Эдгар Аллан По

50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2


Скачать книгу

und starr gewesen ist, plötzlich lebendig würde und wandern müsse. Es ist ein Bild wie Weltuntergang! Die Welterglocken von St. Peter wimmern durch den Aufruhr der Elemente.

      In allen Häusern brennt Licht, um den Tisch sammeln sich bleiche Gesichter, in den Händen der Beter beben die Kruzifixe, und selbst die Gottlosen falten die Hände und seufzen: »Herr! – Herr!« –

      »Es ist eine Totennacht,« flüstern die Aelpler. In dieser Nacht steht nach uralter Sage ein geheimnisvolles, im Bergland begrabenes Kriegsvolk auf und zieht zur Heimat. Da darf niemand ins Freie blicken, denn wer die Reiter sieht, wird vor Schrecken siech:

      Es donnern die reitenden Boten:

      »Gebt Raum für das irrende Heer,

      Es fahren, die Goten, die toten,

      Vom Bergland ans heilige Meer.«

      Frau Hulder auf leuchtendem Schimmel

      Sprengt jauchzend den Reitern voran.

      Sie ziehn auf der Erde, am Himmel;

      Sie kämpfen und brechen sich Bahn.

      Von reisigen Vätern und Söhnen,

      Wallt klirrend der Heerzug durchs Thal, –

      Die Trommeln, die Hörner erdröhnen –

      Sie reiten in brennender Qual.

      Schaut – allen die fahren und fliegen.

      Strömt aus den Wunden das Blut,

      Die weinenden Mütter, sie wiegen

      Im Arm die erschlagene Brut.

      So reiten und ziehen die Goten,

      Der schallende Hornruf ergellt:

      »Hu-hoi, hu-hoi! Wir Toten

      Sind Herren der lachenden Welt.«

      In dieser Nacht schwitzt der Presi Blut: »Es kommt noch mehr – es kommt noch mehr!« Ja, Herr Presi, es kommt noch mehr.

      In dieser Nacht stehen im Teufelsgarten eng aneinander geschmiegt zwei Liebende. Und zärtlich spricht der junge Mann: »Bini, weil ich dich rein erfinde wie einen Tautropfen, will ich das große Gelübde meiner Jugend halten.«

      »Josi« – es tönt wie ein kleiner Schrei, »Josi, mein Held!« Sie umarmen sich, sie küssen sich, sie flüstern es einander selig zu, daß es kein Leben mehr giebt als eines im anderen.

      In dieser Nacht flieht ein Mann, den das schlechte Gewissen jagt, thalaus.

      Wie er am Teufelsgarten vorbeirennen will, zuckt eine Blitzschlange durch die Glotterschlucht und erleuchtet sie taghell. Er sieht das engverschlungene Paar. Aus dem Revolver blitzen die Schüsse, die Kugeln zischen. Die Schlucht wird dunkel, am Glottergrat kracht es und ein gewaltiger Donner erstickt die Stimmen eines Kampfes, der im Teufelsgarten wütet, und übertönt den Sturz eines Mannes, der in der Glotterschlucht versinkt.

      Im ersten Morgengrauen geht das Liebespaar blaß und eng aneinander geschmiegt den Stutz empor und der Mann flüstert dem bebenden Mädchen zu: »Arme Bini – das habe ich nicht gewollt – so elend müssen wir sein – nun mag uns Gott helfen.«

      Wie er es sagt, schießt johlend Kaplan Johannes am Wegrand auf.

      »Hoho! – Rebell und Hexe,« lacht er drohend, »ich komme auch an eure Hochzeit.«

      Und während des Männerkampfes im Teufelsgarten ist die Wildleutlawine gegangen.

      Kapitel Siebzehn

      Die Wildleutlawine ist gegangen! – Man hat es in dem Aufruhr der Elemente zu St. Peter kaum bemerkt, aber der Morgen bringt die erschreckende Kunde. – Und heute ist Wassertröstung – Losgemeinde! Ein Mann muß auf Leben und Sterben an die Weißen Bretter steigen und geheimnisvoll waltet das Los.

      Der Sturm der Nacht hat sich gesänftigt, der Himmel hat sich gereinigt, mit unschuldigem Kinderlächeln schaut er auf die Welt, und der Föhn, der gewaltige Geselle, schmeichelt um die ergrünenden Berghalden wie ein verliebter Bursch, der von seinem Mädchen Blumen bettelt.

      Die goldenen Primelsterne leuchten auf den Matten, die Enzianen öffnen die blauen Augen.

