich batet. Ich dachte, wenn ich Euch keine Antwort gebe, so könntet Ihr wieder krank werden. Der Arzt sagte, Ihr wäret noch immer nicht gesund.“

      „Warum sagst du nicht ‚du‘ zu mir? Bist du nicht die Schwester meines teuersten Freundes? Und verweigerst du mir dies vertrauliche du, weil du damit sagen willst, dass du mir nie als Weib angehören möchtest?“

      Harriet erschrak, als sie den Feind ihrer Väter also sprechen hörte. Dann hob sie ihre Augen auf. Aber sie blickte ihn nicht an, sondern sah an ihm vorüber, und es war, als sähe sie in eine weite, weite Ferne, so weit hinaus, dass sie die Dinge nicht mehr unterscheiden konnte, die da waren – sie sah in ihr Leben. Denn sie wusste nicht, wie das alles sich erfüllen sollte, was Archibald Douglas erhoffte.

      Weil er aber doch eine Antwort erwartete, so sagte sie – und sie liess ihre Hände in den seinen ruhen: „Nun stehen wir und sehen uns an und wissen doch nicht, wie das alles geschah.“

      Da