darf ich Ihnen ein Angebot unterbreiten, von dem ich hoffe, das es Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Zustimmung finden wird.
Dieser Käufer, der einstweilen anonym bleiben will, dessen Bonität jedoch, wie wir überprüft haben, über jeden Zweifel erhaben ist, möchte Ihr Apartment im Edificio La Palma käuflich erwerben. Er ist bereit, einen Preis zu zahlen, der deutlich über dem Marktpreis liegt. Was sein Angebot zusätzlich interessant machen dürfte, ist: Er wäre bereit, den Kaufpreis vollständig in bar zu entrichten, oder ihn auch, vollständig oder teilweise, auf ein Konto Ihrer Wahl in einem Land Ihrer Wahl zu überweisen. Die Stella Real Estate würde die Gewährleistung einer vertrauensvollen und allen gesetzlichen spanischen Auflagen genügenden Abwicklung garantieren.
Habe ich Ihr Interesse geweckt? Dann rufen Sie mich an, gern auch außerhalb unserer Geschäftszeiten!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Sr. Jochen Hollerbeck, Geschäftsführer
›Das‹ mit einem S! Und: die ›Gewährleistung garantieren‹! Emma konnte kein Schriftstück lesen, ohne in Versuchung zu geraten, es zu redigieren. Eine berufsbedingte Marotte. Die Fehlersuche war ihre erste Reaktion. Die zweite: Hurra! Das kommt ja wie gerufen! Schnell sah sie noch einmal nach dem Datum: der Brief war vor gut drei Monaten geschrieben worden. Ob das Angebot noch stand? Hatte ihre Oma dem Makler, denn das war dieser »Señor« Hollerbeck ja wohl, geantwortet? Darauf enthielt der Inhalt der Schachtel leider keinerlei Hinweis.
Aber das musste doch leicht herauszufinden sein. Ob Omas Telefon noch funktionierte? Ja, tatsächlich. Ein kleines rotes Licht, neben dem »mensajes« stand, blinkte. Und das Freizeichen ertönte, sobald Emma den Hörer aufgenommen hatte. Sie wählte die Nummer an, die auf dem Briefbogen stand.
Nach dem fünften Klingelton wollte Emma schon wieder auflegen, da meldete sich eine Frauenstimme: »Hola!« Emma zögerte. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sich jemand auf Spanisch melden könnte. Wie idiotisch von ihr! Wo war sie denn hier? Im Münsterland? Sie kramte in ihren rudimentären Spanischkenntnissen und stotterte:
»Buenos días! Yo, äh, ich suche, el Señor Hollerbeck. Esta aquí?«
»Sie können ruhig deutsch sprechen! Ich bin Frau Hollerbeck. Mein Mann ist geschäftlich unterwegs. Wie war noch gleich Ihr Name? Vielleicht kann ich meinem Mann etwas ausrichten?«
»Oh, Entschuldigung, ich habe mich nicht vorgestellt. Mein Name ist Schneider. Emma C. Schneider. Ich habe das Apartment meiner Großmutter geerbt, hier auf der Insel, und ein Kaufangebot gefunden, für dieses Apartment. Und ich wollte nur nachhören, ob das Angebot noch gilt.«
»Mein Mann wollte Ihr Apartment, also das Apartment Ihrer verstorbenen Großmutter kaufen: habe ich das richtig verstanden?« Frau Hollerbeck schien verdutzt zu sein.
»Ja, genau. Also nicht er direkt, sondern er hat einen Brief im Namen eines, wie es hier steht, ›potenten Käufers›‹ geschrieben.«
Die Frau am anderen Ende der Leitung war still. Jemand klopfte an die Tür.
Emma hielt eine Hand über das Mikrofon im Telefonhörer und rief laut Richtung Tür: »Un momento! Ich komme gleich.« Dann sprach sie wieder ins Telefon:
»Also, wenn Ihnen mein Anruf ungelegen kommt: ich kann mich gern später noch einmal melden.«
»Ja, tun Sie das! Und ich werde meinem Mann ausrichten, dass Sie angerufen haben. Frau Schneider, sagten Sie?«
»Ja, Emma C. Schneider. Der Brief ging an Ilse Schneider, meine Großmutter. Im Apartmenthaus La Palma in Puerto de la Cruz.«
»Das sage ich ihm. Auf Wiederhören!«
»Auf Wiederhören. Hasta mañana!«
Wie peinlich! Wieso musste sie »hasta mañana« sagen und so tun, als könne sie Spanisch? Was hieß »hasta mañana« eigentlich genau? Hieß das nicht bis gleich oder so? Die Frau Hollerbeck musste sie für eine blöde, eitle junge Kuh halten.
Es klopfte erneut, etwas dezenter als vorhin.
