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Weihnachtslinguistik


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Duisburg: UVRR.

      Beißwenger, Michael/Pappert, Steffen. 2020a. Sprachverfall durch Emojis? Eine pragmalinguistische Perspektive auf den Beitrag von Bildzeichen zur digitalen Kommunikationskultur. In: Aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur 16, 32–50.

      Beißwenger, Michael/Pappert, Steffen. 2020b. Warum Emojis keine Wörter sind – aber wichtige Einheiten der Interaktion. In: Gür-Seker, Derya (Hrsg.). Wörter, Wörterbücher, Wortschätze. (Korpus-)Linguistische Perspektiven. Duisburg: UVRR, 116–134.

      Beißwenger, Michael/Pappert, Steffen. 2020c. Small Talk mit Bildzeichen. Der Beitrag von Emojis zur digitalen Alltagskommunikation. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 50 (1), 89–114. Open Access: http://link.springer.com/article/10.1007/s41244-020-00160-5

      3 Frohe Weihnachten ★ Καλά Χριστούγεννα

      Matthias Meiler & Alexandros Apostolidis

      Jemandem Glückwünsche auszusprechen, ist eine vielgestaltige Praktik. Die Gelegenheiten und Anlässe, zu denen sie geäußert werden, sind so unterschiedlich wie zahlreich. Die jeweiligen sozialen Beziehungen und Gruppen, die Glückwünsche nötig oder möglich machen, und die medialen Formate, derer man sich dafür bedienen kann oder sollte, setzen dieser Praktik die Bedingungen, in denen sie ihre je angemessene Ausgestaltung erfährt. In ihrem Kern bleibt freilich eine Sache konstant: die guten Wünsche für den*die andere*n – kommuniziert in Text und Bild, in Rede und Geste, mit Handschlag oder Umarmung, per WhatsApp oder Postkarte, mit Brief oder E-Mail, am Telefon oder über Skype.

      Schon hier gibt es international bzw. interkulturell deutliche Unterschiede: So soll in Großbritannien bspw. ein einzelner Haushalt – statistisch betrachtet – jedes Jahr 150 Grußkarten erhalten.1 Es werden sogar Karten ‚von‘ Hunden und an Hunde versendet. In Deutschland zeigt sich demgegenüber keine solche Ausdifferenzierung oder Spezialisierung der Weihnachtspostkarte. Aber Weihnachtswünsche per Post zu versenden, lag nach einer Umfrage von über 14-Jährigen im Jahr 2010 mit 52 % immerhin ‚noch‘ auf Platz 2 (nach dem Telefon mit 75 %).2 In Griechenland werden Weihnachtswünsche, wenn sie per Postkarte ausgesprochen werden, typischerweise mit einem wohltätigen Zweck verbunden, indem i.d.R. Karten von Hilfsorganisationen (wie z. B. von Το Χαμόγελο του Παιδιού / Das Lächeln des Kindes) gekauft werden. Zudem schreibt man Postkarten kaum im privaten Kontext. Vielmehr pflegen Unternehmer*innen und Politiker*innen in der Weihnachts- und Silvesterzeit damit ihre Netzwerke.

      Sicherlich betreffen Glückwünsche (wie auch in unserem Fall) ein tatsächliches Ereignis, an dem sie sich möglichst erfüllen sollen. Da man jedoch anders als bei einem Versprechen selten Einfluss auf die Verwirklichung des Gewünschten hat, richtet sich das Äußern von Glückwünschen beinahe primär auf die soziale Beziehung zwischen den Kommunizierenden und auf ihre Pflege. Weil jede Art von Beziehung hier ihre eigenen Anforderungen hat, erscheint es besonders wichtig, immer den richtigen Ton zu treffen. Nicht zuletzt deswegen hat sich auch für das ‚richtige‘ Glückwünschen eine Ratgeberliteratur entwickelt – die selbstverständlich auch für Weihnachten guten Rat zu erteilen weiß.

      So lesen wir bspw. in einem Ratgeber jüngeren Datums: „Die Weihnachtszeit ist eine Zeit der besonders herzlichen Glückwünsche. Gefühlvolle Wörter wie ‚Liebe‘, ‚von Herzen‘, ‚innig‘, ‚besinnlich‘, ‚herzlich‘ dürfen im Glückwunschkontext nicht fehlen“ (Rosenbauer 2007: 28). Das gelte auch für die eher formellen Kontexte, in denen man z. B. Geschäftspartner*innen Wünsche ausspricht. Für diese Anlässe findet man im selben Buch die Formel: „Nicht zu forsch oder kühl formulieren“ (Rosenbauer 2007: 20).

      Welche Aspekte in solchen Ratgebern besondere Hervorhebung finden, sagt i.d.R. viel über eine Kultur aus – ohne dabei unbedingt zu dokumentieren, wie diese ist, als vielmehr wie einzelne sie gern sehen. In welcher Weise Glückwünsche kommuniziert werden, kann in jedem Falle in Verbindung gebracht werden mit jenen Werten und Normen, die eine Kultur (insbesondere auch für die Gestaltung von sozialen Beziehungen) relevant setzt. Über einen Vergleich erschließen sich diese dabei am prägnantesten.

