Эдгар Аллан По

50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2


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Zwar ist das Becken hier so tief, daß ein Stück Blei versinken oder ein mit Willen ertrinkender Mensch untergehen könnte, aber der Knabe hat ja mich, der ihn vor dem Tode schützt.

      Der Herzog hat dieses Beispiel von Wasserscheu sehr ungnädig bemerkt. Vergebens wollen ihn der Direktor und einer der Präfekten von der Stätte des Versagens eines Schülers unserer Anstalt fortziehen. Der Herzog bleibt aber gerade deshalb hier wie eingewurzelt und würdigt diese jedem Schwimmlehrer bekannte Szene einer Aufmerksamkeit, die sie sicher nicht verdient. »Geben Sie einmal her!« sagt er zu mir und nimmt mir die Schwimmstange aus der Hand. Er bringt durch brüskes Aufrichten des Instrumentes den Knaben dazu, sich im Wasser zu eben, richtig wie ein geangelter Fisch. Dann schiebt er, der Herzog, die Stange weiter hinaus, so daß der Knabe das Geländer nicht mehr erwischen kann. Dann läßt der Herzog die Stange tief niedergleiten, so daß das verbindende Seil schlaff wird und der Oberkörper Almas ganz im Wasser untertaucht. »Los!« ruft der Herzog halblaut. »Vorwärts! Hopp und schäme dich!«

      Doch der Knabe hört nichts mehr. Hilflos schlägt der Unselige mit Armen und Beinen und mit dem niedlichen Köpfchen um sich. Die Haare, goldblond, im Wasser schimmernd wie Fischschuppen, fallen ihm ins Gesicht, fast in die Augen. Er prustet und ruft: »Hilfe, Mutter! Ich ertrinke!« Lautes Gelächter der Zöglinge. Ich schäme mich für ihn. Der Herzog wird dunkelrot. Nun wirft er dem Knaben die Stange zu, als sei er des Ganzen überdrüssig. Aber nun schaukelt sie in ihrer ganzen Länge im Bassin. Der Junge hängt nicht mehr an ihr. Er sinkt nun allen Ernstes im Wasser nieder. Niemand scheint es zu bemerken. Die Kameraden lachen nur und bespritzen sich und ihn johlend mit dem lauwarmen Wasser. Der Herzog hat sich abgewendet und unterhält sich mit den Professoren, zu denen sich Piggy gesellt.

      Alma hat sich im Wasser infolge seiner krampfhaften und zugleich gefesselten Bewegungen gewendet, er liegt auf der Seite, gurgelnd ruft er um Hilfe.

      Sein Zustand ist nicht ohne Gefahr, da er sich mit dem linken Unterschenkel in die Seile verwickelt hat. Mir bleibt nichts übrig, als mich mit einem Hechtsprung ins Wasser zu werfen und die Stange zu erfassen. Bei dem klatschenden Geräusch (tadellos ist der improvisierte Sprung nicht geworden) hat sich der Herzog erstaunt umgewendet. Nun lacht er aus vollem Munde. Ich schleppe Alma, der blau geworden ist, ans Land. Er zittert und scheint ohnmächtig zu sein. Ich empfinde jetzt starkes Mitleid. Das darf nicht sein. Es widerspricht der spartanischen, unnatürlichen Lebensauffassung Onderkuhles. So wird der arme kleine Kerl, das moralische Baby, wie ein Aussätziger behandelt. Er bekommt Zimmerarrest, darf nicht bei dem gemeinsamen Mittagessen dabeisein. Das ist die Strafe für seine Feigheit, für seine Angst vor dem T. Als Straflokal bestimmt man den Fechtboden. Ich helfe dem fassungslosen Jungen beim Ankleiden wie ein Vater seinem Sohn. Ich führe ihn hinauf in den nach rostigen Rapieren und Karbolsäure riechenden Fechtsaal. Ich möchte, selbst von Feigheit angekränkelt, mit dem fürchterlichen Traum der Brandnacht im Herzen, dem armen kleinen Feigling etwas Gutes tun, ihm vielleicht die Möglichkeit geben, im benachbarten Schlafraum seine Haft zu verbringen und den schwarzen Tag zu verschlafen. Gegen diese Regung von feiger Milde und unmännlicher Weichheit wehre ich mich und führe Alma, der leise, aber unverkennbar widerstrebt, zu der Bank an der Wand des Fechtzimmers und schließe ihn in dem überhitzten, unter dem Dache liegenden Raum pedantisch von außen ein. Wir andern setzen uns im Schatten der blauen Schulfahnen unten zu Tisch in der großen Kadettenmesse und speisen mit ausgelassener Fröhlichkeit und lärmend wie Spatzen zu Mittag. Dazu tragen guter Wein und Liköre, ungewohnte Genüsse, noch das übrige bei.

      Nach dem sehr üppigen Diner begeben wir uns alle in den Park. Das Rauchen, sonst nur als heimliches, aber unvermeidliches Laster geduldet, wird am heutigen Festtage vom Obersten, dem Direktor, persönlich zugelassen, nur bittet er, mit den Zündhölzern vorsichtig umzugehen, denn die Hitze der letzten Tage, verbunden mit dem auch heute wehenden, die ganze Landschaft mit einem zischenden Geräusche erfüllenden Hitzewind, hat alles, von den Schindeln der Dächer angefangen bis zu dem früh von den Bäumen fallenden Laube, völlig ausgedörrt. Fällt ein glimmendes Streichholz zu Boden, so flammt innerhalb von drei Sekunden der wie Papier raschelnde und ganz trockene Grasboden auf, bis man das Feuerchen unter den Schuhsohlen zusammentritt.