Vor der Tür standen Heinz und Johanna Poloniak und strahlten Emma an. »Wir haben Sie vorhin ins Haus gehen sehen und dachten: vielleicht haben Sie auch Hunger? Wir wollen in ein Fisch-Restaurant ganz in der Nähe, das uns warm empfohlen worden ist, von unserer Vermieterin, Frau Hülsenbusch – kennen Sie Frau Hülsenbusch? Apartment 806, gleich neben unserem, 805. Sie kennt alle Lokale, alle Geschäfte oder wenn Sie mal einen Handwerker brauchen… Sie warnt davor, die Handwerker zu nehmen, die von der Hausverwaltung angeheuert sind. Sie wusste auch, wo wir Sie finden würden.«
Heinz Poloniak unterbrach: »Was meine Frau sagen will, also, was wir beide Sie fragen wollen, ist: wir würden Sie gern zum Abendessen einladen. Wo wir Sie doch vier Stunden lang mit unseren Erzählungen im Flugzeug gelangweilt haben! Als kleine Wiedergutmachung.«
Frau Poloniak warf ihrem Mann einen kritischen Blick zu.
»Nein, nein«, reagierte Emma schnell: »Sie haben mich kein bisschen gelangweilt. Sie haben mir den langen Flug verkürzt. Und außerdem haben Sie sich meine Jammergeschichten angehört. Eigentlich müsste ich Sie einladen.«
»Das können Sie dann ja beim nächsten Mal tun. Jetzt gehen wir zu Carmen, und Sie sind unser Gast. Carmen soll wunderbare Gambas machen, und auch die Seezunge wurde uns sehr empfohlen«, riss Frau Poloniak die Konversation wieder an sich.
»Ok, aber ich habe noch nichts ausgepackt. Ich muss mich umziehen und frisch machen. In einer halben Stunde, wäre das ok?«
Die beiden strahlten sie an. »Gerne, in einer halben Stunde unten vor dem Haus an der Bank unter dem Gummibaum. Es sind nur zehn Minuten zu Fuß zum Lokal. Wenn Sie nichts dagegen haben, schließt Frau Hülsenbusch sich auch noch an.«
Wie hätte Emma jetzt noch etwas dagegen haben können?
4. Kapitel
Da klingelte was! Emma hob den Kopf, rieb sich die Augen. Fast stockfinster war es im Zimmer. Die dunkelroten Vorhänge ließen praktisch kein Licht durch. Wie spät war es wohl? Es klingelte erneut. Das Telefon! Emma sprang von der Schlafcouch hoch, riss den Vorhang auf – draußen war es gleißend hell; der Gebirgskamm, der das Orotavatal nach Westen abschloss, strahlte sie, von der Morgensonne geflutet, an. Ein Blick auf die Armbanduhr verriet: es war nach neun. Sie hatte fast zehn Stunden geschlafen!
Das Telefon klingelte ausdauernd. Es stand in der Diele, auf einer kleinen Kommode aus kanarischer Kiefer, im gleichen Stil beschnitzt wie die Kassette mit den Karten und Briefen, die Emma wieder in den Sinn kamen.
»Si!«
»Fräulein Schneider? Hier spricht Jochen Hollerbeck. Sie haben gestern mit meiner Frau gesprochen. Wegen des Apartments ihrer Großmutter, wenn meine Frau Sie richtig verstanden hat.«
»Ja, das hat sie.« Der Makler, natürlich! »Das ist aber toll, dass Sie so schnell zurückrufen. Entschuldigen Sie, aber ich bin gestern erst auf der Insel angekommen, und da habe ich Ihr Schreiben gefunden. Ich bin noch ein bisschen durcheinander. Ich bin gerade erst aufgestanden.«
»Ouh! Habe ich Sie geweckt? Das tut mir Leid. Aber meine Frau sagte, Sie hätten geklungen, als sei es Ihnen sehr wichtig, dass ich schnell zurückrufe.«
»Ja. Nein. Also: doch, ich bin froh, dass Sie sich melden, das sagte ich ja. Ich muss nur erst noch zu mir kommen.«
»Sie haben ja sicher noch nicht gefrühstückt. Und wenn Sie gestern erst angekommen sind, konnten Sie vermutlich auch noch nicht einkaufen gehen. Wie wäre es, wenn ich Sie zu einem Frühstück einlade, in einer Stunde – oder anderthalb – an der Plaza del Charco?«
»Das ist der Platz am Hafen in Puerto, nicht wahr?«
»Genau. Dort gibt es das Café Océano. Ist nicht zu übersehen, und es kennt jeder. Was halten Sie davon?«
»Was sollte ich wohl davon halten? Sie haben natürlich Recht: ich habe noch nicht gefrühstückt,