für bestimmte Klienten offeriert. Gemäß Thole wird mit dem Begriff Profession »das gesamte fachlich ausbuchstabierte Handlungssystem, also die berufliche Wirklichkeit eines Faches« beschrieben, der Begriff bezeichne »die Realität der hier beruflich engagierten Personen sowie die von ihnen offerierten Hilfe-, Beratungs- und Bildungsleistungen auf der Basis der von der Gesellschaft an sie adressierten Ansprüche und Wünsche« (2012a:21).
Aufgrund dieser kurzen Umschreibungen von Disziplin und Profession zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Systemen. Professionen zeichnen sich aus durch Handlungsorientierung, sie zielen ab auf Veränderung von Situationen oder Personen. In der Disziplin hingegen ist Handlungsentlastetheit eine unabdingbare Bedingung für die Möglichkeit wissenschaftlicher Tätigkeit. Die Profession der Sozialen Arbeit zielt also auf Wirksamkeit – und dabei muss sie sich stets fragen, ob das Handeln dem Kriterium Angemessenheit genügt, d. h., ob es geeignet war oder nicht. In einer wissenschaftlichen Disziplin hingegen geht es darum, mittels Forschung, Produktion und Reflexion von Theorien Welt- und Gesellschaftsbilder zu kreieren und zu beeinflussen. Die Disziplin setzt auf Wahrheit und Richtigkeit, ihre Argumentationen müssen schlüssig sein (vgl. Merten 2013a; Merten 2002; Thole 2012a; Stichweh 1994).
Abb. 1: Differenz Disziplin – Profession (Merten 2002:44)
Inwiefern diese beiden Systeme – Disziplin und Profession – in einem hierarchischen Verhältnis zu einander stehen (weil theoretisches Wissen höher zu bewerten ist) oder aber zwar divergent, aber gleichwertig sind, wird vielfach diskutiert. In der Sozialen Arbeit gilt das Verhältnis von Theorie und Praxis in besonderer Weise als problematisch. Die Kluft zwischen den Welten des beruflichen Alltags der Professionellen und des Wissenschaftssystems sei groß, konstatiert beispielsweise Schone (vgl. 2008:981), das Verhältnis zwischen den Angehörigen der beiden Gruppen sei distanziert und durch Vorurteile geprägt. Idealerweise bereichern, durchdringen und befruchten sich die beiden Systeme gegenseitig: Professionelle nutzen wissenschaftliches Wissen um einen konkreten Einzelfall einordnen und verstehen zu können und auf dieser Basis Interventionen planen zu können. Wissen ist eine notwendige Voraussetzung für professionelles Handeln. Gleichzeitig lassen sich aus wissenschaftlichem Wissen keine Regeln für das konkrete berufliche Handeln im Einzelfall ableiten, ist der ›Nutzen‹ von wissenschaftlichem Wissen immer beschränkt. Auch wenn es unabdingbar ist, den konkreten Einzelfall auf der Folie des Allgemeinen beleuchten zu können, so reicht das theoretische Wissen nie aus, um das konkrete Handeln im Fall bestimmen zu können. Professionelle der Sozialen Arbeit müssen nicht nur in der Lage sein, wissenschaftliches Wissen auf den Fall zu übertragen, zu transformieren, sondern darüber hinaus auch zu verknüpfen mit den Informationen von Klientinnen zu ihrer Lebenssituation und zu ihrer eigenen Deutung dieser Situation (vgl. u. a. Merten 2013a:670;
2.2 Praxisfelder, Professionsauftrag und Grundorientierungen
Im vorangehenden Kapitel haben wir bereits auf die Vielseitigkeit der Aufgaben der Sozialen Arbeit und auf den historischen Prozess der zunehmenden Ausdifferenzierung von Praxisfeldern und Hilfeangeboten hingewiesen. Dieser Prozess kann nur verstanden werden vor dem Hintergrund des sozialen Wandels und der zunehmenden Komplexität der Gesellschaft. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts lässt sich der gesellschaftliche Modernisierungsprozess umschreiben mit den Stichworten Enttraditionalisierung von Milieus und Sozialformen sowie Pluralisierung der Lebensformen, Strukturwandel der Institution Familie, Krise der (Erwerbs-)Arbeitsgesellschaft, Erosion der sog. Normalarbeitsbiografie, Entkoppelung von Bildung und Beruf, demografischen Veränderungen (u. a. in Bezug auf das Alter), Veränderung der Geschlechterrollen, Strukturwandel der Jugendphase etc. (vgl. u. a. Chassé/von Wensierski 2004a:10 f.; Parpan-Blaser 2005:136). Im Zeitalter von Globalisierung und Wissensgesellschaft ändern sich die sozialen Probleme und die Muster sozialer Ungleichheit und Benachteiligung immer schneller – und damit verändern sich stets auch die Aufgaben sozialer Integration.
