Horst Klengel

Isolatoren und Armaturen für Isolatorketten in Starkstrom-Freileitungen


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den Freileitungen mit Spannungen über 30 kV eine Verdrängung der Stützerbauweise durch die Hängerbauweise mit "Ketten-Isolatoren". Das Prinzip der starren Befestigung des Isolators am Mast wurde verlassen.

      Stütz-Isolatoren besitzen gegenüber den Ketten-Isolatoren einige entscheidende Nachteile, die ihre Anwendung für Hochspannungs-Freileitungen moderner Bauart in Frage stellen:

       * Die feste Verbindung des Leiterseiles mit dem Isolator und die des Isolators mit dem Mast, bildet ein starres System, welches Isolator, Seil, Mast und Gründung zusätzlich belastet.Durch das elastische System der Ketten-Isolatoren wird eine höhere Betriebssicherheit gegenüber äußeren Einwirkungen, wie Sturm und ungleiche Eislast erreicht, da insbesondere die aus Ketten-Isolatoren gebildeten Tragketten durch Ausweichen die Belastungen auf mehrere Spannfelder verteilen können.

       * Die mehrscherbigen, zusammengesetzten Stützen-Isolatoren brachen nach einer Reihe von Jahren durch Kräfte, die infolge der unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Zement-Kittung und Porzellan zwischen den Einzelteilen des Isolatores entstanden. Der einheitliche keramische Aufbau der Ketten-Isolatoren vermeidet dieses Problem.

       * Den Größenabmessungen der Stützen-Isolatoren waren aus technischen und fabrikatorischen Gründen Grenzen gesetzt. Die Herstellungskosten für Stützen-Isolatoren für höhere Spannungen stiegen in viel stärkerem Maße, als die Spannung, die zu isolieren war. Die maximal mögliche Betriebsspannung, für die Stützen-Isolatoren noch hergestellt werden konnten, lag bei 75 kV.Bei Ketten-Isolatoren kann im Gegensatz dazu durch Aneinanderreihung von Einzelgliedem die jeweils gewünschte Isolation und Betriebsspannung erreicht werden. Durch Einfügung weiterer Einzelglieder läßt sich leicht die elektrische Sicherheit der Isolation erhöhen.

       * Die Sicherheit der Bunde zur Seilbefestigung am Stütz-Isolator ist sehr von den handwerklichen Fähigkeiten der Monteure abhängig. Die Befestigung des Leiterseiles an Isolatorketten aus Ketten-Isolatoren geschieht dagegen mittels Klemmen (Trag- und Abspannklemmen), deren Haltekraft wesentlich weniger von der Montage-Qualität abhängt.

      Aus diesen Gründen entschied man sich bereits 1910 bei der Projektierung der ersten europäischen 110-kV-Freileitung von Lauchhammer nach Riesa für den Einsatz von Ketten-Isolatoren.

      Auch die 1924 einsetzende Entwicklung des Freileitungs-Stützers konnte die oben genannten Nachteile der Stützen-Isolatoren für Freileitungen mit Nennspannungen über 100 kV nicht beseitigen. Erst die Entwicklung der Ketten-Isolatoren, mit denen durch Aneinanderreihung von einzelnen Isolatoren, die durch Metallteile verbunden werden, beliebig lange Isolierstrecken hergestellt werden konnten, brachte den entscheidenden Fortschritt im Hochspannungs-Freileitungsbau.

      1936 sah man die Hauptvorteile der Ketten-Isolatoren in folgenden Punkten:

       * leichte Lagerhaltung,

       * Unterteilung der Spannung auf mehrere Isolatoren,

       * hohe Überschlags- und Durchschlagsicherheit,

       * geringe Überbrückungsmöglichkeiten durch Zweige und Vögel,

       * Ermöglichung großer Spannweiten,

       * leichte Auswechselmöglichkeit beschädigter Einzelglieder,

       * das Leiterseil ist nicht unmittelbar am Isolator befestigt.

