nur noch innerhalb ihres eigenen Strafraums mit der Hand spielen.
Roose beendete seine Karriere und widmete sich ganz der Medizin. Ansonsten beschränkte er sich auf einmalige Kicks für Dörfer und Schlag-den-Torwart-Wettbewerbe bei öffentlichen Veranstaltungen. Außerdem wurde er ein beliebter Tischredner. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete er sich freiwillig. In seiner Familie glaubte man, dass er 1915 bei der Schlacht von Gallipoli ums Leben gekommen war. Die wahre Geschichte kam 2007 ans Licht, dank einer beachtlichen Rechercheleistung des Journalisten Spencer Vignes für seine Roose-Biografie Lost in France.
Eine nebenbei fallengelassene Bemerkung des Sportkarikaturisten Tom Webster, dass er nach der Evakuierung von Gallipoli in Ägypten Cricket mit Roose gespielt habe, hatte die Familie schon immer irritiert. Doch alle Versuche, ihn ausfindig zu machen, kamen nicht über Hinweise hinaus, dass er 1916 zu den Royal Fusiliers gestoßen sein könnte. In deren Aufzeichnungen gab es jedoch keinen Roose. Aber Vignes fand heraus, dass das wohl an einem Schreibfehler lag (auch wenn es denkbar ist, dass Roose seine wahre Identität verschleiern wollte): Zwar gab es keinen Roose, dafür aber einen Leigh Richmond Rouse. Nun war alles klar.
Roose erhielt am 28. August 1916 das Military Cross und wurde aufgrund seiner Leistungen in einem Gefecht in der Nähe von Agny, wo ihm ein Flammenwerferangriff die Kleidung verbrannt und die Lungen beschädigt hatte, zum Obergefreiten befördert. Die angebotene medizinische Behandlung lehnte er ab und kämpfte weiter. Am 13. November nahm er an einem Angriff bei Gueudecourt an der Somme teil. Das Sperrfeuer der Artillerie hätte die deutschen Stellungen eigentlich ausschalten sollen, doch eine Maschinengewehrstellung auf der linken Flanke war unversehrt geblieben. Die Fusiliers hatten keine Chance. Die meisten von ihnen wurden innerhalb der ersten Minuten des Angriffs zusammengeschossen. Ein Sergeant Quinell berichtete, er habe Roose in einem Krater gesichtet, könne aber nicht sagen, ob Roose tot oder verwundet gewesen sei oder nur Deckung gesucht habe. Seine Leiche wurde nie gefunden.
KAPITEL 2
Lew Jaschin und seine Nachfolger
In der Welt der Torhüter steht ein Name über allen anderen: Lew Jaschin. Ob er der beste Torhüter aller Zeiten war, sei dahingestellt. Doch mit Sicherheit wurde keiner so viel gepriesen wie er, und auch an seinen Kultstatus kommt bis heute kein Torhüter heran. Ganz und gar in Schwarz gekleidet, was ihm den Spitznamen „Schwarzer Panther“ einbrachte (oder „Schwarze Spinne“, je nachdem, in welchem Land er sich gerade aufhielt), wurde er für das Publikum im Westen zum Sinnbild minimalistischen sowjetischen Schicks. In seiner Heimat war er ein Nationalheld, zurückhaltend, gewissenhaft und mutig. „Alles, was Jaschin tat, war vom Feinsten“, sagte sein großer englischer Zeitgenosse Gordon Banks. „Er hielt vorzüglich, konnte Flanken abfangen und war außerdem ein echter Gentleman. Bei der Weltmeisterschaft 1966 rettete er einen Ball vom Fuß eines Kerls, der ihm dabei fast den Kopf abgehauen hätte. Gleich danach stand er auf, um sich zu vergewissern, dass es dem Burschen, der ihn fast weggetreten hatte, gut ging.“
Jaschin fehlte die Extravaganz vieler anderer großer Spieler, und er übte auch ganz offen scharfe Kritik an den Ausschweifungen von Eduard Strelzow, der zeitweise sein Nationalmannschaftskollege war. Unbestritten besaß Jaschin jedoch großes Charisma. Sein Name steht bis heute für ganz großes Torwartspiel. So sagt man über einen Torhüter, der es in der russischen Liga auf 100 Spiele ohne Gegentreffer bringt, dass er es in den Jaschin-Klub geschafft habe. Und die FIFA zeichnet bei jeder Weltmeisterschaft den besten Torhüter mit dem Lew-Jaschin-Preis aus. Doch sein Vermächtnis ist für die nachfolgenden Torhütergenerationen seit jeher auch eine Last. Denn genauso, wie man jeden vielversprechenden jungen Allrounder im englischen Cricket sofort als den neuen Botham tituliert, gilt auch jeder hoffnungsvolle junge Torhüter in Russland als der nächste Jaschin, als ob sich seine Genialität von Generation zu Generation vererben müsse.
