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Parkinson


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anderen zeigt der Fall, dass mündige und (auch durch das Internet) aufgeklärte Patienten oft selbst mit »Diagnosestellungen« in unsere Praxen kommen. Ein pauschales Ablehnen von »Internetwissen« bei Patienten ist in der heutigen und insbesondere zukünftigen Arzt-Patientenbeziehung nicht hilfreich. Ein dritter Aspekt dieses Falles ist die bis heute immer wieder vorkommende fehlende Therapieeinleitung nach Diagnosestellung durch den Arzt bei vermeintlich nicht relevanter Beeinträchtigung durch die Erkrankung. Dies kann verschiedene Gründe haben, oft aus Sorge vor Nebenwirkungen der Medikation, oder man möchte »sein Pulver zu früh verschießen« (»wait and watch policy«) oder auch aufgrund von Bedenken der Patienten »vor Chemie«. Es ist jedoch gezeigt worden, dass gerade zu Beginn der Erkrankung die relative Verschlechterung am größten ist und unbehandelte Patienten bereits neun Monate nach Diagnosestellung eine signifikant schlechtere Lebensqualität haben als behandelte (Grosset et al 2007). Dies ist besonders nachteilig, wenn es um junge, dynamische Patienten mit hohen Anforderungen im familiären und beruflichen Umfeld geht, d. h., wenn die Erkrankung die Patienten früh und in dieser »vulnerablen« Lebensphase trifft.

      image Aktive Mitwirkung der Patientin bei der Diagnosefindung image

      Gerade junge Patienten haben häufig deshalb den Druck, die Energie, aber auch die psychischen und physischen Kapazitäten, durch aktive Mitarbeit ihre Erkrankung alltagstauglich in den Griff zu bekommen. So hat unsere Patientin nicht nur aktiv an der Diagnosefindung mitgewirkt, sondern sich intensiv sportlich betätigt, psychologische Hilfe bei der Verarbeitung der Erkrankung der dadurch bedingten veränderten Lebensumstände geholt und für sich eine Coping Strategie entwickelt, mit der Bezeichnung »Olaf« statt »Parkinson«, um sich von der Erkrankung auch begrifflich nicht vereinnahmen zu lassen.

      image Probleme der Versorgungsstruktur image

      Der Fall weist auch auf ein Problem in der Versorgungsstruktur für Parkinson-Patienten hin. Auf der Suche nach einer auf Parkinson spezialisierten Behandlungsstelle wurde die Patientin im Internet fündig, wartete dann aber zehn Monate auf einen Untersuchungstermin in einer Bewegungsambulanz. Dies ist zwar eine im europäischen Vergleich übliche Wartezeit für neurologische Spezialambulanzen. Für die Betroffenen ist dies jedoch eine Zeit, in der eine Krankheit unbehandelt bleibt und sich große Unsicherheit und Ängste manifestieren können. Eine prädiagnostische Zeit mit fortschreitender Symptomatik wie im vorliegenden Fall von rückblickend mindestens drei Jahren ist in der Praxis nicht ungewöhnlich. Hier wird nochmals deutlich, dass trotz hohem Aufklärungsgrad einer kognitiv-intellektuellen Patientin auch eine dem deutschen Gesundheitssystem immanente Ressourcenknappheit an Bewegungsstörungszentren Anteil an einem verzögerten Therapiebeginn hat. Kurz gesagt, es gibt in Deutschland 2018 zu wenig solcher Ambulanzen/Zentren für Bewegungsstörungen, um der wachsenden Anzahl der Parkinson-Patienten gerecht zu werden (Heinzel et al. 2018).

      Da die Anzahl der Parkinson-Patienten in den nächsten Jahren epidemiologisch bedingt zunehmen wird, sind alle in der Behandlung und mit der Betreuung der Erkrankten befassten Berufsgruppen gefragt, die bestehenden Konzepte anzupassen. Drohender Fachärztemangel in Praxen, Pflegenotstand, zunehmende Single-Haushalte und damit Wegfall familiärer Unterstützungsstrukturen sind nur einige Probleme, die sich in den nächsten 20 Jahren als Herausforderungen für alle im Gesundheitswesen Tätigen und die Gesellschaft ergeben. Die momentanen Strukturen der Versorgung können diese bereits in Anfängen erkennbare Situation nicht auffangen. Dabei wäre es sinnvoll und erhellend, wenn nicht notwendig, einen Blick in andere Systeme wie z. B. das der Niederlande zu werfen. Hier besteht beispielweise in Nijmegen mit »parkinsonnet« ein Netzwerk mit über 3.000 Helfern, vom Neurologen über Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Pflegekräften, unterstützt von der holländischen Parkinson-Patientenbewegung und wissenschaftlich begleitet durch die Universität Nijmegen (www.parkinsonnet.info).

