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sie, hätte wahrscheinlich längst kapituliert. Aber sie hat nie aufgegeben. Und ihre bewundernswerten Eltern auch nicht.

      Obwohl Victoria in ihren Beinen zu diesem Zeitpunkt immer noch so gut wie kein Gefühl hatte, stellte sie sich einer ganz neuen Herausforderung: Sie wollte mit mir Tango tanzen. In den Monaten, in denen wir gemeinsam probten und tanzten, lernte ich die Quelle kennen, aus der diese junge Frau ihre Kraft schöpft: ihre unstillbare Lebensfreude. Sie liebt das Leben so sehr, dass sie daraus unbeschreiblich viel Kraft schöpft. Sie weigert sich einfach, sich geschlagen zu geben – egal, welche Hindernisse ihr in den Weg gelegt werden. Victorias bewundernswerte Lebenseinstellung hat mich die wichtigste Lektion gelehrt, die es gibt: „Betrachte keinen einzigen Atemzug als selbstverständlich.“

      In diesem Buch werden Sie ein Mädchen aus einer ganz gewöhnlichen Familie kennenlernen, das den extremsten Umständen ausgesetzt war, die man sich vorstellen kann. Statt aufzugeben, beschlossen Victoria, ihre Mutter und ihr Vater, ganz wortwörtlich um ihr Leben zu kämpfen. Sie ist nicht nur wegen ihrer Medaillen bei den Paralympischen Spielen eine Heldin. Sie ist eine Heldin, weil sie gegen etwas gekämpft hat, das uns als Menschen auf der ganzen Welt vereint: unsere Vergänglichkeit und unsere Sterblichkeit. Ein größeres Vorbild für den menschlichen Geist und eine bessere Demonstration, wie wichtig Familie und Glauben sind, kann ich mir nicht vorstellen. Victorias Geschichte wird Sie mit ihrer Zielstrebigkeit inspirieren und eine Leidenschaft und Wertschätzung für das Leben entfachen, die Sie vielleicht nie für möglich gehalten hätten.

      Ich bin unbeschreiblich dankbar, dass ich bei Dancing with the Stars Victorias Tanzpartner sein durfte. Ich bin ihrer Familie dankbar, dass ich ihre Tochter kennenlernen durfte, und ich bin von ganzem Herzen dankbar, dass wir zusammengeführt wurden. Ich durfte ein kleiner Teil von Victorias unglaublicher Geschichte sein, die definitiv ihre Spuren in der Welt hinterlassen wird. Wenn Sie ihre Geschichte lesen, werden Sie diese Frau bestimmt genauso achten, bewundern und lieben wie ich und dankbar sein, dass Sie sie kennenlernen durften.

      Valentin Chmerkovskiy

      1

      Wie bin ich hierhergekommen?

      Januar 2009

      Ich höre in der Dunkelheit eine Bewegung. Ich ringe nach Luft, aber ich habe das Gefühl zu ertrinken. Ein starker Druck wird auf meinen Brustkorb ausgeübt und zwingt meine Lunge, sich gegen ihren Willen zusammenzuziehen.

      Luft!

      Ich brauche Luft!

      Ich muss atmen!

      Bitte, kann mir jemand helfen?!

      Maschinen piepen hektisch. Panische Stimmen ertönen um mich herum. Plötzlich blendet mich ein helles Licht. Ich versuche, das, was mir die Kehle zuschnürt, zu packen. Aber ich stelle fest, dass meine Arme festgebunden sind und sich nicht bewegen können. Mehrere Hände pressen meinen Körper nach unten, der sich unter dem Druck total verkrampft, und mein Bett wird im nächsten Moment mit besorgniserregender Geschwindigkeit durch einen Gang mit weißen Wänden geschoben.

      „Alles ist gut, Victoria“, höre ich immer und immer wieder. Ich bin verwirrt. Ich kann nur eines denken: ATMEN! Dann versinke ich wieder in der schwarzen Dunkelheit.

