Freiburger; Erniedrigung durch Nichtbeachten? Da ist es wichtiger, den Abschied von Günther Schäfer zu feiern. „Reinhold Beckmann über einen letzten Zungenkuss auf Schwäbisch“ – was als witzige Formulierung gedacht war, ist lediglich abgeschmackt und völlig daneben. Ein „Zungenkuss“ assoziiert kommunistische Begrüßungsrituale zwischen zwanghaft politisch verbundenen Staatsmännern; mag man über Mayer-Vorfelder, auf den das Wort gemünzt ist, denken, was man will, aber dieser Bezug ist denn doch so schlüssig wie der zwischen Igel und Klobürste.
Mit den Worten „Ende einer Dienstreise“ leitet Reinhold B. seinen Beitrag ein, gleich doppelt daneben, denn Bölls Roman handelt klar und deutlich von einer Dienstfahrt, und selbst wenn man Herrn B. ein wenig dichterische Freiheit zugesteht: Schäfer mag zwar „einer, der nie aufgab“ sein, beim besten Willen aber ist nicht einsichtig, was er mit Georg Gruhl, Bölls Protagonisten, gemein haben soll. Hat er übertragenermaßen einmal das Tor des Gegners angezündet? Andererseits: So genau wollen wir’s, bitteschön, nicht nehmen, der Böll ist ja auch schon ein paar Jahre tot, nicht wahr?
Stuttgart gegen Freiburg. Erfahren wir jetzt, während des Spielberichts, etwas von den Freiburgern? Ja, und Atemberaubendes: „Freiburg von rechts nach links, heute wieder mit Harry Decheiver im Sturm; Fußball, wie es der VfB mag, schneller Gegenangriff.“ Sie sind so schlau als wie zuvor? Richtig, denn der Unsinn hat Methode. Es geht nicht ums Spiel, nicht darum, wie ein Spielzug sich entwickelt, wie der einzelne Spieler agiert, das Spiel insgesamt sich entwickelt hat; es geht um Tore, Trubel, Sensationen. Reinhold B.: „Schulmäßig, dieser Kopfball – kommt her und umarmt mich, bereits beim zweiten Mal hat es geklappt!“, und gezeigt wird ein jubelnder Bobic, dies ganze 22 Sekunden lang, während die eigentliche Torszene inklusive Eckball auf 23 Sekunden Sendezeit kommt. Die Tendenz wird deutlich.
Weiter Reinhold B.: „Wohlfahrt geht nicht zum Ball – und ir-gend-wie ist die Kugel im Netz! Harry Decheiver, lange hatte er kein auslösendes Moment mehr, der Knipser, hier aber gelang ihm ein echter Schnappschuss!“ Die Kommentierung wird zum Selbstzweck: Es geht nicht um die erläuternde Darstellung des im Bild gezeigten Sachverhalts, sondern um die verbale Selbstdarstellung des Kommentierenden – vermeintliches Reportieren als Instrument zur Beförderung der Reportereitelkeit. Auch hier das gleiche Zeitverhältnis: 28 Sekunden Torszene inklusive Wiederholungen, 26 Sekunden jubelnder Torschütze respektive bedröppeltes Trainer- und Torwartgesicht. Nicht mitzusehen, mitzujubeln sind wir da.
Auch brenzlige Situationen weiß Reinhold B. sprachlich elegant im Sinne der Sendung zu entschärfen. Vorfall: Bobic wird im Strafraum von einem Freiburger Abwehrspieler im Fallen umklammert, so dass er nicht mehr aufstehen und an den freien Ball kommen kann, den sich dann der Torwart schnappt. Kommentar: „Hier sieht man noch, dass Thomas Rath den Würgegriff angesetzt hatte, aber eine Elferentscheidung wäre zu viel des Guten gewesen, ein typischer Zweikampf im Strafraum.“ Eine andere Tagesform und drei Bier mehr, und er hätte vehement „ein deutliches Foul – eine klare Fehlentscheidung des Schiedsrichters“ reklamiert.
Die beckmannsche Kommentierung bietet jedoch wesentlich mehr, als der erste Höreindruck vermuten lässt. Dialektische Aufhebung praktiziert seine Zunge – Thema: Härte. „Hier ging’s zu wie beim munteren Skatabend: einige Akteure waren dabei, kräftig zu überreizen.“ Oder: „Wir zählen zusammen: sechs Gelbe, eine Rote, und wir sind noch in der ersten Hälfte! Mehr als noch im letzten Jahr, und das Derby war schon ein ganz hartes …“ Und: „Weiterhin aggressives Zweikampfverhalten, aber richtig unfair war’s eigentlich überhaupt nicht: ein richtiges Kampfspiel mit spielerischen Raffinessen.“ Also: Die Spieler waren drauf und dran, sich die Köpfe einzuschlagen, aber das ziemlich fair. Das erinnert fatal an geläufige Volksvertreterrhetorik: Die Steuern werden erhöht, aber Sie zahlen weniger.
Es geht aber, wie gesagt, gar nicht um einen Spielbericht, sondern um das Feiern von Stars, um Entertainment. „Blendende Fußballunterhaltung im Gottlieb-Daimler-Stadion, und dann war Schluss.“ In dieselbe Kerbe lassen die Regisseure dann auch Elber schlagen, indem gerade diese seine Aussage an den Schluss geschnitten wird: „… un’ heute Spiel hier hat gezeigt: wir sin’ gut drauf.“ Applaus, Applaus – 19 Sekunden lang, von den Studiokermits, sodass auch Jörg noch einen drauflegen muss: „Hat Ihnen gefallen hier, gell?“ Wir lieben unsere Stars und unsere Starreporter vom SATeinsFußball.
