etwas dagegen hatte, wenn jemand vornehm aussah – aber: sein Mund…
Sie hielt es nicht länger aus und verließ den Salon, in dem sich die Erwachsenen gerade zum dritten Mal sagten, wie überglücklich sie über diese Verbindung wären, und daß man sich niemand Besseren und Lieberen hätte wünschen können.
Hoffentlich verstand Alexander und sah nach ihr.
Alexander Schönhausen, dem es ähnlich ging und dessen höfliches Lächeln allmählich immer weniger strahlte und immer eingefrorener wurde, verstand Ekatarina nur zu gut. Er entschuldigte sich mit einer gemurmelten, unverständlichen Floskel und war ihr gefolgt, bevor die Eltern und Schwiegereltern in spe nachfragen konnten, was denn los wäre.
»Uff!« sagte er lachend und schloß Ekatarina, die nur wenige Schritte weiter in der breiten Diele stand und auf ihn wartete, in die Arme.
»Sie sind ja alles sehr nett, und es freut einen, daß sie einverstanden sind! Aber was zuviel ist, ist zuviel!«
»Peinlich ist es«, fand Ekatarina zornig und dann strahlte sie ihn an. »Weißt du: ich finde dich ja auch toll – aber…«
»Aber was?« Er legte den Arm um sie und ging langsam mit ihr den Gang hinunter und durch eine rückwärtige Tür hinaus in den Park. »Hier können sie uns vom Fenster und der Terrasse aus nicht sehen!« erklärte er. »Was wolltest du sagen?«
»Würdest du mich auch lieben und heiraten wollen, wenn ich – wenn ich –« sie dachte nach – »Bardame in irgendeiner Disco wäre?«
Alexander sah sie verblüfft an und begann dann zu lachen.
»Muß es unbedingt eine Bardame sein?«
»Nein, natürlich nicht. Ich wollte nur wissen, ob du mich auch nur wegen meines Namens…«
»Jetzt bist du aber still!« Er hielt ihr ärgerlich den Mund zu, und als er ihre erschrockenen Augen sah, verschloß er ihn ihr mit einem Kuß. Nach einer Weile ließ er sie los. »Ich weiß, was du fragen willst: ob ich dich auch ohne Titel und Geld lieben und heiraten würde. Ja, mein Schatz! Das würd ich! Ich habe mich damals in dich verliebt…«
»Ja! Ich weiß! In dieser dämlichen Tanzstunde! Aber da waren doch nur Jungs und Mädchen aus sogenannten ›besseren Familien‹«, erinnerte sie ihn.
»Na ja, du hättest zum Beispiel die Tochter eines gut verdienenden Zahnarztes sein können«, schlug Alexander mit belustigt funkelnden Augen vor.
»Ja, das wäre möglich gewesen«, fand Ekatarina ernst. »Ich kann dir verraten, daß meine Eltern nicht mit dir einverstanden gewesen wären, wenn du ein Zahnarztsohn oder etwas ähnliches wärst.«
Er lachte auf und zog sie hinter einen Fliederbusch, um sie nochmals zu küssen.
»Den Eindruck habe ich allerdings auch«, gab er dann zu. »Was für ein Glück, daß ich kein Zahnarztsohn bin!« Sie lachten beide. Dann schmollte Ekatarina.
»Du nimmst mich nicht ernst!«
»Doch! Sehr! Ich bin sicher, daß es meinen Eltern so auch lieber ist«, gab er ehrlich zu. »Aber wenn du auch als Zahnarzttochter so wärest, wie du jetzt bist, bin ich auch sicher, daß sie nichts dagegen hätten.«
»Ehrlich?« staunte Ekatarina.
»Ehrlich!« erwiderte er und wollte sie wieder an sich ziehen. Doch sie stemmte ihre Arme gegen seine Brust.
»Meine Omama ist, glaube ich, auch mehr so wie deine Eltern«, meinte sie dann.
Er lächelte und strich über ihr seidiges blondes Haar.
»Den Eindruck hatte ich auch. Ich freue mich, daß sie meine Omama wird!«
Ekatarina schmiegte sich nun an ihn. Jetzt hätte sie nichts mehr gegen ein ausführliches Geschmuse einzuwenden.
