für einen absolut durchtrainierten Sportsmenschen, der Medizin, auch Tierkrankheiten, studiert hat, schießen und Tierbälge präparieren kann, Orientierungssinn und etwas wissenschaftliches Interesse besitzt und der leichten Herzens Europa auf einige Jahre verläßt. Übrigens sind auch Sprachkenntnisse unerläßlich. Englisch zum Tagesgebrauch. Die Sprachen der Eingeborenen muß man von heute auf morgen aufnehmen können und nicht so schnell vergessen. Dabei gibt es in Zentralafrika Gegenden, wo jedes Dorf seine eigene Sprache spricht. Diese Sprachen sterben aus, aber wie vieles kann gerettet werden! Früher kam ein Forscher mit einer Waggonladung Elfenbeinhauer und Löwenfelle und fünftausendsechshundert Pflanzenarten zurück, heute mit soundso viel aussterbenden Sprachen und Kulturen, Fetischen, primitiver Kunst, Sagen und Kulturgebräuchen. Ich sehe dich, Orlamünde, ich kann mir deine Art gut bei einer Expedition vorstellen. Außer dir könnte mir nur Prinz X., der, den ihr Piggy nennt, gefallen … «
In diesem Augenblick tritt der Sekretär zu dem Herzog, um ihn zu fragen, ob er nicht noch Aufträge habe. In der gleichen Sekunde hören wir, daß in jenem Teil der Anstalt, wo die Kanzleiräume untergebracht sind und von wo der Sekretär eben gekommen ist, eine Fensterscheibe geplatzt ist. Ich denke erst daran, einer der Zöglinge, etwa Piggy, dessen bellendes Lachen man unverkennbar vernimmt, hätte aus Übermut eine Fensterscheibe eingeschlagen. Aber da vernimmt man unruhiges Rufen. Plötzlich wird es totenstill, alles ist von uns fort. Alles schart sich um die Verwaltungskanzlei, aus deren zerbrochenem Fenster wir, der Herzog, der Sekretär und ich, schon von weitem mattblaue, durchsichtige, zigarettenrauchähnliche Schwaden hervordringen sehen. Der Meister, weiß wie die Wand des Verwaltungsgebäudes, stürzt an uns vorbei, ruft: »Es brennt« und eilt durch den Park zu den Wirtschaftsgebäuden, um die Spritzenhäuser zu öffnen, deren Schlüssel er besitzt. Wir nähern uns schnell der Brandstätte. Der Rauch ist dichter geworden, wie feines Seidenpapier hängt er vor der Eingangstür. Im Innern des Hauses summt es wie in einem Bienenhause.
Ratlos stehen die Leute, Zöglinge und Erwachsene durcheinander, vor dem Eingang. Immer dichter dringt der Rauch hervor, dem etwas besonders Scharfes, Schweres beigemischt ist. Man hört das Feuer zischen. Plötzlich kommt ein unterdrücktes Stöhnen (nicht zum erstenmal höre ich es, dieses Stöhnen, das dem Ziehen einer Säge in frischem Holze gleicht) aus dem brennenden Innern. Nicht einen Augenblick überlege ich. Ich drücke den Schirm meiner Kappe tiefer ins Gesicht, streife meine alten schwedischen Reithandschuhe über, gehe vor, ergreife die heiße Klinke und stürze mich in die Kanzlei.
Sofort übersehe ich alles. Ausgegangen ist der Brand von dem Motorrade, das in der Kanzlei des Rendanten nichts zu suchen hat und an dem das zwischen den Rädern an dem Gestänge anmontierte Benzinbehältnis eben geöffnet sein muß. Aber der Brennstoff hat noch keinen richtigen Abfluß, und deshalb brennt das Benzin so artig, es pflanzt sich erst puffend am Boden und an den Wänden fort, die von den Regalen bedeckt sind. Es müssen ungeheure Mengen von altem, etwas feuchtem Papier hier angesammelt sein. Unberührt steht in der Ecke, wie ein kleiner Turm aus Blei, niedrig und fest, eine schwere eiserne Kasse. Am furchtbarsten ist der dicke graublaue Rauch, welcher der verglimmenden Makulatur entströmt. In der Ecke neben dem Fenster rechts, die vom Feuer noch unberührt geblieben ist, lehnt oder hockt ein Mann; jetzt erst sehe ich ihn deutlich, er sitzt wie ein Schneider da, die spitzen Knie vorgestreckt, und atmet den Rauch ein, als käme dieser von der in der Mitte durchgebrochenen Zigarette, die er unentzündet zwischen seinen welken Lippen hält: der Rendant. Sein speckiges schwarzes Gewand glänzt in der Feuerflamme. Ich verstehe alles. Ich greife nach ihm, packe ihn beim Kragen, wie man ein Pferd am Halfter packt, und ziehe ihn aus der Ecke fort zur Tür. Er wehrt sich ängstlich, er hält die magere Kanzlistenhand schützend über den gelb glänzenden Scheitel, er klammert sich, als ich Gewalt anwende, an einen der bekannten hohen Sekretäre, die am Fußende schon zu glimmen beginnen. Jahre hat er an ihnen, schreibend und rechnend, zugebracht, hat mit ihnen gelebt und will nun mit ihnen sterben. Niemand anders als er kann den Brand gelegt haben. Er glotzt erst und schweigt, dann öffnet er den Mund wie eine gähnende Katze, Tränen springen ihm aus den kleinen schwarzen Augen, und er fällt zusammen. Er will nicht fort. Er windet sich am Boden, umfaßt meine Knie, ruft mich mit dem Namen seiner Kinder: Paul, Jeanne, Chéri. Schon saust das Feuer stärker. Lautlos hat es sich der Sekretäre und Regale