Heinrich von Kleist

Die bekanntesten Theaterstücke


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noch das Leben

       In diesem warmen Busen freudig fühlen?

       Ich, solcher Gnad Unwürdg'? Ich, Sünderin?

      JUPITER:

       Ob du der Gnade wert, ob nicht, kömmt nicht

       Zu prüfen dir zu. Du wirst über dich, Wie er dich würdiget, ergehen lassen. Du unternimmst, Kurzsicht'ge, ihn zu meistern, Ihn, der der Menschen Herzen kennt?

      ALKMENE:

       Gut, gut, Amphitryon. Ich verstehe dich,

       Und deine Großmut rührt mich bis zu Tränen,

       Du hast dies Wort, ich weiß es, hingeworfen,

       Mich zu zerstreun – doch meine Seele kehrt

       Zu ihrem Schmerzgedanken wiederum zurück.

       Geh du, mein lieber Liebling, geh, mein Alles,

       Und find ein andres Weib dir, und sei glücklich,

       Und laß des Lebens Tage mich durchweinen,

       Daß ich dich nicht beglücken darf.

      JUPITER:

       Mein teures Weib! Wie rührst du mich?

       Sieh doch den Stein, den du in Händen hältst.

      ALKMENE:

       Ihr Himmlischen, schützt mich vor Wahn!

      JUPITER:

       Ist's nicht sein Nam. Und war's nicht gestern meiner?

       Ist hier nicht Wunder alles, was sich zeigt?

       Hielt ich nicht heut dies Diadem noch in

       Versiegeltem Behältnis eingeschlossen?

       Und da ich's öffne, dir den Schmuck zu reichen,

       Find ich die leere Spur nicht in der Wolle?

       Seh ich's nicht glänzend an der Brust dir schon?

      ALKMENE:

       So soll's die Seele denken? Jupiter?

       Der Götter ew'ger, und der Menschen, Vater?

      JUPITER:

       Wer könnte dir die augenblickliche

       Goldwaage der Empfindung so betrügen?

       Wer so die Seele dir, die weibliche,

       Die so vielgliedrig fühlend um sich greift,

       So wie das Glockenspiel der Brust umgehn,

       Das von dem Atem lispelnd schon erklingt?

      ALKMENE:

       Er selber! Er!

      JUPITER:

       Nur die Allmächt'gen mögen

       So dreist, wie dieser Fremdling, dich besuchen,

       Und solcher Nebenbuhler triumphier ich!

       Gern mag ich sehn, wenn die Allwissenden

       Den Weg zu deinem Herzen finden, gern,

       Wenn die Allgegenwärtigen dir nahn:

       Und müssen nicht sie selber noch, Geliebte,

       Amphitryon sein, und seine Züge stehlen,

       Wenn deine Seele sie empfangen soll?

      ALKMENE:

       Nun ja.

      Sie küßt ihn.

      JUPITER:

       Du Himmlische!

      ALKMENE:

       Wie glücklich bin ich!

       Und o wie gern, wie gern noch bin ich glücklich!

       Wie gern will ich den Schmerz empfunden haben,

       Den Jupiter mir zugefügt,

       Bleibt mir nur alles freundlich wie es war.

      JUPITER:

       Soll ich dir sagen, was ich denke?

      ALKMENE:

       Nun?

      JUPITER:

       Und was, wenn Offenbarung uns nicht wird,

       So gar geneigt zu glauben ich mich fühle?

      ALKMENE:

       Nun? Und? du machst mir bang –

      JUPITER:

       Wie, wenn du seinen

       Unwillen – du erschrickst dich nicht, gereizt?

      ALKMENE:

       Ihn? Ich? gereizt?

      JUPITER:

       Ist er dir wohl vorhanden?

       Nimmst du die Welt, sein großes Werk, wohl wahr?

       Siehst du ihn in der Abendröte Schimmer,

       Wenn sie durch schweigende Gebüsche fällt?

       Hörst du ihn beim Gesäusel der Gewässer,

       Und bei dem Schlag der üpp'gen Nachtigall?

       Verkündet nicht umsonst der Berg ihn dir

       Getürmt gen Himmel, nicht umsonst ihn dir

       Der felszerstiebten Katarakten Fall?

       Wenn hoch die Sonn in seinen Tempel strahlt

       Und von der Freude Pulsschlag eingeläutet,

       Ihn alle Gattungen Erschaffner preisen,

       Steigst du nicht in des Herzens Schacht hinab

       Und betest deinen Götzen an?

      ALKMENE:

       Entsetzlicher! Was sprichst du da? Kann man

       Ihn frömmer auch, und kindlicher, verehren?

       Verglüht ein Tag, daß ich an seinem Altar

       Nicht für mein Leben dankend, und dies Herz,

       Für dich auch du Geliebter, niedersänke?

       Warf ich nicht jüngst noch in gestirnter Nacht

       Das Antlitz tief, inbrünstig, vor ihm nieder,

       Anbetung, glühnd, wie Opferdampf, gen Himmel

       Aus dem Gebrodel des Gefühls entsendend?

      JUPITER:

       Weshalb warfst du aufs Antlitz dich? – War's nicht, Weil in des Blitzes zuckender Verzeichnung Du einen wohlbekannten Zug erkannt?

      ALKMENE:

       Mensch! Schauerlicher! Woher weißt du das?

      JUPITER:

       Wer ist's, dem du an seinem Altar betest?

       Ist er's dir wohl, der über Wolken ist?

       Kann dein befangner Sinn ihn wohl erfassen?

       Kann dein Gefühl, an seinem Nest gewöhnt,

       Zu solchem Fluge wohl die Schwingen wagen.

       Ist's nicht Amphitryon, der Geliebte stets,

       Vor welchem du im Staube liegst?

      ALKMENE:

       Ach, ich Unsel'ge, wie verwirrst du mich.

       Kann man auch Unwillkürliches verschulden?

       Soll ich zur weißen Wand des Marmors beten?

       Ich brauche Züge nun, um ihn zu denken.

      JUPITER:

       Siehst du? Sagt ich es nicht? Und meinst du nicht, daß solche

       Abgötterei ihn kränkt? Wird er wohl gern

       Dein schönes Herz entbehren? Nicht auch gern

       Von dir sich innig angebetet fühlen?

      ALKMENE:

       Ach, freilich wird er das. Wo ist der Sünder,