Nataly von Eschstruth

Im Spukschloss Monbijou


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leiser Aufschrei des Entzückens.

      „O liebe, gnädigste Tante, wie ist das so wunderbar schön!“

      Amarant verschlang in regungslosem Schauen die Hände und fügte leise und schlicht nach kleiner Weile hinzu: „Hier hat man das Empfinden, als sei der Himmel selbst auf diese arme Welt zurückgezaubert.“

      „Nicht wahr? Er hat die liebe Mutter Gottes wunderbar schön und ideal aufgefasst. Mit blondem Haar, wie man sie selten sieht!“

      „Nun verstehe ich auch, warum Ihr Herr Sohn mir von seinem Interesse für Gemälde sprach ...“

      „Erzählen Sie, Amarant!“

      „Das ist mit wenig Worten gesagt! Ich stand unter dem Kronleuchter, und das grelle Licht fiel direkt auf mein Haar, wohl scharfe Reflexe darin weckend. Da erkundigte sich Herr von Savaburg, ob ich schon einmal gemalt sei, und ein Wort gab das andere, allerdings ohne mir den Beweggrund zu verraten, den mir dieses Transparent nun enthüllt!“

      „Ob er Sie nicht bitten wird, zur Vollendung dieser Weihnachtsgabe einmal Modell für die eigenartig schöne Beleuchtung zu sitzen?“

      Amarant errötete: „Wenn es nicht anmassend erscheint, dass ich mein armselig bescheiden Köpflein für den Himmelsglanz einer Madonna darbiete, so wird es im Interesse des Kunstwerks geschehen.“

      Im Nebenzimmer klirrten Sporen.

      Herr von Savaburg trat ein.

      „Spät kommst du, doch du kommst!“

      „Der Tragöde würde allsogleich den geliebten Shakespeare zitieren: last not least.“

      Amarant wies lächelnd auf das Bild: „Von einem Deutschen ganz nachempfunden und von mir in vollster Anerkennung weitergegeben.“

      Da zog er die kleine Hand, welche sich ihm bei diesen Worten darbot, voll ritterlichen Danks an die Lippen.

      Das alte Jahr war mit Glocken- und Gläserklang zu Grabe geläutet.

      Es dämmerte wohl ein neues Jahr im Osten, aber die Sonne, welche mit dem alten versunken war, stieg nicht herauf.

      Grau in Grau.

      Sigurd von Savaburg schritt nachdenklich durch den feinen Sprühregen.

      Es tat ihm so leid, dass die Sonne nicht schien.

      Wenn man selber so fröhlich und guter Dinge ist, möchte man, dass alles mitlacht, vor allem die Sonne am Himmel droben.

      Wie schön war das Leben! Schöner als je zuvor.

      Wie reich, behaglich und bequem das moderne Leben, wie prunken Wissenschaft und Industrie mit vollendetem Können, wie hat die alte Mutter Erde sich geschmückt mit Blüten und Früchten einer jeglichen Art!

      Glühend heiss pulsiert das Leben in dem Weltenkörper, und in rastlosem Schaffen strebt die Menschheit höchsten Zielen und Idealen entgegen.

      Sigurds Augen leuchten noch in dem Gedanken an den ungeteilten Beifall, den seine Bilder gefunden.

      Die liebenswürdige, so sehr sympathische kleine Amarant hat ihr Köpfchen dargeboten, dass er wie durch ein Wunder etwas unbeschreiblich Schönes und Eigenartiges schaffen konnte.

      Leuchtendes Blondhaar auf dem Haupt der Madonna.

      Wahrlich, es ist keine Farbe mehr, es glänzt und leuchtet wie göttliche Klarheit.

      Bescheiden wehrte er allen Dank ab. „Ein Transparent ist ja an und für sich ein Lichtbild, das bedeutet für mich weder Können noch Ruhm.“

      Nun hatte er aber etwas versucht, was noch niemand wusste, auch nicht zu erfahren brauchte, bis es so meisterlich geglückt war, wie er es sich in seiner gottbegnadeten Phantasie verstellte.

      Er malt das Bild zum zweitenmal, und zwar diesmal als Ölgemälde auf Leinwand.

      Amarant stellt ihm abermals ihr goldiges Köpfchen in der lang gesuchten und endlich gefundenen richtigen Beleuchtung zur Verfügung, und es scheint, als solle er wahrlich das Ideal, das ihm vorschwebt, verkörpern.

