Эдгар Аллан По

50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2


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groß und unmilitärisch in seiner Haltung. Nur beim Reden werden die schon etwas schlaffen Züge straffer. Das unbewußte, das angeborene Kommandieren (eine seltene Begabung) wird dann offenbar, wenn er etwas ablehnt: dann hält er den linken Vorderarm rechtwinklig abgebeugt und schiebt das von ihm nicht Gewollte in eine nur ihm sichtbare Versenkung, so daß nie mehr die Rede davon ist. Dagegen winkt er, wenn er etwas haben will, bloß mit dem Zeigefinger der rechten Hand das Gewünschte zu sich her, wobei er den gelblichen, mit kurzem Haar bedeckten, langen und sehr schmalen Schädel ein wenig hebt. Er gibt dem neben ihm sitzenden Sekretär allerhand Winke und Aufträge, die sich offenbar auf die Zeiteinteilung des ganzen Tages beziehen. Am Abend, gegen zehn, muß der Herzog wieder fort, es erwartet ihn ein Extrazug, da er am nächsten Morgen einer wichtigen Sitzung in Brüssel beiwohnen muß. Seinen etwas verdrossenen und mißtrauischen Charakter versucht der Herzog mit großer Willensanstrengung zu überwinden, ebenso auch die Anzeichen einer Schwerhörigkeit zu vertuschen, die er wohl den gewaltig das Trommelfell erschütternden Winchesterbüchsen verdankt, wie man sie bei Tropenjagden anwenden muß. Solche Jagden hat er zu wiederholten Malen im Kongo und im englischen Sudan mitgemacht. Er winkt den in seiner goldgestickten Uniform schwitzenden Direktor an seine rechte Seite, offenbar, weil er an dieser besser hört, dann verbittet er sich, während er mit mißvergnügter Miene die Lippen des Obersten betrachtet, alle Adelsprädikate und ruhmvollen Ansprachen und ist für Einfachheit. Sein Blick hellt sich auf, als er uns in unsern neuen Uniformen schön aufgestellt erblickt, aber unsere Personen sind es und nicht die Galauniformen oder die Paradeaufstellung, die ihn erfreuen, denn er versammelt uns kurzerhand um sich und wünscht, daß wir die gewöhnlichen Uniformen anlegen. Auch im übrigen soll sich dieser Tag in nichts von einem gewöhnlichen Schultage in Onderkuhle unterscheiden, wie er solche in seiner Jugend hier mitgemacht hat.

      Wir legen nun unter großem Hallo die Extrauniformen ab. Es ist ein ganz unvorschriftsmäßiges Geschrei. Aber der Meister, der im Hintergrunde steht und alles mit seinen eisgrauen Augen umfaßt, lächelt dazu. Er lächelt selten, und das Lächeln an diesem Tage hat viel bei mir entschieden. Nach dem Ausbruch des Brandes kam es dazu, daß man den Meister, dessen »Unregelmäßigkeiten« hier jeder kannte, aber keiner anzugreifen wagte, verdächtigte, er hätte gemeinsam mit dem Rendanten, der in die Geschäfte (Diskont und Prolongation, Börsenengagements und Verluste auf Kosten der Anstalt) verwickelt war und der die Untersuchung durch den Sekretär des Herzogs fürchten mußte, den Brand von Onderkuhle gelegt. Obwohl viel dafür sprach, glaube ich es nicht. Ich glaube nicht an die Schuld des Meisters. Erstens deshalb nicht, weil tatsächlich das ganze Hab und Gut, das schwer und gewissermaßen ehrlich erworbene Vermögen des Meisters in dem Brande unterging, doch vor allem nicht wegen dieses wohltuenden, leichten, väterlichen Lächelns, mit dem er die kreischende, jauchzende, sich schon im Hofe und auf den Treppen entkleidende Jugend begleitete.

      Aber wozu jetzt schon von dem Brande sprechen? Noch stehen die Mauern des hohen, roten, schloßähnlichen Baues, noch flattern die grauen Vorhänge aus Zwilchleinwand vor den Fenstern. Die Pferde und Kühe und das andere Vieh, soweit es sich nicht auf der Weide befindet, leben heil und wohlbehalten in diesem Augenblicke noch in den gewohnten Ställen, und von dem ganzen Brand ist noch nichts da außer einer Vorahnung im Herzen des achtzehnjährigen Boëtius von Orlamünde. Jetzt trete ich mit den andern Jungen in das bedrückend schwüle, von gleißendem Glanz erfüllte Schlafzimmer der »Fünften«, blicke in die schnell geöffneten, riesigen Schränke, wo die Uniformen und die andern Habseligkeiten der Zöglinge sich in abgeteilten Fächern numeriert befinden. Dann erst stutze ich, seit langem bin ich ja aus diesem Raum verbannt, ich begreife mein Mißverständnis und gehe zurück in mein Kabinett. Titurel, beim Umkleiden halb entblößt, wirft mir einen sonderbar kalten Blick zu. Der Prinz Piggy legt nur den Kopf zur Seite, so daß sich richtige Speckfalten an seinem gelblichen, stämmigen Halse bilden. In meinem Zimmer erblicke ich die Feuerkatze, die noch tief schläft und sich in meinem Bett eine kleine Höhle gegraben hat. Eine Minute später eile ich zum Schwimmunterricht in die Halle, wo ich den verreisten Rittmeister vertreten soll.

