starker Übelkeit und Schwindelsymptomatik, sodass sie zu der vorherigen Rotigotin Medikation zurückkehrte. Die Pflasterapplikation wurde – optisch für sie verträglicher – 2 und 4 mg verteilt.
Im weiteren Jahresverlauf traten immer häufiger motorische Fluktuationen auf, teilweise mit deutlichem »Wearing-OFF«. Dies wurde von ihr als große Beeinträchtigung empfunden.
Als (weibliche) Führungskraft in einem (Männer dominierten) internationalen Stahlunternehmen stehe sie unter großer Beobachtung. Eine möglichst unbeeinträchtigte Fassade und ein reibungsloser Bewegungsablauf waren und sind der Patientin daher besonders wichtig. Es wurde daher ein Behandlungsversuch mit 2 x 50 mg L-Dopa/Benserazid/Tag durchgeführt. Da diese Medikation keinen ausreichenden Effekt hatte und jetzt gelegentlich sogar ein »Freezing of Gait« auftrat, wurde die Medikation auf 2 x 50 mg L-Dopa/Carbidopa/Entacapon umgestellt. Gleichzeitig wurde Rasagilin gegen 50 mg, im Verlauf dann 100 mg Safinamid ausgetauscht. Amantadin und Rotigotin wurden in der bisherigen Dosierung beibehalten.
Sie entschloss sich Ende 2016 zu einem stationären Aufenthalt in einer Parkinsonfachklinik mit komplementären Therapieangeboten. Sie fühlte sich nach der Entlassung mit der dort vorgenommenen medikamentösen Einstellung auf 4 x 75 mg L-Dopa/Carbidopa/Entacapon, 20 mg Budipin, Safinamid und Rotigotin sehr gut beweglich.
Im September 2017 kam es zu Durchfällen, als deren Ursache Entacapon identifiziert wurde. Nach Umstellung auf 200 mg L-Dopa/Benserazid plus 50 mg Opicapon/Tag unter Beibehaltung der übrigen Medikamente fühlt sich die Patientin bis heute gut beweglich ohne motorische Fluktuationen.
Die Rückenschmerzen und Schulter-Armschmerzen der anfänglichen Krankheitszeit hatten sich auf ein erträgliches Maß zurückgebildet, das keiner anderen medikamentösen Intervention bedurfte.
»Olaf« war in seine Schranken verwiesen!
Im Mai 2018 klagte sie über krampfartige Schmerzen im linken Fuß. Die neurologische Anamnese und Untersuchung ergaben keine Hinweise auf eine Parkinson-bezogene »ON«- oder »OFF«-Fußdystonie. Orthopädisch wurde ein Fersensporn vermutet und entsprechend therapiert. Wegen anhaltender Beschwerden erfolgte eine native Röntgenaufnahme des Fußes. Diese zeigte Frakturen des 2. und 3. Strahles des Mittefußes. Eine fußchirurgische Therapie wurde eingeleitet.
Diskussion
Der Umgang mit Krankheiten hat sich im Allgemeinen durch das jederzeit abrufbare Wissen im Internet in den vergangenen 20 Jahren grundlegend geändert. Der Informationsgrad in der Gesellschaft hat erheblich zugenommen. Das hat natürlich auch Einfluss auf das Patienten-Arzt-Verhältnis.
Gewohnt im privaten und beruflichen Leben Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, werden Menschen, die erkranken, mit Auftreten von Symptomen, die sie in ihrer autarken Lebensweise beeinträchtigen, hilflos gemacht. Auf der Suche nach Hilfe werden neben Arztbesuchen regelhaft auch Internet Recherchen betrieben. Wie wir aus der Praxis wissen, führt diese vom subjektiven Leidensdruck bestimmte Suche nicht immer zielsicher zur richtigen Diagnose.