      Wir haben uns, als wären wir alle eine Familie, nämlich die königliche, um den Herzog geschart, lauschen seinen Berichten, die er in einer ganz sachlichen Form zum besten gibt, so etwa, daß er von seinen Jagden auf wilde Büffel, weiße Nashorne mit kalendarischer Genauigkeit berichtet, dagegen andere Jagdzüge, zum Beispiel die in dem englischen Sudan, einfach dahin zusammenfaßt, man könne dort alles schießen, angefangen vom Menschen bis zum Paradiesvogel. Ist eine Schule wie die unserige die richtige, ist der Unterricht in den Reiter-, Schwimmer-, Fechterkünsten der wahre, ist die Pflege männlicher Eigenschaften, Mut, Haltung und Form, Hintansetzung des eigenen Lebens bis zur Todesverachtung das richtige Ziel des Daseins, so muß ein Dasein, wie es der Herzog führt, bestehend aus Jagden, Reisen und lebensgefährlichen geographischen Entdeckungen, der höchste Inbegriff des Lebens sein. So empfinde ich es.

      In der Nähe des Herzogs riecht es, vielleicht nicht für jedermann erkennbar, nach Juchten oder Nilpferdpeitsche; ein Geruch, halb scharf, halb süß, den ich mit besonderer Wollust einatme. Mir ist der Anblick des Herzogs eine Stütze, eine wichtige und unentbehrliche gerade an diesem Tage, ich gestehe es.

      Für mich hat er, der Herzog, viel übrig. Er zeichnet mich zwar nur durch einen Blick aus oder durch eine winzige Wendung seines Körpers, ein schwaches Heben der Stimme, wenn er zu mir spricht. Mein Vater und er waren Kameraden hier. Aber wie sehr hat sich ihr Dasein seither geändert! Aber davon kein Gedenken jetzt. Hat er, mein Vater, es aller Welt verborgen, das fürstliche Elend der Seinen, dann kann auch ich schweigen. Vor der Weit ist mein Vater immer noch der große Mann. Er fehlt bei keinem der exklusiven Empfänge, die er im schwarzen Frack mitmacht, als einzige Auszeichnung einen österreichischen Orden tragend, vielleicht den höchsten, einen Komturstern, den außer ihm nur gekrönte Fürstlichkeiten verliehen bekommen. Aber ist unser Geschlecht der Orlamünde nicht ebenso alt, ebenso gut wie das der Habsburger? Ganz schmucklos und ohne Ehrenzeichen ist der Anzug des Herzogs. Dieser Mann gehört einer neueren Zeit. Dieser Mann liebt, ein andersgearteter Schüler unserer Schule, keinen Prunk, seine Uniform ist der englische Reiseanzug, Pfeffer und Salz. Sein Orden ist die breite Narbe an der rechten Hand. Wie wir alle, lebt auch er nur unter Männern, Kameraden seiner Reisen, Trägern seiner Flinte, Führern seiner Last- und Tragtiere, deren er auf seinen Expeditionen bedarf. Bei Hofe wird man ihn nicht oft sehen. Sein Hof ist die Königliche Geographische Gesellschaft, wo er unter Professoren wie unter seinesgleichen sitzt, genau hinhört, da sein Gehör geschwächt ist, und wo er eine Rauchglasbrille nicht verschmäht, deren er, dessen Augen durch die Tropensonne geschwächt sind, sich auch jetzt, im blitzenden Licht der Nachmittagssonne, bedient.

      Alles tut mir an diesem endlosen, feurig goldenen, durchsichtigen Sommertag wohl. Ich klammere mich an den Mut, die Überlegenheit, den Gleichmut des Herzogs. Die letzte Nacht liegt weit hinter mir. Mit ihren Träumen von Brand ist sie fast völlig versunken. Das »im ganzen Wohlwollende« der Welt, ihre verhältnismäßige Sicherheit macht mich jetzt ruhig, besonders in der Nähe des Herzogs, und ich wünsche, in seiner von juchtenähnlichem Geruch und Zigarrenrauch erfüllten Nähe auf einem Liegestuhl ruhend wie er, mit dem Blick auf den Park und die Gebäude des Stiftes, ich wünsche Proben herab, mich in ihnen ruhig zu bewähren und mich selbst endlich ganz wiederzugewinnen.

      Kapitel Zwanzig

      Mein ganzes Dasein wäre geändert, könnte ich an der Seite eines solchen Mannes, wie es der Herzog ist, leben. Er ist stärker, klüger, fester als ich. Er scheint in meinen Augen lesen zu können, er betrachtet mich lange mit seinen blaßblauen, scharf blitzenden Augen, die eigentlich etwas hinter mir Befindliches zu betrachten scheinen, dabei aber doch durch Herz und Nieren gehen. Von meinen Anlagen zu sprechen ist mir nie möglich gewesen. Meine Wünsche habe ich stets nur mir selbst eingestanden. Meine Mutter habe ich hier nie vermißt. Mein Vater aber hat mir immer gefehlt und niemals mehr als in diesem Augenblick. »Vor dreißig Jahren bin ich hier mit deinem Vater zusammen gewesen. Es kann sein, daß ich ihm den Vorschlag gemacht hatte, mit mir die Expedition Römisch I mitzumachen. Er kannte damals bereits deine reizende Frau Mutter … « Er begründet nicht weiter, weshalb mein Vater das Angebot abgelehnt