»Jetzt bin ich dran«, sagte Alexander nun. »Hättest du dich denn in mich verliebt, wenn.«
»In der Tanzstunde noch nicht!« gab sie ehrlich zu. »Da fand ich eigentlich euch alle blöd!«
»Danke! Erbprinzen ebenso wie reiche Zahnarztsöhne?«
»Genau. Aber dann… Ein paar Jahre später: weißt du: auf der Hochzeit von Susi Greifenstein und Peter Ilmhoff…«
»Hm«, er grinste zufrieden. »Wußtest du, daß ihr auf meine Bitte hin eingeladen worden wart? Denn ihr standet doch damals gerade vor dem Abitur!«
»Nein, das wußte ich nicht«, erwiderte Ekatarina, entzückt, daß er sie in den drei oder vier Jahren zwischen Tanzstunde und Abitur nicht vergessen hatte, und das, obgleich er in dieser Zwischenzeit beim Bund war und schon ein paar Semester studierte… »Aber ich wußte nicht, wer du bist, ich dachte, Fonsi wäre der Schönhausen…«
»Und trotzdem hast du dich verliebt?« fragte er zärtlich.
»Und wie!« seufzte Ekatarina. Dann dachte sie nach. »Mit den Augen – da hätte ich mich wahrscheinlich auch in einem Eisverkäufer verliebt!« Sie seufzte hingebungsvoll.
Alexander blieb einen Moment der Mund offen.
»Das ist ja…« Bevor er sich empört weiter äußern konnte, riß sie sich los und rannte lachend durch den Park zum Schloß zurück. Er sprintete hinter ihr her, und vor der Türe holte er sie ein und bestrafte sie für ihre Frechheit mit einem langen Kuß.
»Ist es nicht entzückend anzusehen?« fragte oben an dem großen Fenster Eliane Sturmeck die Fürstin Jenny Schönhausen. Die schenkte ihr ein zustimmendes Lächeln, während sie bei sich dachte: ein Glück, daß Ekatarina nicht so überschwenglich ist wie ihre Mutter. Eigentlich liegt mir die liebe Auguste mehr! Schade, daß sie sich nicht wohl fühlte und früher aufbrach.
*
Uff! Das war überstanden! Eigentlich waren die Schönhausens ja alle sehr nett! Besonders Alexander war wirklich ein echter Märchenprinz, wie ihn ihre liebe Ekatarina verdiente – aber sie hatte sich einfach scheußlich gefühlt!
Der Schnupfen war immer stärker geworden, sie hatte ständig geniest – was auch für die anderen wirklich nicht angenehm war! – und dann hatten sich auch noch Kopfschmerzen dazugesellt. War es ihr nur so vorgekommen, oder war es tatsächlich besonders laut und lustig zugegangen? Jetzt erinnerte sich Auguste auch daran, daß sie bereits am Morgen gefroren hatte. Sie hatte es nicht weiter beachtet – und wahrscheinlich wäre es ohnehin schon zu spät gewesen, um etwas zu unternehmen.
Nun lag sie in ihrem schönen Himmelbett, hatte dank der Wärmflasche warme Füße, trank den mit Honig gesüßten Kamillentee, den Emma ihr zubereitet hatte, und wenn ihre Augen tränten und ihre Nase rot war – wenn schon! Jetzt brauchte sie nicht mehr würdig auszusehen!
Es kam Auguste vor, als ginge es ihr bereits besser. Doch das Fieberthermometer zeigte etwas ganz anderes an, und Emma beschloß, gegen ihre leisen Proteste, daß sie gleich morgen früh Dr. Wenden anrufen würde. Es sei denn, die Gräfin wäre bis dahin völlig fieberfrei.
»Aber das glaube ich nicht!« sagte Emma und sah ihre verehrte Herrin vorwurfsvoll an – was natürlich nur ihre Besorgnis ausdrückte.
Auguste trank brav den Tee aus, dann legte sie sich hin und zog sich die Decke bis an die Nasenspitze. Sie schloß die Augen und versuchte, einzuschlafen und etwas Schönes, Beruhigendes zu träumen.
Doch es gelang ihr nicht.
Je mehr sie sich bemühte, um so wacher wurde sie.
Es war natürlich dumm und auch völlig sinnlos, sich Sorgen zu machen: aber sie konnte sie nicht unterdrücken! Wahrscheinlich lag das mit an ihrer Erkältung!
Sie fand Ekatarina einfach zu jung, um sich fürs Leben zu binden!
Sicher, sie war nicht älter gewesen, als sie sich verlobte und ein Jahr später heiratete! Aber – sie hatte noch den letzten Krieg mitgemacht! Bewußt! Sie war zwölf bei Kriegsende gewesen. Und ihr lieber späterer Mann war noch als Sechszehnjähriger