bemächtigt. Die Brandstiftung des Rendanten ist eine Art Selbstmord. Lohnt es sich, eine solche Kreatur zu retten? Aber es muß sein. Die Luftreifen des Motorrades schmoren und entwickeln unerträgliche Dünste, dann platzen sie beide zugleich und werden zu gleißenden Kreisen. Jetzt leckt die Flamme am Benzinreservoir, während ich mich mit Gewalt des schwächlichen Verbrechers bemächtige. Mit einer Hand raffe ich seine aufgegangene Halsbinde in einen Knoten zusammen, mit der andern Hand stütze ich ihn im Kreuz, lasse ihn vor mir her trippeln. Noch an der Tür bückt er sich nach einem Zettel, dem Fragment einer Rechnung, die der Sekretär des Fürsten geprüft und unterschrieben hat. So von Sinnen (oder so klar?) ist der Brandstifter, daß er sich in einem solchen Augenblick nach einem Fetzen Papier, wertlos für alle und für ihn, bückt. Dabei ist es höchste Zeit, denn kaum sind wir zum Hause heraus, als mit dumpfem Knall die Fensterscheiben der ganzen Front platzen und mit einem Male das bis jetzt brummende Raunen der Flammen sich in ein eiliges, rhythmisches, metallisches Prasseln verwandelt. Nie habe ich gewußt, daß Feuer einen Laut hervorbringen kann, als spielte man mit stählernen Kastagnetten. Zum erstenmal sehe ich jetzt unter wallenden Schwaden leibhaftige Flammen aus dem Rechnungsraum hervorschlagen. Der heiße Wind über den Kronen der Bäume hat sich noch gesteigert, wie er es seit Wochen an jedem Abend tut. Soll die Natur eine Ausnahme machen, um das geliebte Onderkuhle zu retten? Überall herrscht unbeschreibliche Verwirrung. Das Vieh in den Ställen, das der Hitze wegen heute besonders früh von der Weide zurückgekommen ist, stößt in seiner Angst gegen die Raufen und Wände, es rasselt mit den Ketten, an denen es befestigt ist. Die Hühner flattern auf, ungeschickt und plump lassen sie sich nieder, während die Tauben hoch oben über ihren Schlägen kreisen, ihr Grau ist vom Feuerglanz oder von der allmählich sinkenden Sonne vergoldet. Wer unterscheidet das? Wer starrt gegen den Himmel, als könnte er von dort etwas herabgreifen, das alles ungeschehen macht? Ich glaube an Gottes Hilfe nicht. Ich glaube daran, daß man in die Ställe eilen muß, wo die Pferde stehen. Ich bringe in die gaffenden, vor Schrecken blöd grinsenden Reitknechte ein wenig Leben. Das Nötige ist schnell geordnet. Gänzlich unfähig sind unsere Führer. Der alte, sonst so mutige Abbé kniet auf den Stufen vor der Kapelle, den Rosenkranz schnell und gedankenlos bewegend, der Direktor und die Lehrer, umgeben von den Präfekten, »disponieren«, wollen das Feuer planmäßig isolieren und bekämpfen, aber sie sehen nicht, daß es unaufhaltsam von dem »isolierten« Kanzleigebäude aus weitergeht, und die seelische Ergriffenheit des trunksüchtigen Direktors, die sich in dicken Tränen ausdrückt, wirkt abstoßend und lächerlich. Der Meister fehlt sehr. Er hat das erste beste Pferd bestiegen und ist nach der Eisenbahnstation geritten, um von dort durch den Draht die Feuerwehr des nächsten Ortes zu alarmieren. Eine Telefonleitung hat unser konservatives Knabenstift nie erhalten. Man wollte sie nicht. Ruhig, beherrschend, im Vollbesitze seiner Geistesgegenwart ist der Herzog. Er hat die Zöglinge um sich zusammengezogen. Sie nehmen die altmodische Spritze vom Dienstpersonal in Empfang. Man rollt sie eiligst heran. Die Schläuche werden gelegt, an die Hydranten angeschlossen, bald beginnen sie zu arbeiten, und der erste feine Wasserstrahl richtet sich gegen das rote, vor Hitze glühende, aber vom Feuer noch unberührte Haus der Schule, in dem sich die großen Lehrsäle, die Kadettenmesse und die Wohnräume für die Vierte und Fünfte befinden. Der Direktor stört. Gefolgt von seinen Trabanten, läuft er händeringend umher. Er möchte die ihm anvertrauten Jungen am liebsten sofort aus dem Umkreis der brennenden Verwaltungsgebäude entfernen, was aber der Herzog nicht zugibt. Der Brand hat sich inzwischen schnell ausgebreitet. Ich komme und gehe in höchster Eile. Die Pferdeknechte werden der Tiere nicht Herr. Ich binde zuerst eine ältere Schimmelstute an einen Baum im Obstgarten. Jetzt nehme ich Cyrus vor. Er folgt ungern. Er wendet immer wieder seinen feinen mausgrauen Kopf zurück nach dem Stalle, aus dem die ersten Flammen lecken, er stampft mit seinen zierlichen, schwarz lackierten Hufen die heißen Pflastersteine, als wolle er bleiben. Aber schließlich fügt er sich. Die andern kommen nach, bald sind sie vollzählig. Sie wiehern viel, schlagen aus, drängen die Köpfe zusammen, stellen die Ohren auf. Aber sie weichen nicht voneinander. Der Meister ist eben zurückgekommen. Die Feuerwehr des nächsten Ortes ist benachrichtigt, sie muß sofort kommen. Inzwischen werden unsere Feuerleitern herbeigebracht. Wir alle bitten den Himmel, man möge