einem Erdbeben. Nicht ein einziges Bild hing an den Wänden. Kolle war entsetzt! Das Werk eines Künstlers, weggewischt. Aber Onne schien guter Dinge zu sein. Ein Lied pfeifend, sah er sein ehemaliges Heim an. Er hob das eine oder andere hoch und sagte dabei: „Kann man alles reparieren.“ Dann ging er in die Ecke, in der die Nasszelle war. Sie gab es noch. Die Tür der Dusche war verschlossen. Mit einem theatralischen „Aha!“ riss Onne sie auf. Da lagen sie! Seine Bilder. Mit einer Plane sorgfältig festgezurrt. „Muss nachher alles ins Haus gebracht werden. Aber momentan liegen sie hier ganz gut.“ Onne verschloss die Tür der Dusche wieder sorgfältig und dann stolperten sie weiter.
„Sag mal, was denkst du über die letzte Nacht?“, fragte Kollerup.
Onne suchte im Schutt nach dem Kühlschrank. Er bemerkte, dass der Maler seine Frage nicht gehört hatte.
„Was machst du da!“
„Bier. Ich suche mein Bier.“
„Scheiß auf dein Bier! Da ist nichts mehr.“
„Doch. Muss.“
„Ist doch ganz normales Bier! Im Hotel gibt es die gleiche Sorte.“
„Nö.“
„Wie. Nö.“
„Im Hotel gibt es das nicht. Würde mich sehr wundern.“
„Da ist er! Hilf mal.“ Kolle stöhnte und half.
„Ha!“ Onne hielt triumphierend zwei braune Flaschen hoch. Sahen unscheinbar aus, fand Kolle. Gar nicht wie Bierflaschen, sondern eher wie alte Weinflaschen. Der Hals mit rotem Wachs versiegelt.
„Weißt du, was DAS ist?“ Onne fuchtelte damit vor Kolles Nase herum.
„Bier?“
„Ja, sicher! Aber welches?“
„Flens?“
„Ich bezweifele, dass die damit zu tun haben.“
„Du willst doch wohl nicht sagen, dass du das Bier unserer verfeindeten Nachbarn trinkst! Dithmarscher!“
„Ah! Nein!“ Onne freute sich wie Rumpelstilzchen.
„Also gut, ich gebe auf.“ Jetzt wollte Kolle es endlich wissen.
„Es ist das älteste Bier, das man hier in dieser Gegend haben kann.“ Onne liebte Rätsel. Jetzt stöberte er wieder herum und fand unter einem Holzstapel einigermaßen trockenes Zeitungspapier. Er wickelte die Flaschen sorgfältig ein und übergab eine davon Kollerup.
„Nicht fallenlassen“, ermahnte er ihn.
„Nicht trinken, wäre angebrachter jetzt“, grinste Kollerup.
Wortlos gingen sie zum Hotel. Kolle konnte warten. Wenn Onne so weit war, dann würde er ihm schon reinen Wein – oder passenderweise reines Bier – einschenken. Soweit sie es überblicken konnten, schienen die Wohnhäuser und das Hotel den Hurrikan fast schadlos überstanden zu haben.
Die Salzwiesen selber sahen natürlich nicht mehr so idyllisch aus wie vorher. Treibgut jeder Größe und Art lag herum. Sogar einige Wellblechdächer, vermutlich von einem Schuppen der Nachbarhallig. Ein großes Stück steckte wie ein abgestürztes Raumschiff schräg im Gras. Ansonsten alles das, was man nach einer Sturmflut üblicherweise immer vorfindet: Plastikflaschen, Kisten, Balken und Kanister. Und auch ein Kinderwagen, was Kolle zu denken gab. Er hoffte, dass die Mutter hoffentlich so schlau gewesen war, das Kind vorher in Sicherheit zu bringen.
„Sag mal. Hörst du das?“ Er blieb stehen und lauschte.
„Nö. Ich höre nichts.“
„Das meine ich doch!“
„Diese Ruhe?“
„Ja!“
Kein Wind, keine Möwen, selbst das Wasser lag irgendwo im Nebel völlig lautlos da. Keine Signalhörner der Schiffe. Sogar das bei einer solchen ruhigen Wetterlage kaum wahrnehmbare Wummern der Schiffsmotoren fehlte. Es war totenstill.
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