      Der Herzog hat sich inzwischen von dem Sekretär getrennt, der sich mit dem Rendanten an die Bücher und Kassarevision machen soll. Der Herzog selbst will mit der jüngsten Klasse zusammen sein, die jetzt ihre ersten Schwimmlektionen erhält. Die meisten können allerdings schon beim Eintritt ins Institut schwimmen, nur wenige, die Zartesten, können es nicht. Da ist ein blonder, sehr zierlicher Knabe, zehn Jahre alt, so alt wie ich, als ich hierherkam. Er ist ein wenig wasserscheu. Man merkt es gleich, wenn er aus der Kabine herauskommt. Das grünweißgestreifte Trikot ist ihm zu groß. Der Junge zittert. Vor Kälte kann er nicht zittern an diesem sausenden, überheißen Junitage. Aber er nimmt sich zusammen, streckt seine magere Kehle vor, blickt mutig mich, das Wasser und den Herzog an. Die seidigen aschblonden Haare hat ihm seine zärtliche Mutter daheim tief in die mädchenhafte, niedrige Stirn wachsen lassen, an deren unterer Grenze die ebenfalls aschblonden Augenbrauen wie mit einem millimeterbreiten Stift gezogen sind. Er spricht mit einem hellen, silbernen Stimmchen, halblaut wehrt er sich, ohne seinen Stolz aufzugeben, ohne seine Schwäche einzugestehen, gegen die gutmütigen oder auch boshaften Scherze seiner Kameraden, die sich darüber lustig machen, daß er an die »Angelrute« kommen soll, woran sie aber auch fast alle einmal gewesen sind, denn wie sollte man das Schwimmen sonst lernen?

      Es gibt zwar auch Menschen, die man einfach ins Wasser wirft oder die sich selbst ins Wasser werfen (wie ich) und sofort schwimmen, schlecht zwar und unter großer Kraftvergeudung – aber doch. Sie sind selten. Ich sorge selbst dafür, daß die Riemen der Angelrute richtig umgeschnallt werden. Die Angelrute ist der in allen Schwimmanstalten gebräuchliche Apparat, der aus einer Stange besteht, die der Schwimmeister führt, und dem dazugehörigen Riemenzeug, das um den Schüler gelegt wird. Ich warte ab, bis sich die Aufregung des Jungen, den man bei uns Alma Venus oder einfach Alma genannt hat, etwas gelegt hat, bis sich seine feine Haut kühl anfühlt und sein Pulsschlag ruhig geht. Gerade diese Vorsorge scheint aber Alma zu bedrücken, denn seine mädchenhafte Stirn wird immer röter, seine niedlichen Lippen zucken, immer krankhafter reckt er seinen schmächtigen Körper, und unter den beiden Riemen an der Brust rieseln geradezu Ströme von Schweiß herab. Also: bloß schnell ins Wasser – und alles ist gut.

      Da tritt der Fürst, der meinen Vater kennt, zu mir. Er reicht mir die Hand, die ich ehrerbietig nehme, er lehnt sich neben mich über das Messinggeländer des Schwimmbassins und gibt mir Grüße an meinen Vater auf. Er merkt aber, daß meine Aufmerksamkeit in dieser Minute geteilt ist. Er winkt mir freundlich mit seiner gelben, starken, männlichen, mit keinem Ringe, sondern nur mit einer breiten, dunkelbraun gewordenen Narbe geschmückten Hand. Ich wende mich meinem Alma wieder zu. Die wenigen Augenblicke Wartens haben aber die moralische Widerstandskraft des Jungen stark angegriffen. Er verkrampft jetzt seine schönen Lippen. Die Neckereien seiner Kameraden, welche sich durch die Anwesenheit eines Mitgliedes des königlichen Hauses nicht im mindesten bedrückt fühlen, lassen ihn abwechselnd erblassen und erröten, seine ersten Tränen rinnen, glücklicherweise nur von mir bemerkt, in das von den Zöglingen aufgerührte, in kleinen Wellen bewegte Wasser des Schwimmbassins. Unter anderen Umständen hätte ich die Schwimmlektion verschoben, bis wir, Alma und ich, allein gewesen wären.

      Jetzt aber ist der Herzog aufmerksam geworden. Er ist entfernt mit Alma verwandt. Er lehnt sich nun in seinem leichten englischen Reiseanzug (Pfeffer und Salz) an das Geländer und raunt dem Jungen an der Angelrute zu: »Nur Mut, Baby! Hopp!« Gerade das macht das arme Baby ganz kopfscheu. Es weint nun ganz offensichtlich, während es die vorgeschriebenen Bewegungen rein mechanisch so ausführt, wie ich sie ihm beim Vorunterricht auf der Matratze beigebracht habe. Und nach ein paar schlechten, kraftlosen Schwimmbewegungen geschieht das Unglaubliche: Alma verliert die Fassung, beginnt nach der Mutter zu schreien und sich mit beiden Händchen um das eiserne Rohr zu klammern, das innen in Wasserhöhe um das ganze Bassin herumläuft. Ich nehme davon natürlich keine Notiz – merke nur, wie ich rot werde. Ich hätte selbst in der größten Gefahr nie an meine Mutter gedacht. Ich hätte sie nie gerufen. Nur meinen Vater. Nur ein Vater hat die Kraft, mir in meiner Angst vor dem T. helfend zur Seite zu stehen – aber wie weit entfernt ist er jetzt? Seit fünf Wochen habe ich keine Nachricht von ihm. Aber ich beherrsche mich – ich mahne auch die laut aufschreienden und boshaft johlenden Kameraden des mitleidswürdigen Alma zur Ruhe. Ich kommandiere weiter. Ich gehe Schritt für Schritt mit meiner Stange vorwärts und schleppe den hilflos mit den feinen, spitz