schreiben, hörst, Kätche, dass Du Dir das anders überlegt hast, ich bitt’ mir’s aus, und kein Wort mehr höre will ich von dem Unsinn. — Da, nimm, allons, Fricka, mein Tierche. Ein gutes Viech bist. Ja, bist Du mein gutes Viech? Nein, ein Strolch bist. — Jetzt guck nur, wie lieb die Kröt’ wieder ist, das Mienespiel, wie auf dem Theater, nit? Ja, und dem Hausser gibst den Gepäckschein, dass er die grossen Sachen von der Bahn holt. Ist ausserdem noch Fracht, Kätche?“ Sie war aufgestanden und nahm dem Hund die Serviette ab. Er war darauf dressiert, ihr nun die Schnauze wie zum Kusse hinzuhalten, worauf sie ihm im Spass eine Ohrfeige verabreichte. Der Hund sprang zu Boden und an ihr empor, sie verliess die Trinklaube und führte rund um den grossen Speisetisch einen Tanz mit ihm auf. Er bellte, jaulte, lärmte, und sie amüsierte sich köstlich; so lange trieb sie das Spiel, bis sie ganz atemlos war.
Inzwischen war das Stubenmädchen eingetreten.
„Mina, sagen Sie dem Hausser, er müsst’ auf die Bahn, er sollt’ sich einmal ein bissche eilen. Geh’ her, Kätche, und geb’ der Mina gleich den Zettel. Hast ihn nit bei Dir? Ja, da liegt doch Dein Täschche, nit?“
Nun erst kam sie zu Wort — und nun musste grade das Stubenmädchen dabei sein, ein erschwerender Umstand, den Frau Dora ihrer Schwiegertochter nie verzieh.
„Es ist kein Gepäck mehr, Mama.“
„Ha, neu, wieso? Ich hab’ Dich doch mit dem Einspänner ankomme sehn. Da war doch bloss das ein Köfferche? Ha, und die anderen Sachen?“
„Die anderen Sachen — die sind schon in England, liebe Mama.“
„Ich denk’, ich soll hinschlagen und krieg’ die Kränk. In England? Ja, wie denkst Du Dir denn das?“
„Ich hab’ Dir doch alles geschrieben, Mama. Und Viktor hab’ ich’s ausführlich erklärt. Müssen wir denn jetzt gleich ... Ich meine, es wäre doch besser ...“
„Ach neu, ich bitt’ recht schön. Gelt, Du denkst, es kann mir vor der Mina nit gleichgültig sein, wie ich von meiner Schwiegertochter behandelt werd’? Sie bleiben, Mina. Davon ist jetzt keine Red’, dass Sie davonlaufen und das Geschirr jetzt liegen lassen. Allons. Es ist grad genug zu tun im Haus. Die Nachthemder mit den Spitzen müssen auch endlich gebügelt werden heut vormittag. Sie kommen rein zu gar nix mehr, Mina, so geht das nit weiter. Und im Zimmer vom jungen Herr, da liegt oben auf dem Bücherschrank der Staub fingerdick — kohlschwarz wird man, wenn man hinfasst — Sie denken, da fass’ ich nit hin, und der junge Herr auch nit — aber ich seh’ alles, Mina, alles. Und Du kannst Dich jetzt gleich einmal hinsetzen, Kätche, und ins Herr Duttons nach England schreiben: wenn das Gepäck ankommt, geht’s zurück. Oder wart’, wir telegraphiere gleich.“
„Liebe Mama, das ist unmöglich. Und zwecklos. Erstens ist das Gepäck natürlich nicht an die Firma adressiert, sondern an einen Spediteur — und zweitens werde ich den Leuten mein Wort halten.“
„Dein Wort. Dein Wort. So.“ Frau Dora Troilo war ganz ausser Atem. Ihr Busen wogte auf und nieder. Ihre dunklen Augen, die kleinen schwarzen Jetknöpfen glichen, rollten. Man sah das Weisse. Sie hatte nun wirklich etwas von ihrer Bulldogge: in der missgünstigen Art, in der sie das junge Ding musterte. „Ich denk’ als, Dein Wort hat der Viktor?“
„Aber Mama —“
„Mama hin, Mama her. Antwort will ich.“ In plötzlichem Jähzorn stampfte sie auf. „Stehn Sie nit so dreist da und lauschen, Mina, wenn Ihre Herrschaft ebbes zu besprechen hat.“ Der Hund, die Stimmung der Herrin erratend, fuhr bellend auf das Hausmädchen zu, das flink und erschrocken mit dem schwer beladenen Brett zur Tür eilte. „Und natürlich wieder so voll gepackt, dass es ein Wunder ist, wenn’s keine Scherben gibt. Aber das kostet ja nit das eigene Geld, die Frau Troilo hat’s ja. Schämen sollen Sie sich. Auf gar niemand ist heutzutag mehr Verlass. Ich kann Dir bloss raten, Kätche, bring’ mich nit in Wut. Also da ist gar keine Red’ davon, dass Du nach England fahren tust.“
„Ich — muss!“ Katarina hämmerte das Herz vor Angst. Aber sie nahm alle Kraft zusammen.
