alles unter einer Führung.«
Diese Idee ließ sich Dieter Fuchs durch den Kopf gehen.
»Kein schlechter Plan«, erwiderte er schließlich. »Das würde für jede Einrichtung eine Verschlankung des Verwaltungsapparats bedeuten. Verschiedene Einrichtungen wie zum Beispiel Küchen oder Labore könnten an einem Standort zusammengefasst werden. Auf diese Weise werden unter anderem sehr effektiv Arbeitsplätze eingespart.«
»Ich wusste, dass du ein schlaues Kerlchen bist.« Lammers nickte anerkennend. Er zog ein Blatt Papier zu sich und griff nach einem Kugelschreiber. »Hier ist die Behnisch-Klinik.« Ein Rechteck symbolisierte das Haus. »Und dort das größte private Pflegeheim der Stadt. Eine ansehnliche Seniorenresidenz liegt hier. Und das da ist die private Kinderklinik.« Während er sprach, skizzierte er einen mehr oder weniger genauen Lageplan. »Alles im Umkreis weniger Kilometer.«
»Eine brillante Idee«, räumte Dieter Fuchs ein, während er das Bild betrachtete. »Und wer wird der Träger?«
»Eine private Investorengruppe um Karl Schmiedle.« Lammers maß den Verwaltungschef mit verschwörerischem Blick. »Natürlich taucht sein Name nirgendwo auf.«
»Natürlich nicht.« Dieter Fuchs lehnte sich zurück und dachte nach. Dabei ließ er Volker Lammers nicht aus den Augen. »Gesetzt den Fall, wir machen bei der Sache mit. Welcher Vorteil würde sich für uns daraus ergeben?«
»Das ist Verhandlungssache.« Lammers lächelte. Dabei bleckte er die Zähne wie ein Wolf. »Wenn du Schmiedle in seinen Plänen unterstützt, springt für dich mit Sicherheit ein besserer Posten heraus als dieser hier. Verwaltungsdirektor eines Klinikkonzerns. Na, wie klingt das? Nachdem die Kinderabteilung hier geschlossen würde, wäre ich für meinen Teil natürlich an der Leitung der Kinderklinik interessiert.« Er deutete mit dem Kugelschreiber auf das entsprechende Rechteck.
Dieter Fuchs runzelte die Stirn.
»Das ist ja alles schön und gut. Aber wie sollen wir bloß Norden von diesem Schritt überzeugen? Schließlich können wir diese Entscheidung nicht über seinen Kopf hinweg fällen.«
Mit diesem Einwand hatte Volker Lammers gerechnet.
»Das, mein Lieber, überlasse ich deinem Genie. Ich habe die Information geliefert. Für dich muss ja auch noch etwas übrig bleiben.«
Für den Moment hatte Fuchs genug gehört.
»Gut. Ich werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen.«
»Wunderbar.« Mehr hatte Volker Lammers beim ersten Treffen nicht erwartet und stand auf. »Aber lass dir nicht zu lange Zeit. Die Konkurrenz schläft nicht.« Er hob die Hand zum Gruß und verließ das Zimmer.
Dieter Fuchs lehnte sich in seinem schwarzledernen Chefsessel zurück und sah ihm nach. Auf diese Neuigkeit konnte er einen guten Schluck vertragen. Selbst wenn es erst früher Nachmittag war.
*
»Gut, dann haben wir das besprochen.« Dr. Jenny Behnisch sah auf die Uhr. »Jetzt muss ich mich leider entschuldigen. Ich habe noch einen Termin bei unserem Sparfuchs.« Sie zwinkerte Daniel Norden zu und erhob sich.
»Weiß unser Verwaltungschef eigentlich, wie du ihn nennst?«, fragte er schmunzelnd und lehnte sich im Stuhl zurück.
»Keine Ahnung.« An der Tür drehte sie sich noch einmal um und zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe, du hast ein paar Jahre Zeit, das in Erfahrung zu bringen«, erwiderte sie gut gelaunt.
Damit machte sie sich endgültig auf den Weg. Obwohl sich Jenny Behnisch seit ihrer lebensgefährlichen Erkrankung grundlegend verändert hatte, war ihr eine Eigenschaft geblieben: Wie eh und je eilte sie mit wehendem Kittel über die Flure. Und wie schon so oft zuvor wäre sie auch diesmal um ein Haar mit einem Kollegen zusammengestoßen.
»Tut mir leid«, rief sie atemlos, als sie bemerkte, in wessen Armen sie da fast gelandet wäre. »Lammers!« Angewidert machte sie einen Schritt zurück. »Was machen Sie denn hier?« Das Büro von Dieter Fuchs war gleich um die Ecke.
