Armand Amapolas

Emma erbt


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und nehmen nicht wahr, dass sich die Welt um sie herum geändert hat. Die Globalisierung!«

      Hollerbeck breitete beide Arme aus, als wolle er den Globus umarmen und schnitt dazu ein Gesicht, als habe er eine Erscheinung.

      »Dann sind es deutsche Interessenten, die mein Apartment kaufen wollen?« Emma hatte vom Smalltalk genug.

      »Nicht direkt.«

      Hollerbecks kryptische Antwort wurde von Hans Moser unterbrochen, der ihnen Café und Croissant servierte und für Hollerbeck einen Cortado leche y leche.

      »Was ist das: leche y leche?« fragte Emma mit Blick auf das kleine, bis zum Rand gefüllte Glas, das vor Hollerbeck zum Stehen kam.

      »So trinken die meisten Tinerfeños ihren Espresso: mit zweierlei Milch. Ganz normalem Milchschaum, wie beim Cortado – in Deutschland sagt man Espresso macchiato – und zusätzlich einer süßen Kondensmilch. Man braucht dann keinen Zucker mehr. Das sollten Sie mal probieren! Lecker!« Er nippte am Kaffee und erinnerte Emma dabei an den kleinen knubbeligen Mann aus einer alten Tschibowerbung.

      »Werde ich tun. Aber jetzt erklären Sie mir doch bitte, was das heißt: nicht direkt?«

      Hollerbeck lehnte sich in seinem Stuhl zurück, zögerte einen Moment, theatralisch, wie Emma fand, und schien sich dann einen Ruck zu geben:

      »Ich darf Ihnen das leider nicht sagen. Noch nicht. Wenn Sie unser Angebot annehmen, werden Sie die Herrschaften natürlich kennenlernen. Wenn Sie das Angebot, was ich nicht hoffe, aber ablehnen sollten, würden die Interessenten gern anonym bleiben. Es wird so viel geschwätzt auf der Insel – und gerade im La Palma, wenn Sie verstehen.«

      »Das verstehe ich, durchaus. Trotzdem hätte ich gerne zumindest eine Ahnung davon, wer sich für das Apartment meiner Großmutter interessiert. Es ist übrigens immer noch das Apartment meiner Großmutter. Ich bin zwar die Erbin, aber um die Formalitäten hier in Spanien habe ich mich noch nicht kümmern können.«

      »Darum machen Sie sich bitte überhaupt keine Sorgen! Darum kümmert sich die Stella Real Estate. Auf Eigentumsübertragungen und Erbschaftsregelungen sind wir spezialisiert. Und darauf«, Hollerbeck senkte die Stimme und blinzelte Emma listig lächelnd zu, »den steuerlichen Rahmen zu optimieren. Sie verstehen, was ich meine?«

      »Ich glaube: eher nicht. Muss ich hier Erbschaftssteuer zahlen?«

      »Oh ja. Und nicht zu knapp. Aber es gibt Wege… Dazu muss man sich natürlich auskennen im komplizierten spanischen Erbrecht. Es kommt immer auf die individuelle Situation an.«

      »Und da kennen Sie sich aus?«

      »Das darf ich wohl behaupten, ja. Und für alles richtig Komplizierte haben wir natürlich unsere Experten.«

      »Das klingt gut. Hilfe werde ich sicher brauchen, so oder so. Vermutlich eher »so«. Ich habe nicht die Absicht, auf der Insel zu leben. Und als Ferienwohnung vermieten darf man das Apartment laut Haussatzung nicht.«

      »Sagen wir besser: im Prinzip nicht. Aber auch im Vermietungsgeschäft muss man sich auskennen – oder Hilfe auf der Insel haben. Das ist übrigens das zweite Standbein der Stella Real Estate.«

      Das zweite Standbein? konnte Emma nicht verhindern zu denken. Und womit wurde gespielt: mit dem dritten? Sie schüttelte ihren Wuschelkopf und so den Gedanken schnell wieder ab.

      »Also was wollen Ihre geheimnisvollen Interessenten – sind es übrigens Männer oder Frauen – denn nun zahlen?«

      Jochen Hollerbeck schaltete auf hyper-ernst und ließ bedeutungsschwer einige stille Sekunden vergehen.

      »Haben Sie sich mal nach dem Marktwert der Apartments im La Palma erkundigt?«

      »Nein, aber wenn es hier so einen tollen nachgeholten Immobilienboom gegeben hat, werden die wohl sehr erfreulich sein, aus Verkäufersicht.«

      »Erfreulich sind sie, ja, aber keineswegs sensationell. Der Boom hat trotz allem die Kanaren nur in sehr abgeschwächter Form erreicht, und jetzt ist überall die große Krise zu spüren. Hinzu kommt: das La Palma stammt aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. So einen Hochhauskasten würde heute niemand mehr bauen. Und er würde auch nicht genehmigt werden.«

      »Das muss ihn doch besonders wertvoll machen. Der Blick aufs Meer ist einzigartig. Das ist doch sonst nirgends mehr zu bekommen.« Emma fühlte sich wie eine clevere Verkäuferin.

