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Fußballkritik


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Es hilft nur noch: Zensur!

      Mit sofortiger Wirkung ist deshalb aus jeglichem Kommentatorenwortschatz zu streichen:

      •à la bonheure

      •aber letztendlich nicht unverdient

      •Abstiegsstrudel

      •alle Zeit der Welt

      •allein auf weiter Flur

      •ans Außennetz

      •arg gebeutelt

      •bis dato

      •Chancen en masse / zuhauf

      •das nötige Quäntchen Glück

      •Schiedsrichtergespann

      •den Turbo einschalten

      •die langen Kerls

      •Druck machen

      •ein torloses Nullzunull

      •Glanzparade

      •einmal mehr

      •es blieb am Ende beim

      •Filigrantechniker

      •Geläuf (tiefes)

      •das weite Rund

      •glückliches Händchen

      •kalte Dusche

      •trockener Schuss

      •letzte Aktion vor der Pause

      •Luftkampf

      •macht (keine) Anstalten

      •Nickligkeiten

      •Pausentee

      •probates Mittel

      •Schlussoffensive

      •Schmuckkästchen

      •schwarze Perle

      •sein können, JA müssen

      •sie, die fußballlose Zeit

      •sorgenvolle Miene

      •Stimmen zum Spiel

      •streicht um Zentimeter vorbei

      •symptomatisch

      •Fehlanzeige

      •Torschützenkönig

      •tut gut daran

      •überschlagen sich förmlich die Ereignisse

      •Vollstrecker

      •vorderste Spitze

      •wuchtiger Kopfstoß

      •zweiter Sieger

       Heft 5/1996

      STEFAN ERHARDT

      Abt. Artenschutz: Denn sie wissen nicht, was sie fragen!

      Vor Kurzem kam vom DFB der ungewöhnliche Vorschlag, die Interviews unmittelbar nach Halbzeit- und Abpfiff zu verbieten. Die Begründung allerdings, den Spielern werde hier teil- und unverschämterweise Unsägliches zugemutet, ist nur vorgeschützt. Es geht in Wahrheit um die Figuren hinter den Mikrofonen.

      Denn es ist so: Oft stellt ein publizitätsfrohes Medienstarlet überfallartig seine Fragen, nicht etwa, um etwas in Erfahrung zu bringen, sondern um als Pausenclown die Lücke zwischen den Werbeblöcken zu füllen. Dementsprechend fallen dann auch die Fragen aus („Wie haben Sie das Tor in der 40. Minute gesehen?“). Nicht mehr lange wird es dauern, bis entweder treudoof oder spitzbübisch, jedenfalls mit genervtem Sarkasmus entsprechend geantwortet wird: „Gar nicht – ich war grad mit dem Gegner beschäftigt…“ oder „Nur sehr undeutlich – der Schiri stand im Weg…“.

      Vor allem diejenigen Sportinquisitoren gehen auf die Nerven, die in falschem Verständnis von Diskurs als selbstreferentiellem Egotrip mit eingebauter Konfliktentschärfung solche Fragen stellen, welche die Antwort gleich mitenthalten: „Ihr habt in den ersten 20 Minuten sehr verhalten gespielt; lag’s daran, dass ihr zu viel Respekt hattet, der Gegner hat ja die letzten fünf Auswärtsspiele alle gewonnen, um nicht gleich ins offene Messer zu laufen, oder war die Devise, möglichst kein frühes Tor zu kassieren?“

      Was soll da einer, verschwitzt, ausgepumpt, mit den Gedanken womöglich noch beim letzten Pfostenschuss, antworten, ohne wie der letzte Hohlkopf zu erscheinen? „Na gut, wir haben am Anfang erst mal das Tempo rausgenommen, weil wir wussten, der Gegner ist auswärts sehr stark, und bei ’nem frühen Gegentor wären wir gleich ins offene Messer gelaufen …“ Oder bringt’s einer doch mal fertig, den Blick stumm gen Himmel zu wenden, kurz auszuspucken und zurückzugeben: „Wollen Sie noch so ’ne brillante Frage stellen oder lieber gleich Werbung machen?“