Die Beschwerden unserer Patientin mit Schmerzen der Wirbelsäule, aber auch der linken Schulter, wurden von orthopädisch-chirurgischen Fachärzten bei als passend gewerteten bildmorphologischen Befunden symptomatisch konservativ, cervikal infiltrativ und lumbal operativ behandelt. Anzunehmen ist, dass der Schulter-Arm Schmerz links ganz wesentlich, die Lumbalgien möglicherwesie teilweise durch den nicht-erkannten M. Parkinson bedingt war. Die Patientin selbst hat durch ihre Internetrecherche wesentlich dazu beigetragen, dass die Parkinson-Erkrankung diagnostiziert wurde. Dies geschah jedoch später als wünschenswert für eine beruflich stark geforderte junge Patientin, die früh und schnell bestmöglich therapiert werden sollte. Die verzögerte Diagnose war zum einen bedingt durch die ausschließliche Fokussierung auf orthopädische Probleme, zum anderen durch die dann lange Wartezeit auf einen Termin in einer Ambulanz für Bewegungsstörungen. Des Weiteren verzögerte sich eine suffiziente Behandlung, da der weiterbehandelnde Neurologe eine Frühtherapie bei objektiv fehlenden ausgeprägten Symptomen (Stadium 1 nach Hoehn und Yahr) laut Patientin zu jenem Zeitpunkt nicht für nötig erachtete.
Patienten sind heutzutage durch das Internet mündiger und informierter. Dadurch bedingt sind sie selbstbestimmter und gestalten das Procedere oft mit. Das ist zwar nicht immer zielführend, kann aber auch sinnvoll sein, wie in diesem Fall. Ärztlicher Rückzug in ablehnende Positionen ist kontraproduktiv. In Zukunft wird sich wahrscheinlich die Behandlung von Patienten zunehmend im Sinne eines kooperativen Arzt-Patienten-Verhältnisses gestalten und dem Arzt mehr als heute die Rolle des kritisch moderierenden Wissensvermittlers zu teil werden. Dies ist nicht immer einfach für den Behandler. Ein kooperatives Therapiebündnis zwischen Patientin und Neurologe bildet jedoch sicher in den meisten Fällen die Grundlage für einen stabilen Verlauf. Komplikationen können dadurch frühzeitiger erkannt und spezifisch behandelt werden.
Die im vorliegenden Fallbericht geschilderte Betroffene repräsentiert diesen Typus von Patient/Patientin, die in zunehmender Weise in neurologische Praxen kommen.
Der geschilderte Fall beinhaltet verschiedene Aspekte, mit denen Neurologen in der Praxis in der Behandlung von Parkinson-Patienten häufiger konfrontiert sein dürften.
Zum einen eine Fokussierung auf orthopädische Probleme bei einseitigem Schulter/Arm-Schmerz, insbesondere dann, wenn bildmorphologisch degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule passend oder scheinbar passend sind. Nicht berücksichtigt wird dann häufig, dass diese Beschwerden typische Frühzeichen eines Parkinson-Syndroms sein können und es so zu einer Verzögerung in der Diagnosestellung Parkinson kommt. Die Patientin hatte über mehrere Jahre starke Schmerzen, zunächst im Wirbelsäulenbereich, dann in der linken Schulter. Muskuloskelettale Schmerzen sind die häufigste Schmerzform bei Parkinson-Patienten und Orthopädie die Fachrichtung, die am häufigsten Schmerzen bei Parkinson-Patienten behandelt (Buhmann et al. 2017). Die konservativen (Analgetika) und die operative Therapie waren letztlich nicht erfolgreich. Erst nach Beginn der Anti-Parkinson-Therapie kam es dann zu einer anhaltenden Linderung der Schmerzen. Zum Thema der Schmerzbehandlung bei Parkinson finden sich in der Literatur nur wenige in der Praxis hilfreiche Empfehlungen (z. B. Buhmann et al. 2018). Nicht-motorische Symptome (NMS) mindern die Lebensqualität bei Parkinson-Patienten häufig stärker als motorische Symptome (Barone et al 2009) und basierend auf den Empfehlungen der Internationalen Movement Disorder Society (MDS) sind EBM-basierte Therapieempfehlungen erarbeitet worden. Im Update der MDS 2018 (Fox et al. 2018) finden sich Empfehlungen zur Behandlung der NMS bei Patienten mit IPS.