Susanne Kabatnik

Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text


Скачать книгу

maschinelle Übersetzungsfehler Störfaktoren in der Untersuchung, sodass ich mich für die Zwecke der vorliegenden Arbeit für Vergleichskorpora entscheide.

      Bei Vergleichskorpora handelt es sich um Sammlungen von Originaltexten in verschiedenen Sprachen zu „einem vergleichbaren Diskursbereich“ (Lemnitzer/ Zinsmeister 2015: 138), d.h. zu einem gemeinsamen Thema bzw. zu einer Textsorte, wie z.B. einem deutschen (Wikipedia: Krim22) und einem polnischen Original-Artikel zur Krim (Wikipedia: Krym23), die keine Übersetzungen voneinander sind und (vermutlich) von unterschiedlichen menschlichen – und ausdrücklich nicht maschinellen – Textproduzenten und -produzentinnen verfasst wurden.24 Da ich an natürlicher und von anderen Sprachen unabhängiger Sprachproduktion interessiert bin, fällt die Wahl für die Untersuchung von deutschen und polnischen Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang auf die Wikipedia-Vergleichskorpora des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache, die in weitere Subkorpora,25 z.B. nach ihrem Entstehungsjahr unterteilt werden (COSMAS II: Wikipedia-Korpora26). Das deutsche Wikipedia-Artikelkorpus existiert zum Zeitpunkt der Datenerhebung (Mai bis November 2018) in den Versionen der Entstehungsjahre 2013, 2015 und 2017. Das polnische Subkorpus ist zum Erhebungszeitpunkt jedoch nur in den Versionen aus den Jahren 2013 und 2015 verfügbar, sodass für die zeitliche Konsistenz der Datengrundlage die Wikipedia-Subkorpora aus dem Jahr 2015 für beide Sprachen ausgewählt wurden (vgl. Kupietz et al. 2018). Das deutsche Wikipedia-Artikel-Korpus (WPD15) setzt sich aus 1 802 682 Texten und 824 692 227 Textwörtern zusammen, das polnische Korpus (WPP15) enthält 1 105 401 Texte und 282 995 410 Textwörter. Das polnische Wikipedia-Korpus ist demzufolge deutlich kleiner als das deutsche, was in Bezug auf die quantitativen und qualitativen Ergebnisse der Ergebnisse zu berücksichtigen ist.

      Als Datengrundlage für die Untersuchung der Funktionsverbgefüge Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen sowie der polnischen Äquivalente wurden die Wikipedia-Artikel-Korpora des IDS aus dem Entstehungsjahr 2015 ausgewählt. Wikipedia-Artikel eignen sich für die vorliegende Untersuchung von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang, weil die Artikel auf linguistischen Konzepten zur Verständlichkeit von Texten basieren. Im nächsten Abschnitt gehe ich auf die weitere Vorgehensweise bei der Datenerhebung sowie die Analysemethoden der vorliegenden Arbeit ein.

      2.3. Datenerhebung und Vorgehensweise

      Die Funktionsverbgefüge Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen sowie ihre polnischen Äquivalente zada(wa)ć pytanie, da(wa)ć odpowiedź und podjąć/podejmować decyzję werden in der vorliegenden Arbeit auf ihre Leistungen im Textzusammenhang untersucht. Für die Untersuchung dieser Konstruktionen wurden als Datengrundlage die deutschen und polnischen Wikipedia-Artikel-Korpora (WPD15, WPP15) des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache ausgewählt, aus denen ein geeigneter Datensatz sowie -menge extrahiert wurde. Im Folgenden wird die Vorgehensweise bei der Erhebung sowie der Analyse der Daten vorgestellt.

      Für die Untersuchung von textuellen Leistungen von Funktionsverbgefügen wurde der korpusbasierte, quantitativ-qualitative Ansatz nach Lemnitzer/Zinsmeister (2015) herangezogen. Die Daten werden diesem Ansatz nach quantifiziert, aber in weiteren Schritten auch qualitativ und im Sinne des Kontextualismus analysiert (Wittgenstein 1967, Firth 1968). Der Kontextualismus untersucht sprachliche Einheiten auf ihre Funktionen im Kontext (Lemnitzer/ Zinsmeister 2015: 30)1 und versteht sich als Gebrauchsorientierte Theorie der Bedeutung, denn „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“ (Wittgenstein 1967: 43) oder „You shall know a word by the company it keeps.“ (Firth 1968b: 179). Mit diesem Ansatz werden Mehrworteinheiten, wie und er (‚Kollokationen‘ nach Lemnitzer/Zinsmeister 2015: 32; Hervorhebung S.K.) und Antrag stellen (‚Kolligationen‘ nach Lemnitzer/Zinsmeister 2015: 32, ‚Funktionsverbgefüge‘ nach Kamber 2008: 22), im „rohen“ und nicht vorannotierten bzw. getaggten Korpus auf ihren Gebrauch im Kontext analysiert und gehören nach Lemnitzer/Zinsmeister (2015) zum Hauptuntersuchungsschwerpunkt des Kontextualismus (Lemnitzer/ Zinsmeister 2015: 32ff.; Bsp. aus Lemnitzer/ Zinsmeister 2015: 32; Hervorhebung S.K.). Für die Untersuchung von Funktionsverbgefügen auf ihre Funktionen im Textzusammenhang, d.h. als „Paare sprachlicher Einheiten […], deren Zusammenhang durch die Bezeichnung ihrer syntaktischen Kategorie und der Beziehungen zwischen diesen Kategorien weiter qualifiziert ist“ (Lemnitzer/ Zinsmeister 2015: 32) erscheint der korpusbasierte quantitativ-qualitative Ansatz nach Lemnitzer/Zinsmeister (2015) als geeignet. Zwei Einschränkungen werden in Bezug auf diese Untersuchungsmethode vorgenommen: Erstens wird nicht die gesamte Anzahl an absoluten Treffern im Korpus untersucht, sondern lediglich eine im quantitativen Sinn geeignete Auswahl an Treffern als Zufallsstichprobe. Und zweitens analysiere ich die Daten nicht ausschließlich induktiv, sondern leite auf der Basis der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen ein Annotationsschema in Form eines Kategoriensets ab (s. Kap. 3), das anschließend induktiv erweitert wird, d.h. es werden deduktive mit induktiven Analysemethoden kombiniert (vgl. Meindl 2011: 27f.).

