Nataly von Eschstruth

Im Spukschloss Monbijou


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spring mal rüber, Anton, bestelle Herrn Heinzius einen schönen Gruss von mir, und wenn er heute nachmittag freie Zeit hätte, einen kleinen Auftrag möglichst schnell zu erledigen, so liesse ich ihn für einen Augenblick herüberbitten!“

      „Befehl, Herr Leutnant!“

      Anton saust die Treppe hinunter, und Herr von Savaburg nahm das rote Heft, das Bill hinterlassen, zur Hand und schlug es auf.

      Mit einem Gefühl tiefer, aufrichtiger Rührung las er den stolzen Titel „Frithjof“, blätterte in den Seiten und las hier und da ein paar Jamben, die rein und gut, tatsächlich voll schöner Gedanken schienen. Eine klare, kleine, runde, sehr deutlich leserliche Schrift.

      An der Tür klopft es.

      Der Stadtschreiber steht auf der Schwelle und schaut dem jungen Offizier mit nicht zu verhehlendem Staunen interessiert entgegen.

      „Ah, da sind Sie, mein bester Herr Heinzius! Vielen Dank, dass Sie sich herbemühen! Nehmen Sie, bitte, Platz — und lassen Sie mein Attentat in Geduld über sich ergehen!“

      Der alte Mann verbeugt sich.

      „Ich glaubte den Burschen zu verstehen, dass Sie meiner Dienste bedürfen, Herr Leutnant!“

      „Ihrer freundlichen Hilfe, Herr Heinzius!“ Er nahm ihm gegenüber Platz. „Ein Mann der Feder, wie Sie, meistert selbst in diesen trübebösen Tagen die Zeit! Ich habe hier ein kleines Heft, das ein Schauspiel enthält. — Da dieses möglicherweise bald aufgeführt werden soll, so gebrauche ich so schnell wie irgend möglich eine Abschrift, am liebsten bis übermorgen nachmittag. — Das ist ein tolles Ansinnen, wie?“

      Der alte Mann lächelte freundlich.

      „Darf ich einen Blick in das Manuskript werfen, Herr Leutnant?“

      „Wenn es ein wohlwollender ist, können es auch mehrere sein!“ scherzte Sigurd, reichte das rote Heft dar, und Heinzius blätterte mit prüfendem Blick, anscheinend einen schnellen „Überschlag“, eine kurze Berechnung aufstellend, darin herum. Dann blickte er nachdenklich auf.

      „Bis übermorgen nachmittag — oder schon vormittag? O ja, Herr Leutnant, ich denke, das kann ich leisten — wenn ich das Heft gleich mitnehme, um den heutigen Urlaubstag noch auszunutzen!“

      „Aber selbstverständlich! Damit hatte ich ja auch gerechnet und hoffte, dass Sie meinen Wunsch erfüllen können!“

      Der Stadtschreiber erhob sich eilig.

      „Ich will mich unverzüglich an die Arbeit begeben, Herr Leutnant.“

      „Verbindlichsten Dank, Verehrtester! Noch eins. Darf ich Sie um vollkommenste Diskretion bitten und Sie ersuchen, zu niemand von dem Stück zu sprechen, keinesfalls gegen irgend jemand den Titel zu verraten, auch den Inhalt völlig zu verschweigen?“

      „Unter allen Umständen — ich garantiere dafür, Herr von Savaburg!“

      Der Schritt des Stadtschreibers verklang auf der Treppe, und Sigurd trat noch einen Augenblick an das Fenster, um auf die Strasse zu sehen.

      Nun will er noch den Brief mit seinem Bild an den verflossenen Oberst in den Kasten stecken lassen, und dann noch einen langen Schlaf tun.

      Donnerwetter! Er hat sich doch nicht auch vergriffen und statt seiner die gespenstische Samiela an den Gestrengen eingepackt? Er öffnet fürsorglich noch einmal die Mappe!

      Nein, sie ist da!

      Ihre Nachtmaraugen starren ihm entgegen.

      Vielleicht lacht sie gleich ihm.

      Wäre ja auch ein kapitaler Scherz gewesen, wenn der alte Wendhusen diese unheimliche Gastin an Stelle seines ehemaligen Adjutanten aus dem Briefumschlag entwickelt hätte!

      Sigurd verwahrt das Bild noch vorsichtiger und besser, dass es nie ein unberufener Blick treffen kann.

      Und dann legt er sich hin und schläft.

      Drittes Kapitel

      Es war der fünfte Januar, das Fest der heiligen drei Könige.

