Verlauf und Ausprägung
Bei Parkinson-Syndromen handelt es sich um eine Gruppe chronischer, progredienter Erkrankungen, die sich neben den klassischen motorischen Symptomen mit einer Vielzahl nicht-motorischer Symptome zeigen kann. Verlauf und Ausprägung sind dabei stark individuell. Abbildung 1.1 gibt einen Überblick über häufg vorliegende nicht-motorische Symptome beim idiopathischen Parkinson-Syndrom (in Anlehnung an Jost 2017).
Abb. 1.1: Überblick über häufg vorliegende nicht- motorische Symptome beim idiopathischen Parkinson-Syndrom
Die Diagnosestellung stützt sich großteils auf den klinischen Untersuchungsbefund. Technische Untersuchungen dienen hauptsächlich der Stützung des Verdachts und dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Durch einen geübten Untersucher kann der Verdacht auf ein Parkinson-Syndrom bereits bei geringer Symptomausprägung gestellt werden, häufig werden insbesondere ältere Patienten aber erst bei bereits fortgeschrittener Symptomatik neurologisch vorgestellt. Gerade Gangstörungen werden von den Patienten als normale Alterserscheinung gewertet oder auf beispielsweise Rücken- oder Gelenkprobleme geschoben. Da es sich in der Regel um eine Erkrankung des höheren Alters handelt, liegen diese tatsächlich häufig koinzidentiell vor. So werden Patienten teils langjährig orthopädisch vorbehandelt, bevor die Diagnose eines Parkinson-Syndroms gestellt wird. Anders verhält es sich bei Tremor. Hier stellen die Patientin bereits selbst oft die Verdachtsdiagnose eines Parkinson-Syndroms, nicht selten allerdings auch bei Tremor anderer Genese.
Bei der Untersuchung von Patienten mit dem Verdacht auf eine Parkinson-Erkrankung sollte neben den motorischen Symptomen, die zur Diagnosestellung führen, auch auf nicht-motorische Symptome geachtet werden. Da ein kausaler Zusammenhang für Patienten nicht immer direkt ersichtlich ist, werden einzelne Symptome häufig nicht spontan berichtet und sollten daher gezielt abgefragt werden. Ein standardisiertes Vorgehen, z. B. an Hand einer Checkliste wie dem PD NMS Questionnaire steht auch in deutscher Sprache zur Verfügung und erleichtert die Erhebung der Befunde (Storch et al. 2010). Die klinische Diagnosestellung sollte sich prinzipiell immer an den aktuellen Leitlinien wie z. B. von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN; S3-Leitlinie »Idiopathisches Parkinson-Syndrom«) oder der Movement Disorder Society (MDS) orientieren (Postuma et al. 2015). Im aktuellen Fall sollten insbesondere die Schmerzbeschwerden ausführlich evaluiert werden, da diese ein häufiges Symptom bei Parkinson-Erkrankungen sein können und wesentlich zu Reduktionen in der Lebensqualität führen (Buhmann 2018). Eine Zusammenfassung der wichtigsten nicht-motorischen Aspekte ist kürzlich in einer Übersichtsarbeit erschienen (
Weiterhin ist auf anamnestische Hinweise oder klinische Zeichen für eine atypische Verlaufsform oder ein symptomatisches sekundäres Parkinson-Syndrom zu achten. Da diese teils erst im Verlauf auftreten, sollte die Verdachtsdiagnose eines idiopathischen Parkinson-Syndroms gerade in der Anfangsphase bei jeder Untersuchung kritisch hinterfragt und gegebenenfalls revidiert werden. Eine Unterscheidung ist hier besonders aus prognostischen Gründen relevant.
