Sind Sie stolz darauf, dass einer wie Mattuschka in Merzdorf angefangen hat?
„Sicher. Und als er Dissenchen wieder verlassen hatte, wurde auch nicht mehr negativ über ihn gesprochen. Man darf nicht vergessen: Er zog ja noch andere Jungs aus unserem Verein nach Dissenchen nach, beispielsweise seinen späteren Trauzeugen Daniel Dubrau. Aber viele ehemalige Merzdorfer sind zurückgekehrt und spielen inzwischen bei den Alten Herren. Einige haben auch ein paar Jungs produziert, sie sind Väter geworden. Wir haben derzeit eine F- und eine Bambini-Mannschaft.“
Aktuell spielen Merzdorf und Dissenchen bei den Männern nach 37 Jahren wieder in einer Liga. Wie groß ist die Feindschaft noch?
„Die Spieler untereinander verstehen sich. Die Sprüche vom verbotenen Dorf Dissenchen fallen aber immer noch. Die sind die Süd-Molukken, und wir sind die Nord-Molukken.“
Hat Merzdorf eigentlich mal eine Ausbildungsentschädigung für Mattuschka erhalten?
„Nein, wir haben darauf verzichtet. Das könnte auch daran liegen, dass der Wechsel von Merzdorf zu Energie nicht ganz sauber verlief. 1988 hat Energie einfach einen neuen Spielerpass für Torsten ausgestellt, obwohl er bei uns schon einen hatte. Uns hat damals aber keiner gefragt.“
(K)ein guter Esser
Torsten Mattuschka fehlt es in seiner Jugend finanziell an nichts. Die alleinerziehende Mutter hat keine Probleme, die Kinder durchzubringen. „Mama hat alles dafür getan, dass wir gute Klamotten haben“, weiß Mattuschka zu berichten.
Christa Mattuschka bringt von ihrem Job im Fleischerei-Fachgeschäft auch gern etwas mit zum Futtern nach Hause. Dass Torsten später nicht zu den Grazien unter den Profifußballern Deutschlands gehören wird, nimmt sie ein bisschen auf ihre Kappe. „Es liegt wahrscheinlich auch an mir, dass Torsten ein guter Esser geworden ist. Weil ich meine Kinder gut versorgt habe. Wir hatten zu DDR-Zeiten alles. Ich habe selbst gern gegessen. Häufig gab es Schnitzel oder Bratwurst“, erzählt Christa Mattuschka. Ihre Freundin hatte zudem in Sachsendorf einen Imbissstand.
Häufig bittet der heranwachsende Torsten die Mutter um Geld – für Pommes. Auf dem Markt ist Torsten Stammkunde. Mutter Christa berichtet, dass sie auch gern mit den Kindern zu McDonald’s gefahren sei. Das tut Mattuschka heute noch. Der Autor dieses Buches hat es auch schon erlebt, dass der im Auto sitzende Mattuschka ein Telefonat kurz unterbricht, um mal eben am Drive-in-Schalter eines Schellrestaurants eine Bestellung aufzugeben.
Überraschend ist jedoch die Aussage Mattuschkas, dass er schon immer ein Mäkelfritze gewesen sei. „Ich sehe zwar so aus, als ob ich alles fresse, aber es ist nicht so. Ich mag keine Leberwurst und keine Bock-wurst. Auch Ananas kann ich nicht mehr sehen, seitdem mir einmal davon richtig schlecht geworden ist“, berichtet Mattuschka. „Wenn ich mich vom Essen übergeben muss, bekomme ich das nie mehr herunter. Das ist anders als beim Saufen.“
Von wegen „Tusche“
Für Tausende Fans ist heute klar: Der Spitzname von Torsten Mattuschka lautet „Tusche“, und dieser hat sich vor allem in seiner Zeit beim 1. FC Union herauskristallisiert. Seit wann der beliebte Fußballer so gerufen wird, ist aber nicht belegt. Früher war es auch üblich, dass er als „Tuschkasten“ verunglimpft wurde. Mattuschka glaubt, dass es den „Tusche“ oder „Tuschi“ auch schon in seiner ersten Phase bei Energie Cottbus gab – selbst wenn dieser Spitzname damals längst nicht so häufig wie heute benutzt wurde.
Mattuschka stellt aber auch klar, dass er in Merzdorf schon immer der „Higgins“ gewesen sei. Woher dieser Spitzname stammt, weiß er nicht genau. Eine Vermutung ist, dass dieser auf der US-amerikanischen TVSerie Magnum beruht, die zwischen 1984 und 1991 zunächst im ARDFernsehen ausgestrahlt wurde. Der von Tom Selleck gespielte Privatdetektiv Magnum gerät darin immer wieder mit dem Grundstücksverwalter Jonathan Quayle Higgins in Konflikt, den Schauspieler John Hillerman mimte. „Da war ich fünf oder sechs Jahre alt. Da wurde ich in Feuerwehrkleidung gesteckt. Die Stiefel waren viel zu groß. Da hat irgendjemand gesagt, der sieht aus wie Higgins“, beschreibt Mattuschka die Entstehung seines ersten Spitznamens.
