target="_blank" rel="nofollow" href="#u23f01278-cd5a-58a9-906f-9a65fa136dcc">SPORTNull. Eine HasstiradeStefan ErhardtZwei Fäuste für mein Halleluja – Mario Balotelli als Poser und was er uns vielleicht damit sagen wollteThomas GehrmannZwei glorreiche StrassenköterJohannes JohnDas falsche Bild – politisch unkorrekte BemerkungenJohannes JohnUnterpfand und BrühwürfelStefan ErhardtEin bescheidener VorschlagJohannes JohnArschgeigenduettClaus MelchiorAuf gleicher Höhe? Ein Plädoyer für einen neuen Blick auf die AbseitsregelGerald Wenge„Fischmäßig hätt’ ich noch Hummer da“Klaus HansenKann man vom Fußball fürs Leben lernen?Jürgen RothDas Vorwort als Schlusswort: Mentalitätsmonster und KapitaltroglodytenZu den Autorinnen und Autoren
STEFAN ERHARDT
Nähere Betrachtungen des Fußballspiels
Im Mai 1995 erschütterte ein schmales Druckwerk im DIN-A-5-Format die Magazinwelt. Drei Fußballliebhaber, in München vom Schicksal aufeinandergeworfen, hatten angesichts der unfreundlichen Übernahme der TV-Berichterstattung durch das Privatfernsehen keine andere Möglichkeit mehr gesehen, mit ihrem Ärger länger hinter der Tribüne zu halten – sie verschafften ihm Luft.
Angetan vom Charme der Fanzines, die damals vor allem in England sprossen, stellte man flugs ein Heftchen zusammen, nachdem man sich auf den Namen DER TÖDLICHE PASS geeinigt hatte – freundlich übernommen von jenen Privat-TV-Lautsprechern, welche mit rumpelnder und krachender Metaphorik die in ihren Ohren verschnarchte Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten auf werbeprospektartigen Hochglanz polieren wollten. Schon das Wort „Berichterstattung“ war ihnen vermutlich seit Jahren auf den – pardon, aber wir bleiben im Jargon – Sack gegangen.
Für zwei Mark konnte alsbald – einem kleinen Copyshop in München-Schwabing sei Dank – ein Exemplar (von 100) der Nummer eins da und dort erworben werden, und dass die drei Schreibenden mit Zuversicht, dass ihnen so bald die Themen nicht ausgehen würden, ans Werk gegangen waren, davon zeugte das in Klammern gesetzte „1. Jahrgang“.
Um nicht den Verdacht bei Interessierten zu schüren, es handle sich um ein Kriminal- oder Bergmagazin, setzten sie erklärend den Untertitel „Zeitschrift zur näheren Betrachtung des Fußballspiels“ dazu. Und verteilten erbost Ohrfeigen: „Eine zerstückelte Leich’ stinkt auch in kleineren Stücken gleich. Zum periodisch vorgebrachten Ansinnen des Privatfernsehens, die zwei Halbzeiten zu halbieren“ war eine Invektive überschrieben; mit „Von Eintagsfliegen und Dauerbrennern. Oder: Wer schon alles in der Bundesliga mitspielen durfte“ wurde durchaus selbstironisch eine „historisch-kritische Abhandlung“ versucht; Franz Beckenbauers Forderung nach mehr Kommerzialisierung des Fußballs nahm „Der Mensch ist eine Dauerwurst. Oder: Erkenntnisse aus der Chefetage“ auseinander. Those were the days. Und sind es noch heute?
Nach gut zwanzig Jahren wollten die drei Redakteure zum Jubiläum nicht nur kurz innehalten und auf ihr Tun zurückblicken, sondern das ihrer Meinung nach Beste aus fast 80 Ausgaben DER TÖDLICHE PASS in einem gedruckten Buch versammeln. Als roter Faden und Titel gleichermaßen drängte sich bei der Sichtung der Texte das Wort „Fußballkritik“ auf – kein definierter, kein akademischer, kein historischer Begriff, aber in Anlehnung an Gattungsbegriffe wie Literaturkritik oder Sportkritik (welch letzterer es sogar zwischenzeitlich zu einem Magazintitel, herausgegeben von Martin Krauß und Michael Bolten, schaffte) ist es derjenige, der unser intellektuell-akademisch, bisweilen literarisch verspieltes Treiben am besten charakterisiert.
Denn Kritik und Analyse bestimmen den PASS bis heute. Was sich nicht nur anhand dieses Buches, sondern der nach wie vor vierteljährlich erscheinenden Hefte nachvollziehen lässt. Oder im Netz unter www.dertoedlichepass.de.
Wie es weitergehen wird mit dem Fußball? Wir können nur Schlimmes ahnen. Wie es weitergehen wird mit dem Fußballspiel? Es wird alle Krisen überstehen und wie ein Solitär unter den Spielen glänzen.
Mit besonderem Dank an Bernd Beyer und Christoph Schottes vom Verlag Die Werkstatt, die uns dieses Buch ermöglicht haben.
Heft 2/1995
CLAUS MELCHIOR
Fußballspezifisches Dummdeutsch, Teil 1: Internationale Härte
Ist es bei einer deutschen Mannschaft im Europapokal mal wieder nicht so gut gelaufen (in den letzten Jahren also des Öfteren), beklagen Trainer und Funktionäre die „internationale Härte“, die ihren Jungs das Siegen unmöglich gemacht habe. So zuletzt unisono nach der 0:1-Heimniederlage des FC Bayern gegen Lokomotive Moskau in der ersten Runde des UEFA-Cups Uli Hoeneß („Man hat gesehen, dass international viel härter gekämpft wird, das waren unsere Spieler nicht gewohnt“) und Otto Rehhagel („Der Gegner hat hart attackiert, da guckten meine Jungs ganz erstaunt“). Und das eine Woche, nachdem Rehhagel wegen der zahlreichen Abstellungen von Bayern-Spielern für diverse international tätige Nationalmannschaften im Training kaum eine Skatrunde beieinander hatte.
Was können sie nur meinen? Glauben deutsche Fußballer, Trainer und Manager tatsächlich, in der Bundesliga würde weniger hart gespielt als in anderen europäischen Ligen, oder die Schiedsrichter würden bei Europapokalspielen großzügiger pfeifen als in ihren nationalen Meisterschaften? Anhaltspunkte dafür, dass dem so sein könnte, gibt es kaum.
Nein, hier manifestiert sich ein jahrhundertealtes Trauma. Der Deutsche ist bekanntlich aufrechten Charakters und blickt dem Feind geradeheraus ins Gesicht, doch immer wieder hat er es mit Gegnern zu tun, die vermeintlich anders sind, wie die hinterlistigen Welschen oder das perfide Albion. Auch der Südländer ist verschlagen, und östlich der Heimat beginnt, ist man ehrlich, eigentlich doch schon fast Asien.
Angesichts der starken D-Mark und der kürzlichen Rückgewinnung der nach dem Krieg abhandengekommenen sozialistischen Hälfte des Vaterlands ist es heute natürlich nicht nötig, ob der Phalanx der das arme Deutschland umringenden Feinde wie früher gleich in den Krieg zu ziehen, aber auf dem Fußballplatz manifestiert sich der Neid der anderen eben in jener internationalen Härte, deren Opfer immer wieder unverdientermaßen unschuldige deutsche Fußballspieler und -vereine werden.
Die Konsequenz aus diesem Befund: Deutschland braucht nicht nur einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, sondern vor allem Franz Beckenbauer als FIFA-Präsidenten.
Heft 5/1996
STEFAN ERHARDT
Kommentatorenzensur
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