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Weihnachtslinguistik


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ist die griechische Bezeichnung etwas sprechender. Auch hier liegt ein Kompositum vor. Dieses setzt sich zusammen aus der Genitivform von ο Χριστός (‚o Christós‘) und dem Wort für Geburt η γέννα (‚i géna‘). Wie im Deutschen kann es auf eine Phrase, nämlich auf η Χριστού γέννα (‚i Christú géna‘, wörtlich: Christi Geburt) zurückgeführt werden. Dass das daraus zusammengesetzte Kompositum nicht die grammatischen Eigenschaften von γέννα (‚géna‘, Geburt) hat (nämlich Genus Femininum und Singular), ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei τα Χριστούγεννα natürlich nicht um ein einfaches Kompositum handelt, das man wörtlich einfach mit die Christusgeburt übersetzen könnte. Am Artikel τα wird ersichtlich, dass eine Pluralform eines Wortes mit dem Genus Neutrum vorliegt. Bereits im Altgriechischen war es üblich, religiöse Feste auf diese Weise (Plural Neutrum) zu benennen: So verfügt der Name für die Feste zu Ehren von Dionysos τά Διονύσια (‚ta Dionísia‘)6 ebenfalls über die Eigenschaften Plural Neutrum.7 Mit einer Plural-Neutrum-Form wurden sowohl im Lateinischen wie auch im Griechischen auch die Saturnalia / τά Σατουρνάλια benannt. Das Fest zur Winteraussaat wurde im Römischen Reich traditionell im Dezember gefeiert. Als man im 4. Jh. begann, am 25. Dezember Weihnachten zu feiern, hat man sich wahrscheinlich nicht nur im Datum, sondern auch in der Benennungspraxis für religiöse Feste am genannten Vorbild orientiert. In der oben beschriebenen Form ist das Wort τά Χριστούγεννα (‚ta Christúgena‘, das Weihnachten) aber zum ersten Mal erst in Texten von Kaiser Konstantin VII. Porphyrogennetos (905–959) belegt (Babiniotis o.J.).

      In seiner heutigen, lexikologisch festgehaltenen Bedeutung gleicht das griechische Χριστούγεννα dem deutschen Wort Weihnachten beinahe vollständig. Das Triantafyllidis-Wörterbuch definiert es als „das Fest der Geburt von Christus, die man am 25. Dezember feiert“ (eigene Übersetzung).8 Nichtsdestotrotz ist für die Sprecher*innen des Neugriechischen der innere Aufbau des Kompositums durchsichtiger als das bei Weihnachten für Sprecher*innen des Deutschen der Fall ist. In einem Wörterbuch für Griechisch als Fremdsprache wird daneben noch eine weitere Dimension des Wortgebrauchs angeführt: „Wir nennen Χριστούγεννα die Tage kurz davor und kurz nach dem Weihnachtstag“ (eigene Übersetzung).9 Auf Deutsch spräche man von der Weihnachtszeit.

      Weihnachten gilt in Deutschland gemeinhin als mit Abstand wichtigstes Fest des Jahres. Zu diesem Anlass soll man – sprachlich betrachtet – vor allem eines sein: froh bzw. fröhlich. Deutsche Weihnachtswünsche richten sich mit diesen Adjektiven also typischerweise auf das Empfinden der Bewünschten. Mit den drei Wörtern Und fröhliche Weihnachten! enden in den letzten Tagen vor Weihnachten Gespräche häufig; v.a. wenn absehbar ist, dass man sich bis dahin nicht noch einmal trifft. Ein Gefühl der Hochstimmung, eine innere Heiterkeit10 soll damit für die Verabschiedeten zu Heiligabend und an den zwei Weihnachtsfeiertagen vorherrschend sein. Deutlich unspezifischer ist Schöne Feiertage! (‚schön‘ kann neben der Stimmung immerhin noch anderes mehr sein), was sich gegenüber Frohe bzw. Fröhliche Weihnachten jedoch nicht auch zur Begrüßung eignet. Als nur scheinbar unspezifisch ist die Wunschformel Frohes Fest! zu verstehen. Man hört sie eigentlich nur zu Weihnachten – dem Fest der Feste!

      Im Gespräch wie ebenso auch auf Postkarten begegnet einem eine Formel mit deutlich größerem Zielbereich, eine Formel nämlich, die in der Lage ist, die sog. Zeit zwischen den Jahren zu umklammern: Frohe Weihnachten und ein gesundes neues Jahr! Wohl vornehmlich im Bereich der Schriftlichkeit anzutreffen, sind Wünsche für besinnliche Weihnachtstage oder für ein gesegnetes Fest. Hier ist sprachlich die Ruhe und innere Einkehr noch präsent, die mit der Adventszeit (i.e.S.) und schließlich der Ankunft Jesu Christi auf Erden verbunden wird. Freilich handelt es sich dabei aber um einen Wunsch, der sich ebenso gut auch für die durchkapitalisierte (Vor-)Weihnachtszeit nicht-religiöser Weihnachtsfeiernder eignet.