„Ich verbiet’ Dir’s! Ha, neu, das wär’ ja noch schöner. Junges Ding wird sich den Kuckuck nach einem richten. Gelt? Aber ich mach’ kurzen Prozess. Ich war bloss zu gutmütig zu Dir im Herbst. Das macht Dir jetzt Courage. Ich lass nit mit mir fackle. Du bleibst.“
„Mama, es tut mir leid, dass Du Dich so aufregst wegen der Sache. Aber ich kann da nicht zurück, will auch nicht. Es ist zum allgemeinen Wohle besser, wirklich, wenn ich die Zeit noch zum Lernen ausnutze, der Geheimrat hat das auch gesagt, ich möchte um keinen Preis so das ganze Jahr und noch länger hier herumsitzen, nichts tun ...“
„Anbinden kann ich Dich nit. Aber wenn Du gehst, Kätche, dann sind wir geschiedene Leut’. Ja. Glotz’ doch nit so hochmütig. Ich kann das nit vertragen. Also jetzt mach’ voran und entscheid’ Dich gefälligst.“
„Es ist keine Entscheidung weiter zu treffen, Mama. Ich reise am Dienstag nach Ostern ab.“
„Wenn nit schon früher!“ Frau Dora gab der Dogge, die beide Pfoten auf den Speisetisch gestützt hatte und schweifwedelnd sich umsah, mit offenem Maule, aus dem ihr das Wasser tropfte, einen ärgerlichen Stoss. „Runter von der Politur, Du Krott! — Ich setz’ mich jetzt gleich auf die Bahn und fahr’ nach Karlsruh’. Und ich will doch einmal sehn, ob der Viktor sich jetzt wieder an der Nas’ herumführen lasst.“
Katarina stand hilflos da, mit sich ringend. „Wie soll ich Dir’s erklären, Mama? Es ist doch wirklich keine Feindseligkeit von mir, auch kein Uebermut, nur das Gefühl: ich bin noch zu jung, um hier bloss als fünftes Rad am Wagen ...“
„Ha, natürlich, die Hauptperson möchtest Du schon sein. Kann ich mir denken. Sehr zart bist Du, Kätche, sehr zart. Ich gehör’ natürlich zum alten Eisen. Das passt Dir nit, dass ich noch da bin und noch was zu sagen hab’. Aber von Dir lass ich mich noch lang nit mundtot machen, mein Kindche. Und der Viktor hat doch auch noch ein Wörtche mitzusprechen, denk’ ich. Er wird Dir halt die Wahl stellen, mein Täubche. Verstehst? Entweder fügst Dich — oder wir lösen die Verlobung auf.“
Frau Dora hatte schon die Klinke in der Hand. Als sie sie jetzt niederdrückte, sprang die Dogge mit einem gewaltigen Satz gegen die Tür. Die flog auf. Bellend sprang das Tier um seine Herrin, die festen Schritts, im Vollgefühl ihrer Macht, durch die Anrichte nach der Küche schritt. Ihre Stimme schallte durchs ganze Haus; wenn sie nicht mit den Leuten zankte, so unterhielt sie sich mit dem Hund, mit dem sie immer noch etwas lauter sprach, als verstünde er sie dann besser.
Tief herabgestimmt verweilte Katarina noch eine Weile an derselben Stelle. Hundert ähnliche Auftritte fielen ihr ein, die sie hier im Hause mit Viktors Stiefmama gehabt hatte. Immer wieder hatte ihr Verlobter vermittelt, ihr versichert, Mama meine es ja gar nicht so schlimm, es sei nur ihre derbe Art ... Aber Katarina fühlte: diesmal gab es keine Brücke ...
Mit dem D-Zug am Mittag reiste Frau Dora nach Karlsruhe. Abends ward Katarina von dort telephonisch angerufen. Dringlich. Viktor machte ihr ernste Vorhaltungen, beschwor sie, mahnte, drohte. Dreimal musste das Gespräch, in das sich dann auch Frau Dora einmischte, verlängert werden. Katarina konnte am Apparat kaum stehen, so zitterten ihr die Knie. Ein wahres Grausen packte sie an bei der Vorstellung, dass sie nun ein volles Jahr Schulter an Schulter mit dieser Frau leben sollte, ihre grobe Stimme hören, ihr ewiges Zanken, ihr geschmackloses Gehabe mit dem Hund. Nein, nein, nein und tausendmal nein, sie fügte sich nicht. Und wenn Viktor sie lieb hatte, wenn er sie wirklich lieb hatte —!
„Ich käm’ ja ’nüber,“ sagte er, „aber ich krieg’ doch jetzt keinen Urlaub, Schatz! Wir Einjährigen müssen über Ostern in die Kasern’. Vierzehn Tag dort schlafen, denk’ nur. Es ist arg streng. Du musst doch ein Einsehn haben, Kätchen. Geh’, so alteriert Euch doch nicht. Und zu Pfingsten und im Sommer, da könnt’ ich doch als einmal zu Euch ’nüberspringen, Dich sehn und sprechen. Aber wenn Du in England bist — ja, daran denkst Du gar nicht?“
„Viktor, lieber, lieber Bub, geh’, sei doch dies einzige Mal mir zu Willen und stell’s der Mama im rechten Licht vor. Es ist besser für alle. Ich