      Das erfüllt ihn mit einem Gefühl erhebender Schaffensfreude und künstlerischer Genugtuung.

      Er hat seinen Säbel, die Uniform zu liebgewonnen, um sich jetzt schon davon zu trennen.

      Warum auch?

      Noch lassen sich Kunst und Prosa ganz gut vereinen!

      Er will den Pegasus gewiss nicht zum trivalen Krempergaul erniedrigen, die feurige „Schecke“, wie Amarant gescherzt, trägt ihn in glücklichem Wechselflug hoch über das Alltagsleben hinaus, von der Erde zum Parnass! Amarant!

      Es war wirklich auch noch ein Gnadengeschenk des alten Jahres, dass es ihnen dieses allerliebste Mädel unter den Christbaum legte!

      Nun hat ja sein Mütterchen, was sie schon so lange argwöhnisch und vorsichtig gesucht, die allerliebste Gesellschafterin, eine junge Freundin, mit der sie täglich mehr oder völliger zu harmonieren scheint!

      Die Kleine hat ein so allerliebstes, frisches, heiteres und doch so vernünftiges Wesen, ganz so, wie es zum Umgang für Frau Agathe passt.

      Hoffentlich bekommt sie den Urlaub noch verlängert, dass sie nach ihrem Aufenthalt bei Strombecks noch eine Zeitlang zu gründlichem Kennenlernen bei der Patentante bleiben kann.

      Dass es auch ein gründliches „sich gegenseitiges Gefallen“ werden wird, daran zweifelt der Husar keinen Augenblick.

      Soeben ist er auf dem Weg zum Photographen.

      Er will sich seine neuesten Kabinetts selber abholen, falls sie zu stieselig ausgefallen sind! Er hatte sich letzthin in rechter Katerstimmung verewigen lassen, weil der verflossene Regimentskommandeur gern das Offizierkorps in effigie mitnehmen wollte und männiglich nach dem Liebesmahl noch in das Atelier von Günther & Pfaff zog.

      Die erste Aufnahme war direkter Reinfall; die Bilder sollten durch bessere ersetzt werden.

      Wollen sehen, ob es diesmal etwas geworden ist. Gerade in umgekehrter Weise besuchte er Günther & Pfaff, als er von der Beerdigung des guten treuen Fräulein Emma kam, ihrer Hausdame, mit der fast seine ganze Kindheit und Jugend verknüpft war. Ein Stück alten, lieben Hausinventars, das die arme Mama und ihn doch recht vereinsamt im Haus zurückliess.

      Wie gut, dass Amarant gerade jetzt kam, gerade, als wolle der liebe Gott die Lücke wieder ausfüllen, und für das Verlorene Ersatz schaffen.

      Langsam stieg er die Treppen nach dem Atelier des Photographen empor.

      Ein sehr junger Mensch empfing ihn.

      „Morgen, Verehrtester, kann ich die neueste Aufnahme meiner Bilder mal sehen? Wenn sie fertiggestellt sind, nehme ich sie gleich mit, — d. h. wenn Ihr Meister diesmal selber mit meiner Physiognomie einverstanden ist!“

      Der Jüngling lachte und dienerte.

      „Einen Augenblick, wenn ich bitten darf, Herr Leutnant! Herr Günther ist drunten in seiner Wohnung und muss erst gerufen werden. Heute nacht ist ein kleines Töchterchen geboren, und da kann sich der Chef nicht für lange Zeit trennen!“

      „Oh, ein Töchterchen! — Na, da kann man ja gratulieren! Herr Günther soll sich nur nicht zu sehr beeilen, komme ja gern noch ein andermal vor.“

      „Durchaus nicht, Herr Baron! Bitte nur um einen Augenblick!“

      Der Sprecher schoss dienstfertig davon, und Sigurd trat an einen Schrank, dessen Schubfächer weit geöffnet und mit Photographien angefüllt waren, und begann aus Langerweile, um sich die Zeit zu vertreiben, in den aufgehäuften Abzügen zu kramen.

      Allerlei bekannte und unbekannte Gesichter.

      Ganz amüsant.

      Sigurd verfügt über viel guten Humor, manchmal lacht er leise auf, wenn die Pose der Gelichtbilderten allzu theatralisch wirkt.

      Donnerwetter!

      Sigurd