      Das Griechische kennt im Vergleich zum Deutschen für alle nur denkbaren Anlässe konventionalisierte Wunschformeln. Für die Weihnachtszeit z. B. besonders brauchbar ist Καλή χώνεψη! (‚Kalí chónepsi!‘), womit nach den Mahlzeiten (wörtlich) eine gute Verdauung gewünscht wird. Aber auch speziell für die Weihnachtszeit und die Zeit um den Jahreswechsel herum finden sich fein ausdifferenzierte und stark formelhafte Glückwünsche. Obwohl Weihnachtstraditionen aus dem deutschsprachigen Raum (wie Lieder und Dekoration) seit der Herrschaft des bayerischen Königs Otto (1815–1867) in Griechenland weit verbreitet und auch heutzutage noch immer üblich sind, zeigt sich in der Sprachlichkeit von griechischen Glückwünschen ein deutlicher Unterschied zu den deutschen.

      Das typische Wunsch-Attribut ist im Griechischen καλός (‚kalós‘), mit der schlichten Bedeutung ‚gut‘. Eine Abweichung davon, im Sinne individualisierender Variation, ist kaum anzutreffen. Das Muster ist so weit verbreitet, dass es einem in allen nur denkbaren Wunsch-Kontexten begegnet, so z. B. in Καλή γυμναστική! (‚Kalí gimnastikí!‘, wörtlich: Guten Sport!) oder Καλό καθάρισμα! (‚Kaló kathárisma!, wörtlich: Gutes Putzen!). Mit Bezug auf den 25. Dezember kann man sich diesem Muster entsprechend Καλά Χριστούγεννα! (‚Kalá Christúgena!‘, wörtlich: Gute Weihnachten!) wünschen und damit, wie oben schon erläutert, den Festtag anlässlich Christi Geburt fokussieren. Dass dieser Tag für sich allein betrachtet in Griechenland aber gar nicht so zentral ist – in der orthodoxen Tradition ist das Osterfest ohnehin viel wichtiger – sieht man an einer anderen üblichen Wunschformel: Die Griechisch-Orthodoxe Kirche fasst mit den sog. Zwölf Tagen (το δωδεκαήμερο, ‚to dodekaímero‘), die sich vom 25. Dezember bis zum 5. Januar erstrecken, das Feiern der Geburt Jesu zusammen mit verschiedenen anderen Festen, wie z. B. den Tag des Heiligen Basilius. Epiphanias am 6. Januar, eines der wichtigsten Feste Griechenlands, schließt unmittelbar an. Dieser gesamte Zeitraum ist gemeint, wenn man den Wunsch Καλές γιορτές! (‚Kalés giortés!‘, wörtlich: Gute Feste!) ausspricht; demgegenüber ist im Deutschen mit Schöne Feiertage ja nur ein Bruchteil dieses Zeitraums gemeint (s.o.). Parallel zu den deutschen Wünschen für eine gesegnete Weihnachtszeit findet man auch im Griechischen Formeln wie Καλό δωδεκαήμερο (‚Kaló dodekaímero‘, wörtlich: Gute zwölf Tage!) und Ευλογημένο δωδεκαήμερο (‚Eflogiméno dodekaímero‘, wörtlich: Gesegnete zwölf Tage!), die im speziellen die zwölf Feiertage fokussieren und stark religiös konnotiert sind.

      In diesem Zwölf-Tages-Zeitraum ist es aber ebenso üblich, sich eines griechischen Glückwunsch-Passepartouts zu bedienen, das bspw. auch zum Geburts- oder Namenstag wie auch zu Mariä Verkündigung oder Mariä Himmelfahrt verwendet werden kann: Χρόνια πολλά! (‚Chrónia pollá!‘). Wörtlich übersetzt wünscht man dem Gegenüber damit ‚viele Jahre‘, also ein langes Leben. So wäre eine Gesprächseröffnung mit den Worten Γεια σου, Δημήτρη μου, χρόνια πολλά! (‚Giá su, Dimítri mu, chrónia pollá!‘, wort-wörtlich: Gesundheit dir, Dimítris mein, der Jahre viele!) nicht nur zur Weihnachtszeit möglich. Schon in der alltäglichen Begrüßungsformel Γεια σου (‚Giá su‘, distanzierter mit σας/‚sas‘, Ihnen), die üblicherweise mit Hallo (bzw. Guten Tag) übersetzt wird, steckt ja ein spezifischer Wunsch: Γεια bzw. γεια geht zurück auf υγεία (‚igía‘, Gesundheit). Dass in der Anrede das Possessivum μου (mein) dem Namen Dimítris folgt, gibt eine enge zwischenmenschliche Beziehung zum Angesprochenen zu verstehen. Es folgt der schon erwähnte Wunsch für ein langes Leben (χρόνια πολλά, ‚chrónia pollá‘). Zur Weihnachtszeit lautete eine angemessene Übersetzung für diese so übliche wie flexible Begrüßungsformel dann also: Hallo, mein lieber Dimitris, frohe Weihnachten!

      Obwohl – wie eingangs gesagt – das Aussprechen von Glückwünschen zu einem großen Teil dem Ausgestalten und Bestätigen der sozialen Beziehung zwischen den Kommunizierenden dienen mag, sagen uns die konkreten sprachlichen Gestalten, die den Kern der weihnachtlichen Glückwunschpraktiken