      Die Erhebung der Daten für die vorliegende Untersuchung beläuft sich auf einen Zeitraum von Mai bis November 2018 und basiert auf wichtigen Vorüberlegungen und -tests, durch die Suchanfragen in COSMAS II schrittweise weiter angepasst wurden. Bei den ausgewählten Funktionsverbgefügen handelt es sich um einen bestimmten Typ von Mehrworteinheiten, die aus einem Funktionsverb – stellen, geben, treffen – und einem Funktionsnomen – Frage, Antwort, Entscheidung (vgl. Kamber 2008; Heine 2006: 49, Hermann 2019) – bestehen und sich durch einen geringen Grad an Festigkeit und Lexikalisierung auszeichnen (vgl. Helbig/Buscha 2011: 87), d.h. die Komponenten der Gefüge können verschiedene Flexionsformen bilden, erweitert werden und an verschiedenen Positionen im Satz vorkommen, was bei der Erhebung der Daten berücksichtigt werden muss, vgl. die folgenden Beispiele:

Deutsch Polnisch
(1)Sie stellt diese/wichtige(n) Fragen. (2)Ona zadaje te/ważne pytania.
(3)Sie stellte ihm eine Frage. (4)Zadaje mu pytanie.
(5)Eine Frage hat sie gestellt. (6)Pytanie zadała (ona).
(7)Sie hat eine Frage gestellt. (8)Zadała pytanie.

      Die Beispiele zeigen, dass die deutschen und polnischen Funktionsnomen Frage und pytanie beispielsweise im Singular (3, 4) oder Plural (1, 2) gebildet werden können, am Satzanfang (5, 6) oder am -ende (7, 8) stehen können sowie durch verschiedene Erweiterungen voneinander getrennt (1, 2) oder zusammen stehen können (7, 8) (vgl. Daniels 1963: 230; Popadić 1971: 56; Żmigrodzki 2000: 119ff./178; Popadić 1971: 25; Hinderdael 985: 159/218f.; Seifert 2004: 192; Heine 2006: 162ff.). Hinsichtlich der Abfolge und der Flexionsformen der Funktionsverbgefüge wurden aufgrund dieser syntaktischen Variabilität der Komponenten (vgl. Schmidt 1968: 56; Helbig/Buscha 2011: 88ff.) keine Einschränkungen bei der Datenerhebung vorgenommen. Weil die Funktionsnomen und -verben auch in wörtlicher Bedeutung, d.h. auch außerhalb der Wortverbindung vorkommen können (Helbig/Buscha 2011: 87), wie z.B. in Sie trafen sich vor dem Bahnhof. Dort verkündeten sie ihre Entscheidung, beschränkt sich die Suchanfrage in COSMAS II auf die Satzgrenze (Suchbefehl: /s0), die nach der in der Korpuslinguistik üblichen Definition durch einen Punkt markiert ist (vgl. Perkuhn/Keibel/Kupietz 2012: 26). Es wurden also alle möglichen Flexionsformen (Suchbefehl: &) und Positionen der Funktionsnomen und -verben bei der Erhebung der Daten mithilfe von COSMAS II aus den Wikipedia-Artikel-Korpora (2015) berücksichtigt. Weil die vorliegende Arbeit auf Funktionen von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang im Sinne des Kontextualismus (Lemnitzer/Zinsmeister 2015: 37) zielt, wird der Trefferkontext bei der Datenerhebung vom Treffer ausgehend um 10 Sätze links und 10 Sätze rechts erweitert (vgl. Perkuhn/Keibel/Kupietz 2012: 111). Die Suchanfrage

       &[Funktionsnomen] /s0 &[Funktionsverb]

      wird