Matthias Koch

Torsten Mattuschka


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Uhr), Flimmerstunde / Das Pferdemädchen (14.15 Uhr), Jugendklub (16 Uhr), Sport aktuell (17.35 Uhr), Das Sandmännchen (18.50 Uhr) und Fete Elysée – Melodien zum 100. Geburtstag von Jacques Offenbach (20 Uhr). Vor dem Sendeschluss gibt es um 23.15 Uhr letztmals Nachrichten.

      Fernsehen 2 startet erst am späten Nachmittag seinen Betrieb mit Was – wann – wo? (16.25 Uhr). Bevor die Aktuelle Kamera bereits am frühen Abend (21 Uhr) das Programm beendet, gehören Alte Kriminalfälle: Zwischenfall am Donnerstag, eine tschechoslowakische Fernsehserie (18 Uhr), Phon – Eine Musikillustrierte mit viel Unterhaltung und Information (19 Uhr) sowie Sport am Abend – TSC-Boxturnier (19.30 Uhr) zum Unterhaltungsprogramm an Mattuschkas Geburtstag.

      Die Zeitungen der DDR berichten am 4. Oktober 1980 über den Sozialismus in seinem Lauf. Die Schlagzeilen in der Lausitzer Rundschau lauten „Einheimische Rohbraunkohle stärker direkt einsetzen“, „30.000 Cottbuser Neubauwohnungen“ oder „Alltag im Kapitalismus – Anti-EGDemonstrationen“.

      Die Berliner Zeitung muss insgeheim etwas von der Geburt Mattuschkas geahnt haben. Sie schreibt prominent platziert über „Eine Schildkröte mit flotter Gangart“. Es dreht sich dann aber doch nicht um Fußballerbeine, sondern um den Volkseigenen Betrieb (VEB) Berliner Schleifmittel.

      Auf der sportlichen Schiene steht bei allen Zeitungen an diesem Tag die Auslosung der 2. Runde im Fußball-Europacup im Blickpunkt. „Pokalsieger Jena trifft auf Cupverteidiger FC Valencia“, druckt Neues Deutschland über seinen Text. Im Landesmeister-Wettbewerb bekommt es der BFC Dynamo mit Baník Ostrava zu tun. Im UEFA-Pokal lauten die Paarungen mit DDR-Beteiligung Twente Enschede – Dynamo Dresden, AC Turin – 1. FC Magdeburg und VfB Stuttgart – Vorwärts Frankfurt / Oder.

      Und wo und wie haben am ersten Wochenende im Leben des Torsten Mattuschka jene Mannschaften gespielt, deren Trikot er später einmal im Profibereich tragen wird? Der 1. FC Union Berlin siegt am 4. Oktober 1980 in der Staffel B der DDR-Liga bei Stahl Hennigsdorf vor 4.300 Zuschauern mit 6:2 und steht nach dem fünften Spieltag mit 8:2 Punkten hinter Chemie Schwedt auf Rang zwei.

      Energie Cottbus gewinnt am selben Tag in der Staffel D der fünfstaff-ligen zweithöchsten Spielklasse im Stadion der Freundschaft vor 2.000 Fans gegen Motor Werdau mit 3:0. Energie führt die Tabelle mit 8:2 Zählern vor der TSG Gröditz (7:3) an. Die Cottbuser schaffen am Saisonende sogar zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte den Aufstieg in die DDROberliga.

      Musikalisch ist in der Bundesrepublik Oliver Onions mit „Santa Maria“ die Nummer eins, der vom 22. September bis 2. November 1980 die Hit-parade anführt. Abgelöst wird er dann kurioserweise von der deutschen Fassung des Titels. Roland Kaiser thront mit ihm bis zum 7. Dezember 1980 ganz oben.

      Der kleine Torsten ist da – der Vater bald weg

      Am 4. Oktober 1980 kommt Torsten Mattuschka als zweites Kind der Familie im Bezirkskrankenhaus Cottbus auf die Welt, das 1991 in Carl-Thiem-Klinikum umbenannt wird. Der kleine Torsten, der nicht unbedingt ein Wunschkind ist, wiegt am Tag seiner Geburt 3.800 Gramm. Die Größe ist mit 52 Zentimetern überliefert. Die genaue Zeit seiner Geburt wusste Mattuschka bis ins Jahr 2016 hinein nicht. Aber Mutter Christa, 1958 in Tranitz geboren, konnte Abhilfe leisten. Um 8.40 Uhr beginnt an jenem 4. Oktober die Zeitrechnung ihres Sohnes.

      Christa Mattuschka ist von Beruf Fleischermeisterin, Vater Horst, geboren 1955, als Rettungssanitäter unterwegs. Torsten hat eine Schwester Katja, die drei Jahre älter ist. Die Mattuschkas leben in Tranitz. „Da hatten meine Eltern die Gaststätte Wieder. Die gehörte Opa Heinz“, erinnert sich Christa Mattuschka.

      Die damals zum Kreis Cottbus-Land zählende kleine Gemeinde liegt im Lausitzer Tagebaugebiet. Das hört sich nicht nur nach großen Schaufelbaggern, Lärm und viel Dreck an. Das ist sogar das Todesurteil für das Dorf. Der Tagebau Cottbus-Nord, in dem erst 35 Jahre später im Dezember 2015 die letzte Kohle gefördert wird, schluckt schon bald nach der Geburt von Torsten Mattuschka auch Tranitz.

