dass irgendetwas, das gedeihlich und nutzbringend werden konnte, vernachlässigt und verachtet wurde, als ob es nicht auch zu den Gaben des lieben Gottes gehört hätte. Sylvinet betrachtete alle diese Dinge mit gleichgültigen Augen und wunderte sich, wie sein Bruder so großen Anteil daran nehmen konnte. So fand er überall wieder einen Grund zum Argwohn und sprach zu Landry:
»Du bist ja ganz vernarrt in diese großen Ochsen; du denkst wohl gar nicht mehr an unsere kleinen Stiere, die so feurig und doch so sanft und folgsam mit uns beiden waren. Von dir ließen sie sich noch williger anschirren als von unserem Vater. Du hast mich auch noch nicht einmal nach unserer Kuh gefragt, die doch so gute Milch gibt, und die mich jetzt immer so betrübt ansieht, wenn ich ihr das Futter bringe; es ist grade, als ob sie es verstände, dass ich nur ganz allein bin, und als ob sie mich fragen wollte, wo denn der andere Zwilling sei.«
»Sie ist ein gutes Tier, das ist wahr«, sagte Landry; »aber betrachte einmal diese hier! gleich wird sie gemolken und in deinem ganzen Leben hast du noch nicht eine so reichliche Milch gesehen.«
»Das mag sein«, erwiderte Sylvinet; »aber dass die Milch und der Rahm ebensogut wären, wie die von unserer braunen, da wette ich doch, dass dies nicht der Fall ist, denn die Futterkräuter vom Zwillingshof sind besser, als die hier wachsen.«
»Den Teufel auch!« fuhr Landry auf, »ich möchte doch wohl überzeugt sein, dass unser Vater gern tauschen würde, wenn man ihm die schönen Heuernten, die Vater Caillaud von seinen Wiesen heimführt, für seinen Binsenwuchs an den Ufern des Baches böte!«
»Bah!« hob Sylvinet wieder an und zuckte mit den Achseln, »es gibt in dem Schilfgrund viel schönere Bäume, als alle die eurigen sind, und was das Heu betrifft, wenn es auch spärlicher wächst, so ist es doch sein, und wenn es eingefahren wird, verbreitet es den ganzen Weg entlang einen Duft wie Balsam.«
So stritten sie um nichts und wieder nichts, denn Landry wusste recht gut, dass es kein schöneres Anwesen gibt als das, was man selbst besitzt; und Sylvinet dachte bei allen seinen Behauptungen im Grunde nicht mehr an das väterliche Besitztum, als an irgendein anderes, indem er das Anwesen in la Priche herabsetzte. Aber aus allen diesen Wortfechtereien ging es klar hervor: dass der eine der beiden Brüder sich damit begnügte, zu arbeiten und zu leben, einerlei wo und wie dies geschah; und dass der andere gar nicht begreifen konnte, wie es nur möglich sei, dass sein Bruder fern von ihm, auch nur einen Augenblick des Behagens und der Ruhe genießen könne.
Wenn Landry ihn in den Garten seines Herrn führte und zufällig einmal das trauliche Gespräch mit ihm unterbrach, um von einem Pfropfreis einen abgestorbenen Zweig abzuschneiden, oder um ein Unkraut auszureißen, das dem Wachstum der Gemüse hinderlich war, ärgerte sich Sylvinet, dass sein Bruder stets an Ordnung und fremden Dienst denken konnte, statt wie er es tat, mit gespannter Aufmerksamkeit auf das geringste Wort seines Bruders zu horchen. Er hütete sich aber wohl etwas davon merken zu lassen, denn er schämte sich, dass er so leicht zu ärgern war; aber, wenn der Augenblick der Trennung kam, pflegte er wiederholt zu sagen: »Nun, für heute hast du wohl genug an mir gehabt; vielleicht gar zu viel, dass dir die Zeit darüber lang geworden ist.«
Landry konnte diese Vorwürfe nicht verstehen; sie waren ihm peinlich, und er begriff nicht, warum sein Bruder sich in solchen Anspielungen erging; dieser aber wollte und konnte sich nicht weiter darüber erklären.
Wenn der arme Bursche schon auf die geringsten Dinge, die Landry beschäftigten, eifersüchtig war, wie viel mehr war er dies auf die Personen, denen Landry eine Anhänglichkeit bewies. Er konnte es nicht vertragen, dass dieser mit den anderen Burschen in la Priche in freundlichem Verkehr stand; und wenn er sah, dass er sich mit der kleinen Solange befasste, sie liebkoste, oder mit ihr spielte, hielt er ihm vor, dass er seine kleine Schwester Nanette vergesse, die, nach seiner Meinung, doch tausendmal zierlicher, hübscher und liebenswürdiger sei, als jenes garstige kleine Ding.
Da es nun einmal in der Natur der Eifersucht liegt, niemals gerecht sein zu können, schien es ihm wiederum, dass Landry sich, wenn er auf den Zwillingshof kam, viel zu viel mit seiner kleinen Schwester beschäftigte. Sylvinet warf ihm vor, nur für sie Auge und Ohr zu haben, und dass er selbst ihm langweilig und gleichgültig sei.