      Hollerbeck ging auf ihr Argument tatsächlich ein: »In der Tat, der Blick und die Lage des Hauses, das sind die beiden größten Pluspunkte dieser Immobilie. Auch, dass es gut gepflegt ist, für ein Haus dieses Alters; dank der Eigentümergemeinschaft, die sehr rege ist. Auf der anderen Seite: das Haus ist fast vollständig in deutscher Hand. Das engt den Interessentenkreis ein.«

      »Sie meinen: weil dort so viele Deutsche wohnen, wollen Spanier oder Engländer nicht einziehen?«

      »So generell würde ich das nicht sagen. Aber die meisten Engländer ziehen doch eine britisch geprägte Umgebung vor. Spanier sind offener, aber auch gern unter sich. Zum Glück kommen jetzt zunehmend auch Kaufinteressenten aus anderen Regionen Europas. Und nicht nur Europas.«

      »Ach! Woher denn? Aus Russland?«

      »Zum Beispiel. Aber auch aus Polen oder dem Baltikum, und inzwischen erreichen uns auch gelegentlich schon Anfragen aus China.«

      »China, ja, davon habe ich gehört. Aber warum? Teneriffa ist doch endlos weit weg, von China oder Russland aus?«

      »Das stimmt natürlich. Aber die Kanaren sind nun einmal der südlichste Teil der Europäischen Union, des Gelobten Landes. Und obendrein mit dem besten Klima Europas gesegnet. Teneriffa hat zwei Flughäfen, eine 1a-Infrastruktur – und ist sicher. Rechtssicherheit: Das ist in China oder Russland seltener als die berühmten Seltenen Erden. Glauben Sie mir: Es gibt keinen angenehmeren Weg aus der Wildnis des globalen Finanzkapitalismus hinein in die sichere Höhle Europa als den über die Kanaren. Das spricht sich herum.«

      »Hmm. Das klingt einleuchtend. Aber kommen Ihre ominösen Interessenten für meine Wohnung nun aus China oder aus Russland? Und Sie haben mir immer noch nicht gesagt, ob es Männer oder Frauen sind.«

      »Es könnte ja auch eine Familie sein oder eine Firma. Aber nein, so viel kann ich Ihnen wohl verraten: es ist eine Frau, und sie ist keine Chinesin. Obwohl: was hätten Sie gegen Chinesinnen einzuwenden?«

      »Nichts. Eine Russin also?«

      »Pardon, aber ich habe womöglich schon viel zuviel gesagt. Sie wollen mich in die Enge treiben! Sie sind raffiniert!« Hollerbeck winkte Emma mit dem erhobenen Zeigefinger schalkhaft zu.

      »Ich denke nicht, dass mir das gelingen könnte. Übrigens haben Sie immer noch keinen Preis genannt.«

      »Was wird Ihnen der Preis sagen, wenn Sie den Markt nicht kennen? Ich schlage vor, Sie informieren sich, zu welchem Preis Apartments im La Palma und in ähnlichen Edificios derzeit gehandelt werden. Ich versichere Ihnen: Das Angebot, das ich Ihnen vorlegen darf, wird deutlich darüber liegen.«

      »Wie deutlich?«

      »Man könnte meinen, Sie seien aus der Branche! Aber richtig, Sie sind ja Journalistin! Offensichtlich eine sehr gute – so hartnäckig, wie Sie nachhaken. Sie lassen niemals locker, was?«

      Emma strengte sich an, nicht geschmeichelt zu wirken.

      »Ich mache Ihnen einen Vorschlag.« Hollerbeck beugte sich zu Emma hinüber: »Ich lade Sie zu einer kleinen Rundfahrt ein. Haben Sie ein Auto? Nein? Dann nehmen wir meinen Wagen. Und ich verschaffe Ihnen einen schnellen Marktüberblick. Gleich morgen, wenn Sie mögen. Was halten Sie davon?«

      Das klang fair. Und interessant. Emma hatte bisher nicht daran gedacht, sich ein Auto zu mieten. Und sich ein paar Baustellen und andere Apartmenthäuser anzusehen, das konnte doch kaum schaden, wenn sie jetzt im Begriff sein sollte, ins Immobiliengeschäft einzusteigen. Und dieser Jo war zwar ein schmieriger Ranschmeißer, wirkte aber eher lächerlich als gefährlich. Mal sehen, dachte sie, was er noch alles anstellen würde,