      Zum Teil wird gottlob jetzt schon von manchem Spieler in solchen Frage-Quickies kräftig zurückgeraunzt („Was soll die dumme Frage?“). Wenig wundern würde mich, wenn auf eine Frage wie „Na Mario, beim Gegentor von Holzmann haben Sie sich aber wie ’ne Schülermannschaft angestellt, oder?“ eine be- wie handgreifliche Antwort käme (Mario: [Pow!] – Reporter: „Davit gev ich erftma furück inf Fendefentrum nach Mainf…“).

      Ja, ich prophezeie es hier und heute, wenn diese verkabelten Sportspeak-Inquisitoren mit ihrer beckmannschen Nassforschheit, ihrer hansch’schen Vulgärik und hartmannesken Stammtischlerei weiterhin ihre verfaulten Sprechbretter vorm Kopf zurechthobeln, werden nicht nur Späne fallen, sondern Menschen. Und zwar um. Mit richtig Nase putt, Auge blau, Backe dick, Stiftzahn im Mikrofon.

      Aus diesem Grund: Schützt die Jungreporter! Bewahrt die alten Wortführer vor üblem Mitspiel! Keine Interviews in der Halbzeitpause, keine nach dem Spiel. Und schon gar nicht im Gang zur Kabine – Mensch, die Kerle sind 45 Minuten draußen gerannt, der Kreislauf war mächtig in Schwung, die Niere hat kraftvoll gearbeitet … die Jungs wollen vielleicht ganz dringend ganz woanders hin! Und da kommt ihr und fragt, ob sie nicht hätten mehr Druck machen können! An die DFB-Funktionärsblase: Es besteht Handlungsbedarf!

       Heft 7/1996

      CLAUS MELCHIOR

      Fußballspezifisches Dummdeutsch, Teil 2: Über den Kampf zum Spiel

      Häufig, vor allem wenn ein vermeintlich fußballerisch weniger begabtes Team einen scheinbar übermächtigen Gegner besiegt hat, ist aus den Reihen des Davids zu hören, man könne zwar nicht so gut Fußball spielen, habe aber über den Kampf zum Spiel gefunden und so die Sensation vollbracht. Nicht wenigen scheint dies unmittelbar einzuleuchten, und auch von Berichterstattern wird das Klischee gern übernommen.

      Was aber verbirgt sich eigentlich hinter diesem Satz? Letztlich handelt es sich um eine Banalität, denn es liegt auf der Hand, dass man vielleicht im Training das Fünf-gegen-zwei rein spielerisch betreiben kann, dass aber der Versuch, im richtigen Spiel den Ball ins Tor zu befördern, auch von spielerisch starken Mannschaften ein gewisses Maß an Einsatz und Rennerei verlangt. Auch Real Madrid hat die Frankfurter Eintracht im legendären Meistercup-Endspiel von 1960 vermutlich nicht ganz ohne Schweißvergießen besiegt.

      Schlimmer scheint mir, dass genau jenes Klischee von vielen als die Basis deutscher Fußball-„Kunst“ verstanden zu werden scheint. Hier mag die Erinnerung an die „Helden von Bern“ eine Rolle spielen, denen es mit „deutschen Urtugenden“ gelang, dem hochfavorisierten ungarischen Wunderteam ein Bein zu stellen. Aber war nicht der Kopf dieser Mannschaft, Fritz Walter, ein Spieler, der dem Klischee sicher nicht entsprach? Und was ist davon zu halten, wenn ausgerechnet der Antityp des deutschen Fußballmalochers, Franz Beckenbauer, behauptet, dem Deutschen seien nun mal nicht die Fähigkeiten des Brasilianers in der Ballbehandlung gegeben? Wenn von „dem Deutschen“, „dem Russen“, „dem Amerikaner“ die Rede ist, heißt es, allemal wachsam zu sein, denn selbstverständlich gibt es „den Deutschen“, „den Russen“, „den