      image Neue Ansätze der Versorgung image

      In Deutschland gibt es neue Ansätze der Versorgung, die vielversprechend sind. Ein Beispiel ist die ambulante Video-unterstützte Therapie, die in zunehmenden Maß von den Krankenkassen genutzt wird. Auch »Wearables« und »Apps« gewinnen an Bedeutung, da Bewegungsprofile den Behandlern einen Überblick über den Tag oder eine Woche vermitteln können, um so die Therapie den Bedürfnissen der Patienten und dem Krankheitsverlauf anzupassen (Klucken et al. 2019). Neben der Entwicklung neuer Medikamente sind es diese technischen Helfer, die uns vor allen Dingen den Verlauf der fortgeschrittenen Krankheit zwischen den Praxisbesuchen verstehen hilft. Ferner wurden bereits erste spezifische Tageskliniken für Parkinson-Patienten in Deutschland etabliert, um ein Angebot für die Patienten zu schaffen, die für eine rein ambulante Versorgung zu (zeit)aufwändig sind, aber noch nicht zwingend stationär behandelt werden müssen (Frundt et al. 2018).

      image Sinnvoll vernetzte Versorgungsstruktur image

      In späteren Krankheitsstadien besteht die Problematik, dass Patienten nach Umzug in ein Pflegeheim aus der zuvor etablierten Versorgungsstruktur herausfallen. Oft endet damit auch die neurologische Behandlung in der bisherigen Praxis. Komplikationen sind dann die Regel. Hausärzten werden ein komplexes Therapiemanagement und erhebliche Behandlungskosten unter dem Damoklesschwert eines Regresses zugemutet. Insbesondere die Weiterführung einer komplexen Therapie im weit fortgeschrittenem Krankheitsstadien ist dann gefährdet. Natürlicher Krankheitsverlauf in Kombination mit externen Faktoren führen regelhaft zu Komplikationen. Der im August 2018 gefasste Beschluss der Landesregierung NRW, die Gründung einer Pflegekammer wie schon in einigen Bundesländern bestehend zu unterstützen und damit eine Aufwertung dieses Berufes zu betreiben, ist ein kleiner Hoffnungsschimmer in Richtung einer Verbesserung der Pflegesituation. Damit besteht die Möglichkeit von Beginn an sinnvoll vernetzte Therapiestrukturen im ambulanten und Heimsektor zu schaffen. Den Betroffenen käme es zugute und die Kosten für die Behandlung von Komplikationen durch unzureichende Pflege könnten gesenkt werden. Eine sinnvoll vernetzte Versorgungsstruktur ist in der Lage, den Anforderungen der wachsenden Patientenzahlen gerecht zu werden (Eggers et al. 2018) Dabei sind technische Systeme und patientennahe Betreuung durch zu Spezialnurses ausgebildete MFA von wesentlicher Bedeutung. Erste Entwicklungen in diese Richtung zeichnen sich ab (Kruger et al. 2017). Krankenkassen und Politik bewegen sich in der ihnen eigenen Dynamik in die grundsätzlich richtige Richtung.

      Es bleiben aber trotz neuer Ansätze gegenwärtig und in absehbarer Zukunft erhebliche Probleme und Engpässe in der ambulanten Versorgung von Parkinson-Patienten bestehen. Es gibt viel zu tun!

      Literatur

      Barone P, Antonini A, Colosimo C et al. (2009) The PRIAMO study: A multicenter assessment of nonmotor symptoms and their impact on quality of life in Parkinson’s disease. Mov Disord 24(11): 1641–1649.

      Buhmann C, Ip CW, Oehlwein C et al. (2018) Parkinson Disease and Pain – diagnostic and therapeutic approaches to a challenging non-motor symptom. Fortschr Neurol Psychiatr 86(S 01): S48–S58.

      Buhmann C, Wrobel N, Grashorn W et al. (2017) Pain in Parkinson disease: a cross-sectional survey of its prevalence, specifics, and therapy. J Neurol 264(4): 758–769.

      Eggers C, Dano R, Schill J et al. (2018) Patient-centered integrated healthcare improves quality of life in Parkinson’s disease patients: a randomized controlled trial. J Neurol 265(4): 764–773.

      Fox SH, Katzenschlager R, Lim SY et al. (2018) International Parkinson and movement disorder society evidence-based medicine review: Update on treatments for the motor