Seine Schwester Katja pflichtet dem bei. In Merzdorf wisse jeder, wer mit „Higgins“ gemeint sei. Sie selbst schreibe ihn bei WhatsApp immer mit „Mein Kleiner“ an. Mutter Christa nennt ihren Sohn ebenfalls den „Kleinen“ oder schlichtweg „Torsten“. Bei Frau Susanne ist er der „Schatzi“.
Im Merzdorf-Clan wird heute noch über die Schreibweise des Urspitznamens von Mattuschka gerätselt. Robert Zeitz geht von der Schreibweise „Hegens“ aus. Daniel Dubrau widerspricht. „Ich sagte immer Higgins zu ihm. Ich wusste anfangs gar nicht, dass er anders hieß.“ Fest steht nur, dass er in Merzdorf nicht der „Tusche“ ist. „Das ist erst bei Union entstanden. Für uns ist und war er immer der Higgins. So hieß er von klein an“, meint sein erster Merzdorfer Trainer Andreas Raack.
KAPITEL 3
Zur BSG Energie und Rauswurf beim FC Energie
1988 bis 1996
Beim größten Fußballverein der Stadt
Torsten Mattuschka ist sich ganz sicher: Er hat in jungen Jahren immer die meisten Tore geschossen. Egal, ob beim Training, in Spielen von Aufbau Merzdorf oder beim unorganisierten Kicken mit seinen Jungs in Käfigen und auf Bolzplätzen in Cottbus, Merzdorf und Umgebung.
Sein Talent bleibt auch Energie Cottbus nicht verborgen. Der heutige Fußballklub firmiert Ende der 1980er Jahre noch unter dem Namen Betriebs-Sport-Gemeinschaft (BSG) Energie Cottbus. Mattuschka fällt den Energie-Spähern 1988 bei einem Schulturnier im Stadion der Freundschaft auf. Seit 1987 gibt es die sogenannte Stadtmeisterschaft für die zweiten Klassen der Cottbuser Oberschulen. Dabei werden Talente für das Cottbuser Trainingszentrum (TZ) gesichtet. „Dort waren alle Nachwuchstrainer von Energie im Einsatz“, sagt der frühere Energie-Trainer, langjährige Cottbuser Nachwuchscoach und TZ-Leiter Ulrich Nikolinski, Jahrgang 1944.
Nikolinski vermutet, dass Mattuschka im September 1988 an so einem Schulturnier teilnahm und nach den Herbstferien des gleichen Jahres in die Mannschaft der Altersklasse (AK) 8 von Energie integriert wurde. Mattuschka selbst hat hinsichtlich seines genauen Eintrittsdatums bei Energie Gedächtnislücken. Aber an die Sichtung kann er sich erinnern. „Das Turnier fand auf vier Kleinfeldern statt. Meine Schule war dabei. Ich habe gut gespielt und auch einige Tore geschossen“, berichtet Mattuschka. „Ich weiß nicht mehr, ob der Verein direkt auf mich zugekommen ist. Wahrscheinlich haben sie mit meinem Opa Heinz gesprochen.“
In den ersten Jahren bei Energie wird Mattuschka auch vom ehemaligen Cottbuser DDR-Oberliga-Spieler Karl-Heinz Jahn trainiert. Er schaute genau auf das damalige Sichtungsturnier der AK8, weil er als verantwortlicher Trainer der nächstfolgenden AK9 schon seine zukünftige Truppe im Blick hatte, die er mit zusammenstellte. „Die Sichtung wurde im Stadion durchgeführt. Die Kinder kamen aus allen Cottbuser Schulen. Torsten war mit seinem Opa da. Die ausgesuchten Jungen haben alle einen Zettel bekommen“, sagt Jahn. „Die Spieler der Mannschaft wohnten meist in Sachsendorf in den Neubauten. Die haben sich nach dem Training oft getroffen und weiter Fußball gespielt.“
Der Abschied von seiner Merzdorfer Gang fällt Mattuschka nicht leicht. Aber schließlich ist Energie Cottbus der größte Verein der ganzen Gegend. „Ich war stolz darauf, dass ich zu Energie gehen durfte und dass sie mich wollten“, sagt Mattuschka heute. Durch den Wechsel zu Energie reißt 1988 der Kontakt zu seinen Freunden ein wenig ab, auch weil Mattuschka nicht in Merzdorf, sondern in Cottbus wohnt. „Wir waren Kinder, dann kam halt der nächste Kumpel. Als wir mal gegen ihn gespielt haben, bekamen wir 19, 20 Dinger von Energie – und Higgins hat acht Tore geschossen“, berichtet Busenfreund Daniel Dubrau. „Ich kann mich aber auch erinnern, dass Torsten mit zwölf oder 13 Jahren als Cottbuser schwarz für Merzdorf aufgelaufen ist.“
Bei den Knaben (heute D-Junioren) und Schülern (C-Junioren) ist Mattuschka als Stürmer oder hängende Spitze sehr präsent. Im Schülerbereich wird er von Joachim Helas, geboren 1955, und Karl-Heinz Jahn