Johannes Erdmann

Zu zweit auf See


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kann schließlich einiges ab. Und ja, tatsächlich, warme Luft! Herrlich. Doch dann fällt mein Blick auf den Batteriemonitor, der gerade einen zweistelligen Verbrauch anzeigt: 99 Ampere. Auweia! Schnell wieder aus mit dem Ding.

      Am nächsten Morgen haben sich Wind und Wellen etwas beruhigt, kommen aber immer noch genau von vorn. Nach einem leichten Frühstück und einer Mercalm-Tablette für Cati holen wir den Anker auf und tuckern hinaus auf die See. Die 41 Seemeilen bis La Coruña verlaufen langweilig, da ereignislos. Aber das ist zur Abwechslung ja auch nicht schlecht. Trotzdem achte ich ständig angespannt auf das Geräusch des Auspuffs, ob noch Kühlwasser kommt. Und dann liegt der Hafen schließlich vor dem Bug: La Coruña. Fast genau mit einem Monat Verspätung.

      »Endlich eine Großstadt, zurück in der Zivilisation«, freut sich Cati. Die LILLY-MARIE ist leider schon weitergesegelt. Aber der französische Kat liegt noch dort. Wir machen die Leinen fest und starten das Laptop. »Hier gibts bestimmt hervorragendes Internet«, freuen wir uns. Von wegen, hier gibt es gar kein Internet. »Das Hafennetz ist zurzeit tot«, erklärt uns der Hafenmeister am nächsten Morgen und zuckt die Schultern. »Schon seit Monaten.« Thomas erzählt uns später, dass er über das Netz der Bar neben der Marina ins Internet gekommen ist. Aber mittlerweile ist auch die Bar geschlossen. Saisonende. Das nervt uns. Und es kommt noch schlimmer: Der Supermarkt ist irre weit weg, während wir in Viveiro in nur fünf Gehminuten Entfernung zwei hatten. Dazu sind die Duschen kalt und die Waschmaschinen machen die Wäsche eher schmutziger als sauber.

      Cati hat einen ganzen Tag lang damit zu tun, alle Schapps zu leeren. Wir haben voll gebunkert und aller Proviant hat Pappumverpackungen, die in der hohen Luftfeuchtigkeit unter Deck gern schimmeln. Pappe um Pappe reißt sie auseinander und entsorgt Mülltüte um Mülltüte. Endlich mal hat es einen Vorteil, dass Nahrungsmittel oft in Pappe verpackt und innen noch mal zusätzlich eingeschweißt und damit luftdicht sind.

      Am nächsten Morgen laufe ich hinauf in die Stadt zu einem Handyreparaturladen, dessen Adresse ich mir vorher im Internet herausgesucht habe. Ohne Google Maps kann ich mich jedoch nur auf meine Notizen verlassen und verlaufe mich völlig, da Straßenschilder nur selten zu sehen sind. Und für ein Taxi bin ich zu geizig. Nach fast zweieinhalb Stunden stehe ich endlich vor dem Laden, leider gerade zur Mittagspause. Und die ist in Spanien großzügig bemessen. Als der Ladenbesitzer zwei Stunden später seine Rollläden hochzieht, schaue ich bereits durch die Glasscheibe und erschrecke ihn. »Die Reparatur ist kein Problem«, macht er mir verständlich. »Kostet 80 €.« Okay. Super. »Los geht’s«, bedeute ich ihm. »Nein, ich muss das Glas doch erst bestellen«, sagt er. »Komm mal morgen Nachmittag wieder.«

      Am Abend schreibe ich an einem Blogeintrag und denke: »Hier stinkt doch was.« Schnüffelnd krabbele ich in jede Ecke. Bilge, Schapps, unter die Kojenbretter. Nichts. Ich bin mir sicher, dass da was müffelt. Doch was? Schließlich drehe ich mich um und stecke den Kopf in die Hundekoje, die wir eigentlich nur als Lagerraum benutzen. Sie ist randvoll, und tatsächlich, da kommt es her. Schimmel ohne Ende. Wir sind echt baff, wie das so schnell gehen konnte. Haben wohl zu eng gestaut. Die Luftfeuchtigkeit hat sich an der Decke abgesetzt und ein sumpfiges Klima erzeugt. Die Gitarrentasche ist nicht zu retten, die müssen wir wegwerfen. Das ärgert mich. Auch ein paar alte Seekarten von meiner ersten Atlantikreise. Zum Glück alles alte Kopien aus den 1950er-Jahren. Wieder ist Cati einige Stunden am Schrubben und am Sprühen. Sagrotan, du rettest Leben.

      Am nächsten Tag finde ich den Laden nach einer Stunde Fußmarsch auf Anhieb. Drei Stunden später funktioniert auch mein Telefon wieder, und ich laufe zurück zum Boot. Zwei Tage verloren, nur weil ich mein Handy gegen die Winsch gedrückt habe, so ein Mist. Aber nun sind wir startklar, und in La Coruña hält uns nichts länger. Das Wetter sieht brauchbar aus. Also tauschen wir zum ersten Mal die große Genua gegen die Rollfock und legen am nächsten Morgen ab.