Endlich wurde er in seiner Freundschaft so anspruchsvoll und geriet in eine so traurige Verstimmung, dass Landry darunter zu leiden begann, und weder Glück noch Freude darin finden konnte zu häufig mit seinem Bruder zusammen zu sein. Es ermüdete ihn etwas, immer wieder denselben Vorwurf hören zu müssen, dass er sich so gut in sein Schicksal gefunden habe, und er hätte auf den Gedanken kommen können, Sylvinet würde sich weniger unglücklich gefühlt haben, wenn er seinen Bruder eben so untröstlich gesehen hätte, wie er es selbst war. Landry gelangte zu der Erkenntnis, und wollte dies auch seinem Bruder begreiflich machen, dass Liebe und Freundschaft, wenn sie in ein Übermaß ausarten, sogar vom Übel werden können. Sylvinet wollte dies durchaus nicht einsehen, und betrachtete es sogar als eine große Härte von Seiten seines Bruders, dass er ihm nur so etwas sagen könne. Von dieser Auffassung ließ er sich so beherrschen, dass er mit seinem Bruder zu grollen begann, und Wochen vorüber gehen ließ, ohne einen Besuch in la Priche zu machen, obgleich er sich vor Sehnsucht darnach verzehrte. Dennoch versagte er sich die Befriedigung derselben und setzte seinen Stolz in eine Enthaltsamkeit, in der er ihn gar nicht hätte suchen sollen.
Es kam sogar so weit, dass Sylvinet, wie ein Wort das andere gibt, und aus einer Kränkung die andere erwächst, alles, was Landry Verständiges und Wohlmeinendes ihm sagte, um ihm den Kopf wieder zurecht zu setzten, stets nur noch übler aufnahm. Schließlich wurde der Arme so erfüllt von Verdruss und Groll, dass es Augenblicke gab, in denen er sich einbildete seinen Bruder, diesen Gegenstand seiner leidenschaftlichen Liebe, zu hassen; ja, er verließ sogar an einem Sonntag das Haus, nur um nicht mit seinem Bruder zusammenzutreffen, der auch nicht ein einziges Mal verfehlt hatte, sich an diesem Tage einzufinden.
Landry fühlte sich durch dieses kindische Gebaren sehr gekränkt. Er war ein Freund des Vergnügens, und liebte selbst die laute Lustbarkeit, weil er sich mit jedem Tage kräftiger und freier fühlte. Bei allen Spielen bewährte er den geschmeidigsten Körper und das geübteste Auge. Es war also ein kleines Opfer, das er seinem Bruder brachte, wenn er jeden Sonntag der lustigen Gesellschaft der Burschen von la Priche entsagte, um den ganzen Tag auf dem Zwillingshof zu verbringen; zumal, da er Sylvinet gar nicht dazu bringen konnte auf dem Dorfplatz von la Cosse mitzuspielen, oder mit anderen einen gemeinsamen Spaziergang zu machen. Der arme Knabe, der an Körper und Geist vielmehr Kind geblieben war, als sein Bruder, und der nur von dem Gedanken beseelt war, diesen einzig und allein zu lieben, und von ihm ebenso wieder geliebt zu werden, wollte, dass er ganz allein mit ihm ihre Orte wieder aufsuchen sollte, wie er sich ausdrückte, das heißt also: die Winkel und Verstecke, wo sie ihre Spiele getrieben hatten, denen sie jetzt entwachsen waren. Wie zum Beispiel: kleine Schubkarren von Weidengerten zu machen, oder Mühlen aus Hobelspänen, oder Schlingen, um kleine Vögel darin zu fangen; oder sogar Häuschen aus Kieselsteinen aufzubauen, und mit Feldern zu umgeben, so groß wie ein Taschentuch, welche die Kinder sich das Ansehen geben zu bebauen, indem sie im kleinen nachahmen, was sie die erwachsenen Landleute tun sehen, wie: Säen, Eggen, Mähen und das Einführen von Ernten. So lehren die Kinder sich untereinander in einer Stunde alle die verschiedenen Arbeiten des Ackerbaues und der Ernte, wie sie auf den Feldern im Verlaufe eines Jahres verrichtet werden.
Diese Unterhaltungen waren nicht mehr nach Landrys Geschmack, welcher jetzt selbst die Sache im Großen betrieb, wenn auch als Gehilfe, und der es vorzog, ein großes mit sechs Ochsen bespanntes Fuhrwerk zu leiten, als die aus Zweigen gefertigten Wägelchen an den Schwanz seines Hundes zu befestigen. Er hätte viel lieber mit den kräftigen Burschen des Ortes sich im Ringen geübt, oder Kegel geschoben, da er die Geschicklichkeit erlangt hatte auf dreißig Schritt Entfernung den besten Wurf zu tun. Wenn Sylvinet sich bewegen ließ ihn an solche Orte der Lustbarkeit zu begleiten, setzte er sich, statt mit zu spielen, ohne ein Wort zu reden, in einen Winkel, wo er sich langweilte und sich abhärmte, wenn er sah, wie Landry durch das Vergnügen am Spiel in Feuer geriet.
Endlich hatte Landry in la Priche sogar Tanzen gelernt und obgleich ihm die Lust dazu erst spät gekommen war, weil Sylvinet nie Geschmack daran finden wollte, tanzte er doch schon eben so gut wie die anderen Burschen, die sich von Kindesbeinen an damit befasst hatten. Er galt