      In den Jahren 1983 und 1984 wird der 1463 erstmals urkundlich erwähnte Ort vollständig abgebrochen. 171 Menschen müssen umgesiedelt werden. Einige zieht es nach Cottbus, andere in die nahegelegenen Dörfer Dissenchen und Merzdorf, die 1993 eingemeindet werden und dann zur Stadt Cottbus gehören.

      Die Mattuschkas und ihre Vorfahren verlassen im Frühjahr 1982 Tranitz. Für die Großeltern Irmgard und Heinz Wieder († 2006), die Eltern von Christa Mattuschka, ist der Heimatverlust besonders schmerzlich. Sie verlieren das Haus, in dem Heinz Wieder aufgewachsen ist. Sie ziehen nach Merzdorf um. Die Familie des späteren Fußballprofis wird in Cottbus-Sachsendorf in der Bertolt-Brecht-Straße 7 heimisch. Die Vertriebenen erhalten vom Tagebau in einem Neubau mit elf Stockwerken eine Vier-Raum-Wohnung. „Wer kein Grundstück wollte, hat eine Wohnung bekommen“, sagt Christa Mattuschka.

      Im Umzugsjahr ist die Familie von Torsten Mattuschka noch komplett. Er geht in Cottbus-Sandow in den Kindergarten. Zwei Jahre später gibt es für die Geschwister Katja und den vierjährigen Torsten jedoch eine weitere gravierende Änderung. Die Eltern lassen sich im November 1984 scheiden. Weil der Vater auszieht, entscheidet sich Christa Mattuschka schließlich für eine kleinere Wohnung in der Bertolt-Brecht-Straße 18 in Sachsendorf. „Ich hätte mir das sonst nicht mehr finanziell leisten können“, erinnert sie sich. Wieder geht es in eine Platte, diesmal vom Typ P2. Von nun an schmeißt Christa Mattuschka den Familienladen allein.

      Opa Heinz wird nun quasi zum Ersatzvater des kleinen Torsten. Er spielt später auch eine entscheidende Rolle bei der sportlichen Entwicklung seines Enkels. Die Großeltern meinen es generell gut mit dem jüngsten Spross der Familie. „Opa hat mir manchmal einfach so 20 Mark gegeben und gesagt, dass ich Oma nichts sagen soll“, berichtet Torsten Mattuschka. „Dann bin ich zur Oma gegangen. Die reichte auch 20 Mark rüber und sagte, dass ich Opa nichts sagen soll. Opa und Oma haben alles für mich gemacht.“

      Torsten Mattuschka verkauft Fahrräder

      Mit seinem Erzeuger hat Torsten Mattuschka auch wegen der frühen Trennung der Eltern später kaum Berührungspunkte. „Zum Vater gibt es wenig Kontakt. So richtig gab es den nie. Zweimal war er im Verlauf meiner Profikarriere vielleicht im Stadion“, erinnert sich Mattuschka. „Vom Vater hat er nicht viel mitbekommen“, meint Christa Mattuschka.

      Eines aber doch: einen ziemlich einprägsamen Nachnamen. Die Suchmaschinen spucken dazu einiges aus. 2002 wurden 35 Millionen Telefonteilnehmer in Deutschland erfasst. Dabei kam der Name Mattuschka 116-mal in 33 Landkreisen vor. Es gab 309 Personen mit diesem Nachnamen. Damit gehört er schon zu einem der selteneren. Mattuschka lag lediglich an Stelle 32.458 der häufigsten Nachnamen. Die meisten Menschen mit dem Familiennamen Mattuschka wurden in Cottbus gefunden. Der Name kam 18-mal im Telefonbuch vor.

      Auf der Internetseite von Das Örtliche sind für Cottbus 2016 zwölf Mattuschkas erfasst. Und bitte nicht wundern, der Fahrradeinzelhandel „StadtRad“ wird sogar von einem Menschen namens Torsten Mattuschka betrieben. Es handelt sich allerdings nur um einen Namensvetter des Kickers. „Der war in meiner Zeit bei Union sogar mal im Stadion An der Alten Försterei. Da hat er seinen Ausweis als Beweis vorgelegt“, sagt Mattuschka. „Als wir noch in Cottbus gewohnt haben, kaufte ich in seinem Laden ein Fahrrad für meine Tochter Miley.“

      Auch andernorts lassen sich noch weitere Mattuschkas finden. „Der Name kommt in sorbischen Gebieten relativ häufig vor. In Drachhausen und Guhrow gibt es einige Mattuschkas“, sagt die Mutter von Torsten Mattuschka.

      KAPITEL 2

       In Merzdorf fing alles an

      Sein Freund der Ball

      Die Erziehung von Torsten Mattuschka fällt vermutlich nicht leicht. „Beim Mistbauen war ich immer weit vorne dabei. Ich habe Muttern einmal sogar Geld geklaut und damit meine Kumpels aus der Klasse auf den Rummel eingeladen. Da war ich vielleicht acht, neun Jahre alt. Mutter hatte immer Geld in einer Mon-Chéri-Büchse geparkt“, berichtet Mattuschka.

      Mama Christa findet das gar nicht gut, zumal sie erst