      Die von St. Peter achten es nicht, die Sorge hält ihre Augen. Der Tag entwickelt die alten Bilder! Aus der Runde reiten die Bauern auf ihren Maultieren zur Kirche, sie tragen die dunkle Tracht und die Frauen und Töchter drehen im Reiten den Rosenkranz. Finster feierliche Ruhe waltet, tiefer als je an einer Wassertröstung. Da und dort grollt es flüsternd: »Schon nach elf Jahren. Merkt Ihr es!« Und die dumpfe Antwort lautet: »Ahorn!« Durch die ganze Gemeinde schleicht das Wort: »In zwölf Wochen spätestens sollen Bären und Krone brennen.«

      Wie einsam steht der Bären, das schöne alte Wirtshaus! An die Stangen vor ihm bindet kein Bauer sein Maultier an. Frau Cresenz tritt ein paarmal angstvoll unter die Thüre, aber die Ziehenden reiten grußlos vorbei und stellen die Tiere vor die Häuser der Verwandten oder vor die Glottermühle.

      Verfemt ist der Bären! Nein! Wie die Glocken zu läuten anheben, schreitet wie ehemals der Gemeinderat in würdigem Zug die Freitreppe hernieder, voran der Weibel mit der silbernen Losurne, dann der Presi und der Garde, der den Federnhut, das Schwert und die Binde trägt.

      Die Männer sind von der Wichtigkeit ihres Amtes ganz durchdrungen. Der kurze Garde ist frisch, aus dem grauen Bart schauen gesunde rote Wangen, die klugen und guten Augen unter den buschigen Brauen sind hell. Der Presi jedoch, der wohl um den Kopf größer ist, schaut abgezehrt aus, und die paar mächtigen Furchen im glatten Gesicht scheinen noch länger, noch tiefer geschnitten. Man würde glauben, er wäre von den beiden der ältere, wie er aber so mit den anderen geht, muß jeder, der ihn sieht, denken: »Er ist halt doch der Presi!«

      Als letzte fast treten Josi und Eusebi, die sich von Vroni verabschiedet haben, in die Kirche, jener ruhig, aber bleich. Die Neugier der Dörfler, die nach ihm sehen, ist ihm zuwider.

      Mit einem seltsamen sorgenden Blick begleitet Vroni den Bruder.

      Er hat kein Wort von Beate Indergand erzählt, blaß, müde und stumm ist er im Lauf des Vormittags heimgekommen.

      »Jetzt geht er am Ende noch als Freiwilliger an die Weißen Bretter,« denkt Vroni. »Kaum ist so ein lieber Bruder da, hat man schon wieder seine Qual um ihn.«

      Der Weibel riegelt die Thüre vor den Weibern zu, die betend und jammernd im Kirchhof knieen. Mitten unter ihnen kniet totenfahl Binia.

      Ein Zittern läuft durch ihren Körper, mit der schmalen Hand stützt sie sich auf die Erde des Kirchhofs – auf den Staub der Dahingegangenen.

      – Sie zuckt. – Todesgedanken und sie ist noch so jung. Aber was ist nicht im Teufelsgarten Entsetzliches geschehen? – Und steht dort nicht lächelnd der gräßliche Kaplan?

      In der Kirche hat sich der Gemeinderat um den altertümlichen Altar gestellt und der Presi spricht das Heligen-Wasser-Gebet. In den geschnitzten Stühlen harren hundertundsiebzehn Bürger, den dunklen Filz vor dem Gesichte, und beten es mit. Nun sinken die Hüte und wie aus Erz gegossen, ein feierliches Antlitz am anderen, stehen die Männer. Durch die gelben, roten, blauen und grünen Scherben, welche die Heiligenfiguren in den Fenstern zusammensetzen, fallen die farbigen Bündel der Sonne in den golddurchsponnenen Raum und zeichnen dem einen ein gelbes, dem anderen ein rotes, blaues oder grünes Mal auf das Kleid, und von draußen rauschen die brünstigen Gebete der Frauen.

      Nun redet der Presi und jeder spürt es, so schön, so warm und eindringlich hat er noch nie gesprochen. Jeder denkt: »Es ist ein Elend, daß man diesem Manne ein Leid anthun muß. Wie spricht er furchtlos in die Hundertundsiebzehn, unter denen kaum einer ist, der ihn nicht grimmig haßt. Wie wenn er es nicht wüßte, so frei steht er da. Und doch weiß er es, er hat gewiß eine Ahnung vom Ahornbund. Nur nachgeben kann er nicht. Darum muß man den Bären verderben.«

      Jetzt verkündet er die alten Satzungen und