      UMS CABO VILÁN

      Von Johannes

      Am Tag unserer Abfahrt aus La Coruña liegt morgens überraschend die QUEEN VICTORIA direkt neben uns an der Pier. Das Schiff sieht ihrer Schwester, der QUEEN MARY 2, ziemlich ähnlich, und natürlich werden bei uns sofort nostalgische Erinnerungen an unsere Reise auf dem Schiff wach. »Sie muss in der Nacht angelegt haben«, meint Cati. »Schade, dass wir das verschlafen haben.«

      Wieder steht der Wind von vorn, und der Weg ums Kap zieht sich. Ich erinnere mich an Wilfried Erdmanns Buch Tausend Tage Robinson, in dem er einen schweren Sturm vor dem Kap Finisterre beschreibt, in dem seine KATHENA 2 kenterte und die großen Fensterscheiben eingedrückt wurden. Dieses Kap liegt allerdings noch ein Stück weiter südlich, und erst einmal ist das Cabo Vilán unser Ziel. Auf diesem 104 Meter hoch gelegenen Plateau steht einer der ältesten Leuchttürme Spaniens. Und wir müssen uns jede Seemeile dorthin erkämpfen, denn aus dem Atlantik laufen große Wellen heran, in denen wir uns unter Maschine immer wieder feststampfen. An Segeln und Kreuzen ist nicht zu denken. »Cabo Vilán«, überlege ich. »Bedeutet das vielleicht dasselbe wie das englische Wort ›villain‹, also Gegenspieler, Schurke? Das würde ganz gut passen.« Obwohl wir früh am Morgen gestartet sind, wird es Nacht, bis wir das Kap endlich runden. Die Tide schiebt von vorn, und wir machen kaum mehr als zwei Knoten über Grund. Wir halten uns gut zwei Seemeilen von dem Kap frei, also eine Stunde zusätzliche Fahrt, und gehen dann auf Kurs Süd. Die karge, felsige Küste setzt sich kaum gegen die stockdunkle Nacht ab. Unser Ziel ist der kleine Fischerhafen Camariñas. Der Name klingt nett, und der große Wellenbrecher rund um den Hafen sieht so aus, als würde er für eine ruhige Nacht sorgen. Auf dem Kurs in die Bucht hinein wirken die Gezeiten nun zu unserem Vorteil und schieben gewaltig. Wir motoren mit gut 6 Knoten über Grund, navigieren einen großen Bogen und fahren hinein in den Hafen. Am Morgen bekommen wir dann einen großen Schreck, denn die ganze Bucht ist voller Fischfallen, deren Schwimmer eine Gefahr für unseren Propeller darstellen. In der Nacht haben wir diese aber offenbar alle verfehlt.

      Mittlerweile hat der Wind abgeflaut, und auch die Wellen sind kleiner. Wieder steht uns ein Tag unter Motor bevor. Langsam würden wir gern mal wieder segeln. Aber das Vorankommen ist im Moment wichtiger, und wir müssen jedes Wetterfenster nutzen. Das Kap Finisterre umrunden wir bei herrlichem Sonnenschein und sehen einige Pilger am Wasser, denn hier am Kap endet der Jakobsweg. Kurz darauf biegen wir in den ersten der wundervollen Rías ein. Das sind Flussläufe, die hier im Nordwesten Spaniens Einschnitte ins Binnenland bilden und die wir uns eigentlich gerne zwei Wochen lang angeschaut hätten. Doch dafür ist keine Zeit mehr, da wir vier Wochen in Viveiro verloren haben.

      Unser Ziel ist Muros. Wieder ein kleiner galicischer Fischerort und zugleich Hauptsitz der größten Fischereigenossenschaft der Region. Außerdem liegen im Ría Muros unzählige Muschelfarmen, deren Erzeugnisse regelmäßig abgeerntet und in der Fischauktionshalle verkauft werden. Mit großen, aber offenbar lebensmittelechten Schaufelbaggern werden die Muscheln auf den Umschlagplätzen zusammengeschoben und verladen. Die Geruchsentwicklung ist enorm. Aber der Fischerhafen liegt zum Glück im Lee des Yachthafens, und so trägt der leichte Westwind das Schlimmste davon. Die Marina ist relativ eng, aber glücklicherweise ziemlich leer. Ein Schiff, das darin liegt, kennen wir. Wir freuen uns riesig, die LILLY-MARIE wiederzusehen, und werden auch gleich wieder an Bord eingeladen. Jola hat mal wieder Kuchen gebacken. »Mensch, endlich liegen wir auch mal im selben Hafen«, freut sich Thomas. »Dann können wir heute Abend ja mal ein Bier zusammen trinken.« Die Idee wird schnell zum festen Plan, denn die Marina bietet dafür sogar einen Aufenthaltsraum mit mehreren Sofas. Kurz nach unserem Einlaufen gibt es noch einmal ein großes Hallo am Steg, denn der französische Katamaran KALAO, der neben uns in La Coruña lag, läuft ein. Er ist am selben Tag wie wir losgefahren, hat aber mit dem Ablegen bis zum Nachmittag gewartet, wenn der Wind abflauen sollte.

      Kaum liegt die KALAO an der Pier, verschwindet Lilly an Bord und spielt mit ihren Freundinnen Toscane und Charline. Und wir machen uns auf den Rückweg zu unserem Boot, um klar Schiff zu machen. Als wir dann am Abend im Aufenthaltsraum der Marina sitzen, lernen auch wir Laurent und seine Frau Cécile kennen. Ein faszinierender Mann, mit dem ich einiges gemeinsam habe. Er hat Schiffbau studiert und im Gegensatz zu mir das Studium abgeschlossen. Viele Jahre war er anschließend Redakteur beim französischen Multihull Magazine, hat dann aber sein Leben geändert und Schweine gezüchtet. Solange