      Herr von Strombeck, der aus einem Kavallerieregiment der Rheinlande zu den Franz-Ferdinand-Husaren versetzt war, amüsiert sich, ein paar sehr nette, süddeutsche Sitten und Gebräuche nach dem höheren Norden zu verpflanzen. Darum hatte er und seine Gemahlin mittels hocheleganter, wappengeschmückter Karten für den fünften Januar 1914 zu einem Tanzfest, respektive „Spiel und Tanz“, eingeladen.

      Die ganze geräumige Villa in der Parkstrasse erstrahlte in festlichem Licht.

      Livrierte Dienerschaft hastete treppauf, treppab, und vor dem grossen, schmiedeeisernen Gartenportal rollten die Equipagen.

      Die Jugend hatte allerliebste Scherze vorbereitet. Zuerst das „Kränzelbrennen“, das grosse Spannung mit sich brachte, dann eine Gesellschaft „fahrenden Volks“, die ein sehr drollig parodistisches Stück, den Freischütz mit und ohne Gesang, mit besonderer Berücksichtigung der Wolfsschlucht, deren wilde Sau verblüffend echt von einem Tertianer „gegrunzt“ wurde!

      Den „Samiel hilf“ spielte ein äusserst wohlbeleibter Rittmeister mit flachshaarener Perücke, einem Monokel im Auge und dem neuesten Dienstreglement in der Rocktasche — freundlich und weltmännisch mit der Bitte, die Drachenschlucht erst gehörig zu wattieren, damit er bei seinem dreimalig aufschlagenden Kobolz die Kulissen nicht beschädige!

      Die Freikugeln wurden auf hochmoderner, elektrischer Heizplatte gegossen und bestanden aus Mohrenköpfen, Berliner Pfannkuchen und Pralinee, je nachdem Bedarf für Hochwild oder Kammerjägerei in Frage kam.

      Bei Kugeln mit verstellbarer Vorrichtung, zum öfteren Gebrauch, bedurfte es noch eines Stückchen Glases aus der Stallaterne des Herrn Oberst, das Hühnerauge eines Luxes, drei Rosshaare aus dem Schweife eines Wiedehopfs, und all des Blechs (nicht Bleies!), das an diesem Abend zutage gefördert wurde.

      Kasper sang sein Trinklied auf die zeitgemässere und beliebtere Melodie: „Trink ’mer noch ein Tröpfchen —

      Trink ’mer noch ein Tröpfchen

      aus dem kleinen Henkeltöpfchen!

      Oh, Frau von Strombeck —

      wie ist das Leben doch so schön! —

      Als gleichzeitig erhebende Ovation für die so liebenswürdige und lachlustige Hausfrau.

      Zum Schluss verlobte sich Samiel mit der Agathe, welches Bündnis jedoch wieder auseinanderging, weil er sich nicht kirchlich trauen lassen wollte, und der Kaspar war zur Heilsarmee übergetreten und verkaufte an die anwesenden Zuschauer Broschüren zur Bekämpfung des Alkohols, was bei jeder Einnahme von zehn Pfennigen und Absatz einer der Schriften, den begleitenden Chor zu dem Kanon veranlasste:

      Schon wieder eine Seele

      vom Alkohol gerettettett ...!

      Es war eine schöne stimmungsvolle Aufführung, nur Bill seufzte in Gedanken und flüsterte Sigurd zu: „Wenn es so weiter geht mit dem Modernisieren, sehe ich meine Desdemona allerdings noch in violetter Lackierung! — Das alles treibt dem Ruin der Klassik entgegen und kann nie zu einem guten Ende führen!“

      Nachdem man sich etwas die stark abgenutzten Lachmuskeln gekräftigt hatte, stürmte eine Schar von Czikosreitern auf Steckenpferden in den Saal.

      Die ungarischen Hirten selber rekrutierten sich aus den besten Parforce- und Herrenreitern des Regiments, und ihren Vollblütern waren Schilde umgehängt, welche die Namen der edelsten und bekanntesten Renner des Turf trugen.

      Es war überwältigend komisch, die „hohe Schule“ und den „Springgarten“, die Bahn mit Hecke, Mauer und Graben zu sehen, und dazu spielte die Musik auf kleinen Kindertrompetchen, Mundharmonikas und Pfeifchen ein niedliches Stückchen nach dem andern.

      Die Stimmung stieg mit der Fixigkeit eines Liebesthermometers und nun erst, nachdem ihr Kommen würdig vorbereitet war, erschienen die vier heiligen drei Könige aus dem