Bei klinischem Anhalt für ein idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS) ist der Patient über die Verdachtsdiagnose aufzuklären. Hierbei sollte klargestellt werden, dass es sich um eine chronische, fortschreitende und nicht heilbare Erkrankung handelt. Eine eindeutige Prognose des Verlaufs ist aber nicht möglich, da Fortschreiten und Ausprägung der Symptome höchst individuell sind. Im Allgemeinen ist der Tremor-dominante Typ im Vergleich zu anderen Subtypen mit einem eher günstigen Krankheitsverlauf vergesellschaftet. Patienten sollten darüber informiert werden, dass ein großes Spektrum an medikamentösen und teils auch invasiven Therapiemöglichkeiten besteht mit denen in der Regel eine langjährige gute Symptomkontrolle möglich ist. Übertriebene Heilsversprechung sollten aber vermieden werden. Durch Erkrankungsfälle in der Familie oder im Bekanntenkreis oder aus den Medien bringen Patienten eine bestimmte Vorstellung über die Erkrankung mit. Diese sollte abgefragt und falls nötig korrigiert bzw. in den richtigen Kontext gesetzt werden. Wichtig ist es, dass der Patient die Krankheit als Teil seines zukünftigen Lebens akzeptiert und lernt, diese in seinen Alltag zu integrieren. Ein Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen oder über spezialisierte Internetforen kann die Krankheitsverarbeitung erleichtern. In bestimmten Fällen, insbesondere bei ausgeprägter depressiver Symptomatik, kann auch eine psychiatrisch-psychotherapeutische Mitbehandlung sinnvoll sein.
Die aktuelle Studienlage deutet daraufhin, dass ein Therapiebeginn bei Diagnosestellung den Krankheitsverlauf insgesamt positiv beeinflusst. Ein hochdosierter Levodopa (L-Dopa)- oder Apomorphin-Test kann bei Zweifel an der Diagnose weiterhelfen (Albanese et al. 2001). Ein negatives Ansprechen schließt aber die Diagnose eines IPS nicht grundlegend aus, d. h. es sollte bei klinischem Verdacht auf ein IPS trotz negativem Test ein Behandlungsversuch bevorzugt mit L-Dopa eingeleitet werden, da nach einer Metaanalyse die chronische L-Dopa Gabe sensitiver und spezifischer zwischen einem IPS und atypischen Parkinson-Syndrom (APS) unterscheidet als eben genannte akute dopaminerge Tests. Die Wahl des initialen Präparats sollte nach Art und Stärke der Symptomatik getroffen werden. Eine initiale Therapie mit L-Dopa sollte aufgrund der bei längerfristigen Einnahme häufigen Wirkfluktuationen bei jüngeren Patienten eher zurückhaltend erfolgen und kann bei älteren Patienten etwas großzügiger eingesetzt werden. Bei erheblicher Beeinträchtigung oder Notwendigkeit eines schnellen Wirkeintritts kann diese aber auch bei jüngeren Patienten erwogen werden. Hierbei wird aus Expertensicht zur Vermeidung von Wirkfluktuationen vorgeschlagen, dass Frauen nicht mehr als 4 mg/kg Körpergewicht und Männer nicht mehr als 5–6 mg/kg/Tag L-Dopa erhalten, da höhere Dosen motorische Komplikationen begünstigen (Sharma et al. 2008). Bei Therapie mit Dopaminagonisten müssen die Patienten und nach Möglichkeit auch Angehörige über die potenziellen Nebenwirkungen informiert werden. Gerade Impulskontrollstörungen (IKS) mit aggressiven Tendenzen oder Hypersexualität können zu erheblichen Zerrüttungen im persönlichen Umfeld führen. Kauf- oder Spielsucht können existenzbedrohende finanzielle Schwierigkeiten verursachen. Daher ist es wichtig, dass IKS bereits im Frühstadium erkannt werden und eine rechtzeitige Therapieumstellung erfolgt. Mögliche Einschlafattacken, die teils unvermittelt und ohne vorherige Müdigkeitszeichen auftreten können, schränken die Fahrtüchtigkeit ein und sind insbesondere für Patienten, die berufsmäßig