Doch halt – vor der Werbung noch einen aus der Superlativ-Statistikkiste: „26 Treffer haben die insgesamt schon erzielt, und diese 26 Treffer, das ist bisher schon mehr als Düsseldorf, St. Pauli, Bielefeld und Duisburg zusammen erzielt haben!“ Wer hätte das gedacht! Wussten Sie übrigens schon, dass die Rückennummern aller VfB-Torschützen zusammengerechnet mehr sind als die Summe der Körpergrößen aller MSV-Spieler in ganzen Metern? Na sehen Sie.
Lassen Sie uns werben jetzt – auch das Teil des SATeinsFußballs. Zunächst „in eigener Sache“: „Die Nationalmannschaft von Armenien – Berti auf dem Dach der Welt: Der Euro-König in Nepal – und: ‚Die Prinzen‘ zu Gast im Studio.“ So könnte es natürlich in BamS stehen; die Medienwelt ist klein geworden, fürwahr. Jetzt aber wirklich Pause, ganze sechs (6) Minuten lang für Bier, Auto, Schuppenmittel, Herrenduft, Tankstelle, Rasierwasser, Auto, Aktien, Bier, Farbfilm, Rasierer, Auto, Sekt. Merken Sie was? Frauen sind in dieser Sendung werbetechnisch nicht vorgesehen. Das wenn die gute Gabi Papenburg wüsste!
Egal, zurück, „Wir sind wieder da …“, Applaus-Applaus dem Jörg, der uns in den nächsten SATeinsFußball-Unterhaltungsblock einführt. Besprochen wird – wir erinnern uns und wundern uns nicht mehr – die Mannschaft der Leverkusener respektive ihr Trainer, denn der absolviert das 250. Spiel in dieser Position. „120-mal davon hat er gewonnen,“ gepriesen sei die Datenbank, wie gut ist auf ihr ruhen, nur die Schlussfolgerung von Thomas Klemenz („hat also immer fast alles richtig gemacht“) mutet verquer an – „immer fast alles richtig“ ist genau genommen ein eben solches Armutszeugnis wie „selten alles falsch“.
Was erzählt uns Thomas K. vom Gegner? „Hansa Rostock in Blau hier mit Zallmann“ – ah ja, das muss die Beckmann-Schule sein. Weiter Erhellendes aus dem Spielverlauf: Freistoß der weißtrikotierten Leverkusener vor dem Rostocker Tor, „Hansa also jetzt in der Abwehr, und die Bayer-Mannschaft im Angriff “. Dies wohl als Serviceleistung für die Farbenblinden unter den Zuschauern. Tore in ihrer Entstehung und Ausführung werden fachmännisch so kommentiert: „Ecke von Bayer – – und dann isser drin! Da isser drin! Neun-und-vier-zig-ste Minute…“ – als sei eben gerade die Minute das Wesentliche an diesem Tor, eben DASS es gefallen ist, nicht WIE. Natürlich können wir alle sehen, was da auf der Mattscheibe läuft, aber wir sehen ja eben nicht alles, und dafür wäre doch eigentlich der Reporter da, um uns diejenigen Informationen zu geben, die wir nicht im Stadion Gewesenen – und selbst wenn, nicht alles sehen Könnenden – gerne hätten, um uns ein Bild von diesem Spiel zu machen. Aber darum geht es wohl nicht.
Es geht um Hochrechnung. „Vier zu eins gegen Rostock, fünfter Sieg gegen Rostock, fünfter Sieg in Folge“ – das ist so wesentlich wie die neue Frisur des Platzwarts. Was aber auf keinen Fall beim SATeinsFußball fehlen darf: die „Stimmen zum Spiel“, und die kommen nicht etwa von den Beteiligten, sondern „von und mit Boris Stark“. Kennen Sie Boris Stark? Eben.
Die nächsten Minuten gehören dem Werbeblock und Bier, Auto, Aktien, Mobiltelefon, Bier, Tankstelle und Wodka – alles, was ein Mann braucht. Diesmal grient uns Jörg schon nach vier Minuten wieder entgegen, um die Dortmunder Stars („alles Namen, die auf der Gehaltsliste von Borussia Dortmund stehen“) gegen die Bochumer im „Revierderby“ antreten zu lassen, begleitet vom unnachahmlichen Werner Hansch. „Schöne schwarze Locken, überhaupt ein hübscher Bengel, dieser Jovan Kirovski, zwanzig Jahre ist er alt, dieser smarte US-Boy kroatischer Herkunft…“ – nein, wir sind nicht auf der Kontaktseite des Playboy. Werner H. gehen nur die H.ormone durch. Was das mit Fußball zu tun hat? Nun, das sollte eine h.umorige Einführung für ein „Nachwuchstalent“ sein, das dem Werner auch im Spiel gut gefallen hat, ohne dass er allerdings so genau sagen kann, warum. Also doch wegen der Locken? „Ich denke mal, der hat hier für seinen ersten Einsatz schon schöne Aspekte reingebracht.“ Ähhhh, ja.
Nachdem fünf Möglichkeiten der Dortmunder gezeigt wurden – „also die Chancen