Nataly von Eschstruth

In Ungnade - Band II


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Angriff?!“ rang es sich drohend von seinen Lippen.

      „Halten zu Gnaden, nein.“

      „Nein? — was sonst! — reden Sie, — ich bin heute schon genugsam alteriert!“

      Aurel öffnete sein Portefeuille. „Es ist mir durch gewissenhafte Nachforschungen gelungen, den Verfasser und Schreiber, respektive die beiden Autoren dieser Artikel zu ermitteln!“ sagte er mit leis bebenden Nasenflügeln.

      Die Wirkung der Worte war eine ausserordentliche.

      Max Christoph taumelte einen Schritt vor und fasste mit beiden Händen die Schultern seines Adjutanten, als müsse er sich vor dem Umsinken schützen.

      „Buchfeld!“ schrie er fast auf, „ist das Wahrheit, Mann?!“

      „Hier ist ein Streifen Manuskript, welches ich direkt aus der Druckerei erlangte, Königliche Hoheit. So ist es mir überbracht, und so liefere ich es in die Hände meines gnädigsten Herrn, überzeugt, dass Wahrheit und Gerechtigkeit die Siegel lösen werden, welche auch jetzt noch zum Teil dieses Blatt zum Rätsel machen.“

      „Ein Stück Manuskript ... thatsächlich ... ah, ich danke Ihnen, lieber Buchfeld, danke Ihnen. Ist Ihnen besser geglückt wie mir. Wodurch? Haben Sie einen Beamten der Zeitungsdruckerei bestochen?“

      Der hohe Herr liess sich kraftlos auf einen Sessel nieder, seine bleiche, leise bebende Hand hielt das verhängnisvolle Papier mit zitterndem Druck. Er lehnte erschöpft das Haupt zurück und schloss momentan die Augen. Die Erregungen der letzten Stunde hatten ihn emporgerüttelt, jetzt erzeigten sie sich dennoch als zu gross für seine noch immer kranken Nerven, er sank wieder schlaff und matt in sich zusammen, just, als ziehe die nüchterne und herbe Wahrheit ihm den Boden unter den Füssen fort, auf welchen ihn die Illusion für kurze Stunden gehoben.

      „Allerdings, Königliche Hoheit. Ich habe in dieser Angelegenheit dem jesuitischen Grundsatz gehuldigt, dass der Zweck die Mittel heiligt, und erreichte auf dem krummen Umweg mehr, als auf der geraden Strasse.“

      „Durch Geldmittel?“

      „Lediglich durch solche.“

      „Seltsam, ich habe Unsummen auszahlen lassen zu dem gleichen Zweck, ohne Erfolg zu erzielen! Wieviel opferten Sie meinen Interessen?“

      Aurel lächelte seltsam. „Alles, was ich hatte und besass, Königliche Hoheit, aber ich vertraute es keiner fremden Hand an, ich bezahlte selber. Krumme Wege haben auch noch Abwege, auf welchen schon mancher Dukaten spurlos davon rollte!“

      „Nein, nein — in diesem Fall absolut ausgeschlossen. Gräfin Vare leitete die Angelegenheit persönlich. Also alles, was Sie hatten und besassen —“ Der Sprecher strich tiefatmend über die Stirn und senkte den Blick. „Jetzt allerdings weiss ich, wo das Vermögen Ihres Bruders blieb. Beim Himmel, ein wertvoll Stücklein Papier, und ein seltener Triumph für eine Frau, dass sich ein Mann ihretwegen zum Bettler machte.“

      Er sah plötzlich wieder scharf in Aurels Antlitz, die Leidenschaft der Eifersucht zitterte durch seine Stimme. Stolz und kalt hob der junge Offizier das Haupt.

      „Was geschah und was ich that, geschah lediglich zur Ehrenrettung meines armen, geächteten Bruders, Königliche Hoheit“, entgegnete er gepresst.

      „Ihres Bruders? Was hat der junge Dahlen mit dieser Angelegenheit zu thun?“

      „Ich glaubte durch Enthüllung dieses Geheimnisses Mittel und Wege an die Hand zu bekommen, zu erfahren, inwieweit die Koketterie der Gräfin Vare meinen unglücklichen Bruder in das Verderben trieb!“

      Das Haupt des Grossherzogs neigte sich vor, als habe er nicht recht gehört. Fahle Blässe überzog sein Antlitz, er wollte zornig emporfahren, aber er beherrschte sich.

