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These Girls


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Barry Manilow, Ricki Lee Jones, Joni Mitchell, Phoebe Snow, Patti Smith oder Jackson Browne. Sagenumwoben ist die Bedeutung, die ihr Todd Rundgren im Hinblick auf den Verlauf seiner eigenen musikalischen Karriere beimisst. Er habe, nachdem er sie zum ersten Mal live erlebt habe, seinen gesamten Stil verändert (Rundgrens Song »Baby Let’s Swing« erzählt von diesem Erlebnis). Carole King wiederum ließ sich von Laura Nyro dazu inspirieren, von der Songwriterin zur Singer-Songwriterin zu werden und die eigenen Stücke fortan selbst, am Piano sitzend, vorzutragen. Der Gesangsstil einer Kate Bush ist für viele ohne Laura Nyro nicht denkbar. Suzanne Vega, Alice Cooper, Tori Amos, Bette Midler, Elton John, Stevie Wonder, Cindy Lauper, Elvis Costello – alle nennen Laura Nyro als Einfluss, und Lady Gaga ist angeblich kurz davor, Nyro in einem Biopic zu verkörpern. Der rührendste Nyro-Fan und Epigone aber ist der als Musiker völlig unbekannte Bill Puka, der 1970 ein gleichnamiges Album (sein einziges) veröffentlichte, das so erfüllt ist, nicht nur von der Verehrung Nyros, sondern auch von einem so tiefen Verständnis und einer Liebe zu ihrem Werk, dass es beim Hören vor Freude kaum auszuhalten ist. Heute ist Bill Puka Philosophieprofessor und Kognitionswissenschaftler, der auf der Frage- und Antwortplattform quora.com gute Antworten auf wichtige Fragen parat hat. Auf eine seltsame Art scheint das folgerichtig.

      Woher rührt also die auffällige Gehässigkeit, mit der immer wieder auf vermeintlichen Schwächen der 1997 an Krebs verstorbenen Künstlerin herumgeritten wurde? Woher die Heftigkeit der Reaktionen? Ihre Stimme sei »schrill und anmaßend«, schrieb der Publizist Don Heckman, ihre Performance »auf ermüdende Weise intensiv« und »ihr Klavierspiel auf stinklangweilig-stumpfe Art impressionistisch«. »Verkrampfter Quatsch«. Seltsamerweise würden sich die »Nyro Freaks« davon nicht abschrecken lassen.

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      Laura Nyro, Gonna Take A Miracle (Columbia, 1971)

      Es muss sich – nicht sehr originell – wieder einmal um die Angst vor dem Unbekannten und Nicht-Einzuordnenden handeln, und darum, dass hier jemand viel zu viel von allem war: zu viel Musik, Soul, R&B, Jazz, Folk, Gospel, Debussy, Kirchenmusik, Ravel und Broadway Show Tunes. Zu viele harmonische und rhythmische Brüche, zu viele Asymmetrien. Zu viel Text mit zu vielen Rätseln und Mysterien zwischen zu viel Himmel und Hölle. Zu viel Überirdisches, zu viel Jenseitiges, zu viel Andersartigkeit, zu viel Eigenständigkeit, und ja, bestimmt auch zu viel Weiblichkeit. Dazu der Kleidungsstil, der nicht den Moden der Zeit entsprach, die Performance und der Gesangsstil, die Art der »Karriereführung«, die sich gängigen Veröffentlichungsintervallen sowie Promo- und Konzerttouren bald verweigerte. Die Ablehnung von Etikettierungen, von »Tagging« und Klassifizierung, von Schubladen und der Vereinnahmung für die Zwecke anderer. Überhaupt – dieses Sein und diese Songs zwischen Suada und Philippika, zwischen sanfter Überredung und wütender Brandrede. Überall bei Nyro wimmelt es von Ambivalenzen und Paradoxa. Ihre Songs sind mal wie Würfel, die rund und sanft wie kleine Kugeln kullern, statt ungelenk über den Boden zu taumeln, und dann wieder wie Kugeln, die stolpern und anecken, statt geschmeidig über die Ebene zu gleiten. Siebenseitige, runde Würfel; eckig-gebogene Kugeln. Und all das kann im nächsten Moment als folgenreiches Geschoss auf einen zuzurasen. Zu viel. Natürlich macht das Angst.

      Hans Plesch

       Pauline Oliveros

      • ERSTE LP 1967 (ERSTE AUFNAHMEN 1961)

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      Pauline Oliveros, Sonic Acts, 2012