Kein Land vergöttert seine Torhüter so sehr wie Russland. Zwar lassen sich solche Dinge schwer in Zahlen ausdrücken, aber es scheint doch so zu sein, dass die meisten britischen Schulkinder am Anfang immer vorne spielen und Tore schießen wollen, um so den ganzen Ruhm einzuheimsen, während die Schulkinder in Russland lieber der letzte Mann in dem andersfarbigen Trikot sind. Das Ansehen von Jaschin hat selbstverständlich seinen Teil zu diesem Phänomen beigetragen. Der kleine Billy Casper in dem Spielfilm Kes hätte in einer russischen Version des Films am Ende wohl kaum im Angriff gespielt, und der Sportlehrer hätte sicherlich nicht nach dem roten Trikot mit der Nummer neun, also dem von Bobby Charlton, gegriffen, sondern nach dem schwarzen Jersey mit der Eins.
Genau genommen war Jaschins Trikot allerdings gar nicht schwarz. „Es war ein sehr dunkles Blau – ein Wollpullover mit einer auf den Rücken genähten Eins“, verriet seine Witwe Walentina Timofejewna Jaschina. „Ich denke mal, dass damals alle Tormänner dunkle Kleidung getragen haben. Als ich im Jahr 2000 in Lews Namen den Preis für den Tormann des Jahrhunderts überreicht bekam, hat Sepp Maier gesagt: ‚Früher haben alle Torhüter Schwarz getragen, damit man sie nicht mit jemand anders verwechseln konnte. Heute sind sie rot, gelb, blau – wie die Papageien.’“
Und weiter: „Lew hat immer in dieser Farbe gespielt. In 20 Jahren hat er sein Trikot nur zwei- oder dreimal gewechselt, wenn die Ärmel schon ganz löchrig waren. Dann hat er immer eins in der gleichen Ausführung genommen. Die Plätze waren besonders im Frühjahr und Herbst matschig, und auf einer dunklen Kluft ist der Schmutz nicht so aufgefallen. Wenn er seine Spielkleidung mit nach Hause brachte, wurde das ganze Badezimmer schwarz und überall war Sägemehl – damit hat man die Strafräume eingestreut, damit die Tormänner nicht im Schlamm versanken.“
Er zog auch bei wärmstem Wetter nichts anderes an. „Seine Kleidung hat verhindert, dass er sich verletzte“, erklärte Walentina. „Und er hat immer wattierte Hosen drunter gehabt. Er ist sauer auf Mannschaftskameraden geworden, die keine getragen haben. ‚Glaub mir’, hat er immer gesagt, ‚ohne kann man nicht spielen. Man kann sich die Oberschenkel verletzen. Blaue Flecken kriegt man garantiert, die Muskeln werden reißen, und dann hat man beim nächsten Mal Angst, zu Boden zu gehen. Und wie soll man dann im Tor spielen, wenn man Angst hat?‘“
Walentina besitzt immer noch einen Kühlschrank, den Jaschin dank seines Ansehens als Fußballspieler bekommen hatte, dafür hat sie – und das ist bemerkenswert – keines der legendenumwobenen dunklen Trikots mehr. „Zur damaligen Zeit musste man alles zurückgeben“, erzählte sie dem Journalisten Igor Rabiner. „Sogar nach Lews Abschiedsspiel 1971 hat Dynamo ihm eine Aufforderung geschickt, die Spielkleidung zurückzugeben – sogar die Handschuhe, die er selbst genäht hatte, wenn sie aufgerissen waren. Wir haben darüber gelacht, aber er hat alles zusammengesucht und zurückgegeben. Er hat kein einziges Dynamo-Trikot behalten. Es war jedes Jahr die gleiche Geschichte: Am Ende der Saison musste ich seine ganze Ausrüstung durchwaschen, damit wir sie in gutem Zustand abgeben konnten.
Er hat nur ein Trikot behalten, und das war ein gelbes mit der Nummer 13, kein schwarzes mit der Eins. Er hatte es bei dem berühmten Spiel mit der Weltauswahl gegen England getragen, bei dem er vor den Augen der ganzen Welt zu null spielte. Keiner wollte die Dreizehn tragen, aber Lew sagte: ‚Alles klar, her damit – stört mich nicht.’ Er hat ein tolles Spiel gemacht und die Dreizehn hinterher als seine Glückszahl betrachtet.“
Neben seinen Trikots war Jaschins Markenzeichen seine Mütze. Wenn er es mit einer hohen Flanke zu tun bekam, nahm er gelegentlich sogar die Mütze ab, köpfte den Ball weg und setzte die Mütze dann wieder auf. „Das ist oft vorgekommen“, sagte Walentina, „aber nur, wenn keiner in der Nähe war. Zu der Zeit waren die Strafräume ja noch nicht so voller Leute wie heute.“ Zunächst jedoch hatte Jaschin die Bälle noch mit aufgesetzter Mütze weggeköpft. „Als er das zum ersten Mal gemacht hatte, kam er in die Umkleide und ließ seinen Kopf hängen“, erzählte Walentina. „Er dachte, dass [Dynamos Trainer Michail] Jakuschin ihn kritisieren würde, der konnte nämlich manchmal ganz schön bissig sein. Aber er sagte nichts. Lew fragte: ‚Stimmt was nicht?’ ‚Nein, alles prima’, hat ihm Jakuschin geantwortet. ‚Aber du musst die Mütze abnehmen.’ Die Fans fanden das toll und reagierten jedes Mal mit einem Jubelsturm. Ein paar Mal hat er den Ball noch ohne die Mütze geköpft, aber dann hat er damit aufgehört, weil das Spiel schneller und härter