      1.2.1. Schlingen-Isolatoren

      Aus der Forderung heraus, Porzellan mechanisch nur auf Druck zu beanspruchen, führte die Entwicklung von Ketten-Isolatoren zunächst zu Isolatorenformen, die auf dem Grundprinzip des "Isolier-Eies" beruhten (Bild 221).

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       Bild 221: Grundprinzip des Isolier-Eies

      

      Die ersten brauchbaren Isolatoren nach diesem Prinzip entstanden 1907 in den USA in Form der "Hewlett-Isolatoren", in Deutschland "Sehlingen-Isolatoren" genannt (Bild 222 und 223). Sie wurden zuerst von der General Electric Co. (USA) hergestellt und bereits bei der 110-kV-Freileitung Grand Rapids Muskegon eingesetzt.

      

       Bild 222: Original-Hewlett-Hängeisolator

      

       Bild 223: Original-Hewlet-Abspannisolator (link strain typ)

      Edward M. Hewlett erfand gemeinsam mit Harold W. Buck diesen Isolator, der in der ganzen Welt lange Zeit den Freileitungsbau beherrschte. So wurden u. a. auch

       - die erste kanadische 110-kV-Freileitung zwischen den Niagara-Fällen und Detroit (ca. 500 km) 1908 mit 5-gliedrigen Isolatorenketten aus Hewlett-Isolatoren,

       - ein System der Freileitung Lauta-Gröditz (Sachsen) und auch

       - die Freileitungen des Bayernwerkes der 1. Ausbaustufe damit ausgerüstet.

      In Deutschland wurde der Sehlingen-Isolator in 2 "normalisierten" Ausführungen hergestellt :

       - als Hängeisolator (Bild 224 ) und

       - als Abspannisolator (Bild 225).

      Die einzelnen Isolierkörper wurden dabei zunächst mit doppelt geführten Seilen, die durch einfache Doppelklemmen geklemmt waren, verbunden und später dann mit Seilschlingen aus Stahl- oder Kupferseil (Querschnitt 35 qmm oder 50 qmm) kettengliederartig umschlungen, so dass bei Bruch eines Isolierkörpers das Leiterseil nicht herabfallen konnte.

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       Bild 224: Hewlett-Hängeisolator, normalisierte deutsche AusführungBild 225: Hewlett-Abspannisolator, normalisierte deutsche Ausführung

      Die offenen Seilschlingen der Form "O" (Bild 227), die an den Enden mit Halbkugeln versehen waren, wurden bei der Montage zur Isolatorkette mit Schlingenverbindem verbunden (Bild 226), wobei sich in Deutschland der Schlingenverbinder nach Bay (AEG) besonders bewährte (Bild 226).

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       Bild 226: Seilschlingen und Schlingenverbinder am Hewlett-Isolator

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       Bild 227: Seilschlinge für Hewlett-Isolatoren (Form "O")

      Die mit einer durchgehenden Bohrung versehenen Halbkugeln an den Schlingenenden, wurden durch kleine Konen mit dem Schlingenseil verbunden.

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       Bild 228: Schlingenverbinder (System Bay) zum Schließen von Seilschlingen der Form "O"

      Der Bay-Schlingenverbinder besteht aus 2 gleichgeformten Schalen zur Aufnahme der Halbkugeln der Seilschlingenenden. Diese Schalen werden beidseitig durch übergeschobene Halbschalen zusammengehalten und durch Splinte gesichert (Bild 229).

      Ein weiterer Schlingenverbinder war die Konuskupplung der AEG.

      Seilschlingen der "O-Form" wurden zunächst nicht nur zur Verbindung der Einzelglieder angewandt, sondern mit Hilfe von Rollen auch zur Verbindung mit den Kettenzubehörteilen an den Enden der Isolatorkette (Bild 229 bis 231).

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       Bild 229: Doppel-Abspannkette mit Hewlett-Isolatoren und Seilschlingen Form "O"