      *

      Meine Augen sehen ein gleißendes, helles Licht, und ich höre einen lauten, ohrenbetäubenden Lärm. Ich beginne, unkontrolliert zu zittern, und ein schmerzhafter Stromstoß schießt durch meinen Körper, der sich daraufhin verkrampft und unkontrolliert um sich schlägt. Ich sehe Fremde, die laut rufend ins Zimmer laufen. Ihre Stimmen klingen angsterfüllt; ihre Hände drücken mich nach unten.

      Als sich der Krampfanfall legt, versuche ich, wieder klar zu denken.

      Wo bin ich?

      Leuchtend bunte Luftballons sind an mein Bett gebunden, und mehrere Stofftiere sind im Raum verteilt. Ich kann alles nur verschwommen sehen, aber als sich meine Augen scharf stellen, sehe ich fröhliche Karten und Poster an der Wand. Darauf steht: „Wir lieben dich. Werde wieder gesund. Wir vermissen dich. Bleib stark!“

      Warum schreibt mir jemand, dass er mich vermisst?

      Wo bin ich?

      Bin ich krank?

      Was bedeutet: „Bleib stark!“?

      Was ist mit mir?

      Ich fühle mich gut.

      Ich verstehe das nicht.

      Wo bin ich?

      Was ist los?

      Bin ich etwa im Krankenhaus?

      Warum?

      War ich bewusstlos und wenn ja, wie lange?

      Ich höre meine Mutter im Hintergrund. Sie kann mir bestimmt sagen, was los ist. „Mama, Mama!“, rufe ich, aber sie reagiert nicht.

      HALLO!

      Warum kann sie mich nicht hören?!

      Kann mich irgendjemand hören?

      Ich merke schnell, dass ich keine Kontrolle über meinen Körper habe, nicht einmal über meine Augen. Im Moment kann ich nur das sehen, was direkt vor meinen Augen ist. Als ich versuche, mich aufzusetzen, ist es, als wäre die Verbindung zu meinem Körper unterbrochen. Ich kann mich nicht bewegen und keinen Ton von mir geben.

      Ich bin buchstäblich in meinem eigenen Körper eingeschlossen.

      Das kann doch nicht wahr sein.

      Das kann doch nicht wahr sein!

      Hilfe!

      Bitte, kann mir jemand helfen?!

      Mein Herz rast und in meinem Kopf dreht sich alles. Ich versuche zu verstehen, was mit mir los ist. Ich habe so viele Fragen.

      Welches Jahr ist es?

      2006, glaube ich. Aber ich bin mir nicht sicher.

      Wie lang liege ich schon hier?

      Ich hoffe, noch nicht sehr lange.

      Was ist passiert?

      Ich kann mich nur verschwommen erinnern.

      Werde ich wieder gesund?

      Ich bin mir nicht sicher.

      Mich befällt Panik. Ich will um Hilfe schreien. Ich versuche, mich zu beruhigen, aber das macht alles nur noch schlimmer. Ich fühle mich verloren und bin verwirrt. Warum sagt mir nicht bitte einfach jemand, was hier los ist?

      Ich habe Angst.

      Ich habe wirklich, wirklich Angst.

      Ich kann keinen einzigen Muskel bewegen. So sehr ich mich auch bemühe, um Hilfe zu schreien, ich bringe keinen Ton heraus. Ich will atmen und schreien und sprechen. Ich habe so viele Fragen, und ich kann mich nicht erinnern, wie ich hierhergekommen bin.

      Ich muss hier weg!

      Hilfe!

      Kann mir bitte jemand helfen?!

      Ich bekomme Platzangst, und meine Panik steigert sich. Ich muss etwas finden, irgendetwas, um nicht den Verstand zu verlieren und die Panik zu besiegen.

      Denk nach, Victoria.

      Moment!

      Du kannst denken.

      Klar und deutlich.

      Mein Körper weigert sich zu funktionieren, aber mein Verstand funktioniert irgendwie ganz normal. Vollkommen normal.

      Wie kann das sein?

      Mein Verstand.

      Mein Gedächtnis.

      Mein Wissen. Alles ist da.

      Du bist noch da, Victoria.

      Du bist immer noch du.

      Mein Verstand funktioniert; das ist die einzige Beruhigung, die ich im Moment habe. Mein Hirn ist das Einzige, was ich