      Interessanterweise scheint sich in der griechischen Ratgeberliteratur eine Sparte für das richtige Glückwünschen nicht herausgebildet zu haben. Demgegenüber findet sich entsprechendes für deutsche Glückwunschpraktiken bereits im 19. Jh. Buschs Glückwunschbuch für Kinder, in der Erstauflage 1896 erschienen, empfiehlt neben Versen und Liedern Postkartenwünsche und Geschenkaufschriften in folgender Form: „Weihnachtsgruß für meine herzliebe gute Mutter am 25. Dezember 19 . . von ihrem gehorsamen Sohne Karl“ (Busch 1896/1926: 86). Oder: „Dem liebevollen, guten Vater aus Dank und Freude am Heiligen Abende gewidmet von seiner Tochter Else. Köln, den 24. Dezember 19.“ (Busch 1896/1926: 86).

      Das Feld des Glückwünschens ist erkennbar weit und vielschichtig. Wir wollen uns deswegen hier auf einen begrenzten Ausschnitt, gewissermaßen auf den Kern der Praktik, konzentrieren: nämlich auf jene Glückwunschformeln, die im Deutschen und Griechischen heute üblich sind. Aus diesen kommunikativen Routinen wird auch der unterschiedliche Stellenwert ersichtlich werden, den Weihnachten in Deutschland und in Griechenland hat.

      Beziehungskommunikation ist typischerweise am Anfang oder am Ende von Kommunikationsepisoden besonders ausgeprägt (zum Forschungsfeld der Beziehungskommunikation siehe Holly 2001). Wenn man sich (nach mehr oder weniger langer Zeit) trifft und wenn man (für mehr oder weniger ungewiss lange Zeit) auseinander geht, verständigt man sich immer auch gegenseitig über die Art und Enge der zwischenmenschlichen Beziehung, in der man sich befindet, indem man z. B. mehr oder weniger herzliche (s.o.) Worte wählt, sich die Hand gibt, sich umarmt oder (die Wangen) küsst etc. Weil Glückwünsche, wie oben bereits gesagt, zu einem großen Teil v.a. der Beziehungspflege dienen, nisten sich diese auch maßgeblich in die Anfangs- und Endphasen von Gesprächen, Chats, Telefonaten etc. ein. Das bekannte ‚Reinfeiern‘ stellt für diese Kommunikationsroutine eine Ausnahme dar, da hier das zu bewünschende Ereignis in der Kommunikationsepisode selbst stattfindet (und zwar zu einem festgelegten Zeitpunkt: nämlich Mitternacht), anstatt über das Glückwünschen in der Kommunikation thematisiert zu werden. Sollte diese Thematisierung einmal nicht an der präferierten Stelle, d.h. gleich zu Anfang einer Interaktion, geschehen sein, wird ein solches Versäumnis i.d.R. eigens markiert: indem z. B. mittels „ach“ angezeigt wird, dass man sich dieser sozialen Verpflichtung gerade erinnerte. So beginnt ein gewisser Konstantin am 25. Dezember 2018 seine zweite Nachricht in einem WhatsApp-Gruppenchat unter Kommiliton*innen mit: „Ach und frohe weihnachten/nen paar schöne Feiertage wünsche ich euch […]“.3

      Natürlich ist das Aussprechen von Glückwünschen immer auch ein Anlass aktiv gesuchter Einzigartigkeit. Denn nicht zuletzt können wir mit individuell zugeschnittenen und kreativ formulierten Glückwünschen in besonderer Weise die Wertschätzung des Gegenübers und damit der Beziehung zu ihm*ihr zum Ausdruck bringen. Die Spielräume dieser sprachlichen Individualisierung scheinen bisher noch unerforscht zu sein. Unser Vergleich muss sich daher auf die konventionellen Formen konzentrieren.

      Dabei ist es naheliegend, bei jenen Wörtern zu beginnen, die das Fest in beiden Sprachen benennen: das Weihnachten & τα Χριστούγεννα (‚ta Christúgena‘4). Im Deutschen haben wir es – etymologisch betrachtet – mit einer Dativ-Pluralform zu tun, die einer Zeitangabe entstammt ze den wīhen nahten. Die ausschlaggebenden Bestandteile dieser Form wurden bereits im Mittelhochdeutschen des 14. Jh. als Grundform verwendet (Kompositum: wīhenachten), so wie wir es heute auch tun. Diesem Kompositum wird spätestens im 16. Jh. das grammatische Geschlecht Neutrum regelhaft zugeordnet – vermutlich in Analogie zu das Weihnachtsfest. Erst 200 Jahre später wird die feminine Grundform die Weihnacht gebräuchlich, die heute als stilistisch markiert gilt. Zur ursprünglichen Bedeutung liest man im KLUGE: „Die Betonung der Nacht geht wohl auf die christliche Liturgie zurück, der Plural bezieht sich darauf, dass mehrere Tage gefeiert wurde […]. Ein Zusammenhang mit einem älteren germanischen Fest ist denkbar, aber nicht besonders wahrscheinlich“ (Kluge: 987). Heute kann die Semantik des Wortes – gerade auch