      „Sie erachten die Gräfin für schuldig, weil sich ein überspannter junger Mensch, dessen Liebesanträge sie als anständige Frau weder erhören wollte noch durfte, um ihretwillen erschoss?“

      „Allerdings, Königliche Hoheit. Durfte sie seine Anträge nicht erhören, so durfte sie vor allen Dingen seine Leidenschaft nicht bis zur Sinnlosigkeit schüren. Wäre sie in der That eine anständige Frau, so hätte sie nicht voll schamloser Eitelkeit die Macht ihres Raffinements an einem derart jungen und naiven Menschen proben dürfen!“

      Der Ausdruck in den Zügen Max Christophs wurde erschreckend, seine Zähne bissen sich in knirschendem Zorn aufeinander. Er rang nach Atem, den verwegenen Sprecher zu zerschmettern, aber Buchfeld fuhr hastig, mit beinahe rauher Stimme fort: „Es handelt sich jedoch absolut nicht um ein Opfer unglücklicher Liebe bei dieser Angelegenheit, denn für Weibereitelkeit gibt es leider Gottes immer noch schwache Entschuldigungen — Gräfin Vare hat meinen Bruder nicht in den Tod getrieben, weil sie sich ihm versagte, sondern weil sie ihm durch einen Schurkenstreich die Ehre nahm!“

      „Buchfeld!“ Der Grossherzog stand ihm kerzengerade gegenüber, sein Auge sprühte. „Sie wagen es, solch empörende Verdächtigungen gegen eine Frau auszusprechen, die mir, wie Sie wissen, innig befreundet ist? Wehe Ihnen, wenn Sie nicht im stande sind, diese ungeheuren Anklagen zu begründen! Ich verlange es bei meinem fürstlichen Wort, und ich werde der Rächer der verleumdeten Unschuld sein, so wahr mir Gott helfe!“

      Ruhig und furchtlos sah Aurel in das Auge seines Fürsten. „Und so, wie Eure Königliche Hoheit die verleumdete Unschuld rächen, werden Sie auch die Schuldige strafen!“ erwiderte er mutig. „Der Zettel, welchen Königliche Hoheit in der Hand halten, ist der erste Beweis für die Wahrhaftigkeit meiner Aussagen.“

      Max Christoph sank in die Polster zurück; Fieberglut lag auf seiner Stirn. Seine lang verhaltene, wildzornige Erregung kam zum Ausbruch, aber sie richtete sich nicht im mindesten Verdacht gegen das Weib, welchem all seine Pulse in leidenschaftlichem Verlangen entgegenschlugen, sondern gegen ihn, den Angreifer, den Mann, auf welchen er eifersüchtig war, für welchen sich Judith in rührendster Güte so oft verwandt, dessen ganzes Glück sie begründet, und der sie nun voll krassesten Undanks in den Kot treten will, sie, die ihn zur Sonnenhöhe des Lebens erhob!

      „Dieser Zettel ... ah, lasst sehen ... die Handschrift wird zu ermitteln sein ... was sagen Sie? Erklären Sie sich deutlicher. Dieser Zettel ein Beweis ihrer Schuld?!“

      Aurel stützte sich schwer auf die marmorne Tischplatte. „Ich kenne die Schrift, sie ist von der Hand meines verstorbenen Bruders auf dieses Papier gebracht.“

      „Ihres Bruders?“

      „Meines Bruders Ortwin von Dahlen.“

      „Und Dahlen hat die Schandartikel geschrieben? Ihr eigner Bruder hat mich und mein ganzes Land zu beschimpfen gewagt?! Ihr Bruder, der verschmähte Liebhaber der Gräfin, hat diese Racheangriffe gegen sie geschrieben?!“ Ein schneidendes Lachen gellte auf. „Und weil Ihr Bruder der Bube gewesen, der diesen Schurkenstreich beging, darum verurteilen Sie die Unglückliche, welche seiner Schamlosigkeit zum Opfer fiel?“

      Aurel bebte an allen Gliedern, kein Blutstropfen kreiste in seinem Antlitz. Er biss die Zähne zusammen und krampfte die Finger um den kalten Marmor, seiner Gelassenheit gewaltsam Herr zu bleiben.

      „Wollen Königliche Hoheit den Zettel genauer prüfen. Er trägt noch andere Schriftzüge ausser denen meines Bruders!“

      „Noch andere? Oh ... ich bin begierig ... haha, vielleicht die Ihren? Soyons done ... wo? Ich sehe nichts!“

      Wie eine Pagode neigte sich der junge Offizier und deutete auf die Korrekturen. „Königliche Hoheit kennen die Schrift der Gräfin Vare? Diese Abänderungen in dem Manuskript stammen von — ihr!“

      „Unmöglich! Sind Sie toll geworden?!“

      „Gestatten mir Königliche Hoheit eine Erklärung?“

      „Zum Teufel ... reden Sie!“

      Seine Lippen zitterten, schwarze Schatten senkten sich tief um die Augen — Aurel aber erklärte mit keuchendem Atem die einzelnen Korrekturen und den früheren Wortlaut des Manuskriptes und fuhr lebhaft fort, seine Kombinationen auseinander zu setzen, in