»Ich habe meinen Freund, den Verwaltungschef, besucht.« Volker Lammers dachte nicht daran, ein Geheimnis daraus zu machen. »Ist das etwa neuerdings verboten?«
Jenny hatte nicht gewusst, dass die beiden befreundet waren. Jeder der Männer war für sich schon ein Problem. Zusammen ergaben sie eine explosive Mischung. Sie gab sich große Mühe, ihren Schrecken zu verbergen. Vergeblich. Lammers‘ Miene verriet, dass er sich an ihrem Gesichtsausdruck weidete.
»Das wusste ich ja gar nicht«, erwiderte sie so unbeschwert wie möglich. »Seit wann sind Sie befreundet?«
»Das, meine Liebe, verrate ich Ihnen nicht. Sie müssen nicht alles wissen. Schon gar nicht, wenn Sie heute in Rente gehen.« Er deutete eine Verbeugung an und ging mit erstaunlich lockerem Schritt davon.
Mit einem Anflug von Bedauern, ihn je eingestellt zu haben, sah Jenny ihm nach.
»Kommen Sie jetzt zu unserem Termin oder haben Sie es sich anders überlegt?«
Dieter Fuchs‘ Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
»Was hatten Sie mit Dr. Lammers zu besprechen?«, fragte sie geradeheraus, als sie an ihm vorbei in sein Zimmer ging.
Lächelnd schloss Fuchs die Tür hinter sich und bot ihr einen Platz in der Besucherecke seines Büros an.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das ernsthaft interessiert.«
»Und was, wenn doch?«
»Dann muss ich Sie leider enttäuschen.« Eiskalt ließ Dieter Fuchs die ehemalige Klinikchefin abblitzen. »Das geht Sie nichts mehr an.«
Jenny Behnisch stand abrupt wieder auf.
»Wenn Sie das so sehen, kann ich auch genausogut wieder gehen.« Sie schickte ihm einen funkelnden Blick. »Meinen letzten Tag in dieser Klinik hatte ich mir wirklich anders vorgestellt. Ich glaube nicht, dass ich diese Behandlung verdient habe.« Früher wären ihr solche Worte niemals über die Lippen gekommen. Auch das war ein Tribut, den die überstandene Krankheit forderte.
Doch Fuchs dachte nicht daran, Mitgefühl zu zeigen. All die Jahre hatte er Diplomatie walten lassen müssen. Diese Zeiten waren ein für alle Mal vorbei.
»Sehen Sie es sportlich«, gab er ihr einen Ratschlag mit auf den Weg. »Einmal gewinnt man, einmal verliert man. So ist das Leben nun mal.«
An der Tür blieb Jenny stehen. Mit der Hand auf der Klinke drehte sie sich zu ihm um.
»Freuen Sie sich nicht zu früh. Daniel Norden ist nicht zu unterschätzen.«
»Ich auch nicht«, erwiderte Fuchs ungerührt.
So blieb Jenny nichts anderes übrig, als das Zimmer zu verlassen. In einem Abschiedsgespräch hatte sie den Verwaltungschef auf die Zusammenarbeit mit Dr. Daniel Norden einschwören wollen. Dieser Plan war gründlich daneben gegangen, und einen Moment lang fragte sich Jenny tatsächlich, ob es fair war, Daniel in die Höhle der Löwen zu schicken.
*
»Ich bringe keinen Bissen mehr hinunter.« Stöhnend saß Janine auf dem Stuhl in der kleinen Küche und tätschelte den schmerzenden Bauch. Sie fühlte sich wie nach einer alkoholgeschwängerten Nacht. Ein regelrechtes Katergefühl hatte von ihr Besitz ergriffen.
Wendy erging es ähnlich.
»Morgen fange ich eine Diät an.« Sie versuchte, einen Finger in den Hosenbund zu stecken. Vergeblich. Die Versuchung war groß, den Knopf zu öffnen. Doch was sollten da die Patienten denken?
Eine Weile starrten die beiden auf die Reste ihres Gelages. Die nahe Turmglocke schlug vier Mal. Träge sah Wendy auf die Uhr. Plötzlich kam Leben in sie.
»Was? Schon zwei?« Sie sprang vom Stuhl auf, stolperte und wäre um ein Haar auf dem Tisch gelandet. Mit schreckgeweiteten Augen blickte sie auf Dannys Torte. »Mein Gott! Was haben wir getan?«
In diesem Moment erkannte