      Ich fang mal ganz klischeehaft an: Wenn es Pauline Oliveros nicht im real life gegeben hätte, könnte zumindest mann meinen, eine kunstinteressierte Lesbe und eine technikbegeisterte Emanze hätten sie sich ausgedacht. Aber das war gar nicht nötig. 1932 wurde diese außerordentliche Musikerin in Texas geboren. In den 1940er-Jahren war das Akkordeon dort recht populär und in Houston wurde anlässlich jedes großen Rodeos ein riesiges Akkordeonorchester zusammengestellt. Auch die junge Pauline Oliveros war daran beteiligt und so beeindruckt, dass sie später ein Studium dieses Instruments absolvieren sollte. Mit 16 Jahren wusste sie außerdem, dass sie Komponistin werden wollte. KomponistInnen, die Instrumente spielen, gibt es einige, aber es dürfte kaum jemand gegeben haben, dessen Instrument das Akkordeon war. Es ist ein relativ junges Instrument, das Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde, sich rasch in unterschiedlichsten Bauformen über die ganze Welt verbreitete und vor allem in populärer Musik fürs gemeine Volk breite Anwendung fand. Bis in die 1950er-Jahre galt es ein wenig unseriös, bevor auch klassische KomponistInnen begannen, sich dafür zu interessieren. Durch virtuose Akkordeonspieler wie Teodoro Anzelotti ist längst auch die Avantgarde auf dieses Instrument aufmerksam geworden. Aber das war Pauline Oliveros da längst, Avantgarde. Als Frau, als moderne Komponistin, die neue Formen und Formate entwickelte.

      Oliveros zog 1950 mit ihrem Akkordeon nach Kalifornien, besorgte sich einen Job und ging an die Uni. Unter ihren Lehrern ist Robert Erickson besonders zu erwähnen, ein Pionier der Tonbandkomposition. Oliveros beschreibt ihn später als wahren Mentor, der seinen SchülerInnen (Oliveros war aber offenbar zu dieser Zeit die einzige Frau) ihren je eigenen Weg ermöglichte. Und sie verweist auf etwas offenbar Besonderes im Unterricht: die Abwesenheit von Sexismus und Rassismus. Mit 21 Jahren besorgte sich Oliveros ihr erstes Tapedeck, denn sie war früh fasziniert von den Klangmöglichkeiten der Elektronik der 1950er-Jahre. Als eine der ersten Frauen mischte sie in dieser weitgehend Männern – wie in diesem Fall Morton Subotnick, Reich & Riley – überlassenen Domäne höchst aktiv mit. Dass sie sich in einer Zeit vor dem Synthesizer mit den Möglichkeiten der Elektronik auseinandersetze lag auch daran, dass sie sich bereits mit den Klangmöglichkeiten des Akkordeons auseinandergesetzt hatte. Sie entwickelte eigene Klänge auf Basis von Oszillatoren und Software. Dabei gehörte sie zu den Ersten, die sich mit den Möglichkeiten elektronischen Equipments als eigenständiges Klangwerkzeug auseinandersetzten, statt nur die von ihnen produzierten Klänge zu montieren. Auch ihr Instrument hat sie elektronisch getunt, sie verwendet das selbst entwickelte Extended Instrument System. »Pauline Oliveros erkannte die Notwendigkeit, zu verstehen, wie die Maschinen taten, was sie taten, anstatt einfach nur zu wissen, was sie taten. Ihr Bestreben, zum Kern der Dinge vorzudringen, zog sich durch ihre gesamte künstlerische Arbeit von den Sonic Meditations bis hin zu ihren Deep Listening-Projekten«, sagte der Komponist Alvin Lucier über sie.

      Nach ihrem Abschluss machte sie aber eine akademische Karriere, während sie Musik für akustische Instrumente wie für Tonband schrieb. In den 1960er-Jahren war sie die Gründungsdirektorin des Tape Music Center am Mills College, Professorin und Direktorin des Center for Music Experiment an der University of California in San Diego. 1981 beendete sie ihre einengende akademische Laufbahn, um sich ganz ihren kreativen Möglichkeiten zu widmen: Als Komponistin, Improvisatorin, Schriftstellerin und Trägerin des schwarzen Gürtels in Karate. Letztes nicht unwichtig: Es geht um Körperlichkeit, um die Erzeugung von Aufmerksamkeit, die für Pauline Oliveros Musikverständnis von wesentlicher Bedeutung sind.

      »Through Pauline Oliveros and Deep Listening I finally know what harmony is … It’s about the pleasure of making music.« (John Cage, 1989)

      1952 führte der Pianist David Tudor »4’33« von John Cage zum ersten Mal auf, ein Stück, in dem keine einzige Note erklingt. Trotzdem ist in der Zeitspanne genug zu hören, gerade wenn ein Publikum anwesend ist. Natürlich kannte Pauline Oliveros Cages Stück, aber sie hatte ja ihr eigenes Gehör, empfänglich genug für die Klänge, die die Welt jeder erzeugten Musik beifügt. 1988 stieg sie für Aufnahmen in eine Zisterne und aus dem Klangerlebnis prägte sie den Begriff »Deep Listening«, ein Begriff, der untrennbar mit Pauline Oliveros verbunden ist. Für sie beschreibt er ein Hören auf jede denkbare Art – also nicht nur mit den Ohren – auf alles, was mensch hören kann. Er richtet sich an Laien und Expert*innen. Sie übertrug diesen Begriff auf ihr 1985 gegründetes Institut. Dort wird ihre Musikphilosophie in Praxis umgesetzt, eine Philosophie, die sich aus Elementen von Improvisation, graphischen Notationen, Meditation und Ritual verbunden mit Elektronik speist. Hellwaches Hören, aber