2.2.1 Praxisfelder
Die Antwort der Sozialen Arbeit auf den beschleunigten gesellschaftlichen Wandel lässt sich zunächst als Expansion beschreiben, als quantitativer Ausbau ihrer Angebote. Einerseits wurden neue Aufgabenfelder erschlossen, andererseits vollzog sich innerhalb der Aufgabenfelder eine Diversifizierung und Spezialisierung der Angebote, die auf eine höhere Qualität der Hilfe hinweisen. Otto/Thiersch (2011:V) sprechen von einer sektoralen und strukturellen Differenzierung, welche die »Expansion als Profession und Disziplin« begleitet habe. Der quantitative und qualitative Ausbau ging einher mit einem umfassenden Professionalisierungsprozess, einer Verrechtlichung und Versozialwissenschaftlichung der Tätigkeiten und Aufgabenbereiche, konstatieren Chassé/von Wensierski (2004a:9).
Systematisierungsmöglichkeiten des Feldes
Das herausragende Merkmal des Feldes der Sozialen Arbeit ist heute die große Heterogenität. Entsprechend schwierig ist es, dieses Feld zu systematisieren. (Nebenbei bemerkt zeigt sich hier außerdem eine begriffliche Schwierigkeit, werden doch die Begriffe Handlungsfelder, Praxisfelder, Arbeitsfelder und Aufgabenfelder in der Literatur uneinheitlich verwendet.) Als Kriterien für die Einteilung der Einrichtungen und Maßnahmen der Sozialen Arbeit werden beispielsweise vorgeschlagen (vgl. Parpan-Blaser 2005:135; Müller 2013:758 f.):
• Problemstellung (z. B. Abhängigkeit, Erwerbslosigkeit, soziale Auffälligkeit, Entwicklungsbeeinträchtigung, u. a. m.),
• Zielgruppe nach Problemstellung (z. B. wohnungslose Menschen, Menschen mit Entwicklungsbeeinträchtigungen, straffällige Jugendliche und junge Erwachsene, u. a. m),
• Zielgruppe nach biografischen Stationen im Lebenslauf (z. B. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Alte),
• Methode/Angebot (z. B. Beratung, Bildungsarbeit, Unterstützung, Prävention),
• Organisationsform (z. B. aufsuchende Soziale Arbeit, Heimerziehung, Beratungsstellen, polyvalenter Sozialdienst, psychiatrische Tagesklinik etc.).
Chassé/von Wensierski haben ihren Versuch einer konsistenten Gliederung des Feldes für den Sammelband ›Praxisfelder der Sozialen Arbeit‹ (2004a) verglichen mit dem Bemühen von Sisyphos (vgl. ebd.:13). Auf ihre etwas komplizierte Systematik soll hier kurz eingegangen werden, um die Schwierigkeit einer Einteilung deutlich zu machen. Sie nehmen einerseits die sozialpädagogische Traditionslinie mit der ›Sozialpädagogisierung der Lebensalter‹ auf und unterscheiden dabei die drei Bereiche Kinder- und Jugendhilfe, Erziehungs- und Familienhilfen sowie Altenhilfe. In einem zweiten Teil nehmen sie die These der Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Sozialen Arbeit auf und stellen Artikel zu Sozialer Arbeit in spezifischen Bereichen zusammen, welche in den letzten 30 Jahren als eigenständige, professionalisierte und hoch spezialisierte Aufgabenfelder der Sozialen Arbeit entstanden seien (Beratung, Sexualerziehung, Soziale Dienste im Gesundheitswesen, Sozialpsychiatrie, Strafvollzug, schließlich Migration und Soziale Arbeit sowie Selbsthilfe, u. a. m.). Zwei Bereiche jedoch konnten in diese Systematik nicht integriert werden und werden daneben gestellt: Die Frauenbewegung und ihre Institutionen (Fraueninitiativen und -projekte sowie Frauenhäuser), und das Thema Armut und Benachteiligung im Sozialstaat (mit den spezifischen Ansätzen der Sozialen Arbeit mit Randgruppen, Sozialhilfe, Schuldnerberatung, Arbeitslosenarbeit).
Heiner (2010:88 ff.) greift in ihrer Gliederung der Aufgabenfelder Sozialer Arbeit zunächst die Etappen des Lebenslaufs auf (›Altersgruppe, Lebensphase‹), darüber hinaus führt sie eine zielbezogene Aufgabengliederung ein, die sie mit den Begriffen Personalisation, Qualifikation, Reproduktion, Rehabilitation und Pflege sowie Resozialisation umschreibt.
Thole