ist. Und siehe da: Lobbyismus ist gar nichts schlimm. In der Einleitung konnte man lesen:
„PR-Beratung, Consulting, Interessensvertretung – für das Wort Lobbyismus gibt es viele Synonyme. Aus gutem Grund: Dem Lobbyismus haftet ein negatives Image an. Wer an Lobbyarbeit denkt, hat Hinterzimmer-Deals im Kopf oder zwielichtige Treffen in dunklen Tiefgaragen. Doch meist wird Lobbyismus ganz normal in Büros und Konferenzräumen betrieben.“
Der Spiegel verkauft seine Leser schon hier für dumm. Die „Hinterzimmer“, von denen der Spiegel schreibt, sind ja gerade die „Büros und Konferenzräume“. Das Problem ist ja nicht, wo sich die Herrschaften zusammensetzen, das Problem ist, dass es intransparent hinter verschlossenen Türen geschieht.
Der Podcast wurde vom Spiegel transkribiert, man kann also mit Zeitangabe sehen, wann was gesagt wurde. Es beginnt damit, dass Schüler eines Abendgymnasiums gefragt wurden:
„[00:03:47] Martin Jähnert Was ist für euch Lobbyismus? Ist das gut? Ist das schlecht? Was würdet ihr sagen? …
[00:04:06] Teilnehmer der lobbykritischen Führung Also, in erster Linie ist es erstmal vorwiegend nur Interessenvertretung, und das ist erstmal neutral oder positiv vielleicht auch zu betrachten. …
[00:04:18] Teilnehmer der lobbykritischen Führung Aber gleichzeitig ist es natürlich ein negativ behafteter Begriff häufig, weil ja Lobbyisten, weiß man ja …“
Mehr konnten die dazu nicht sagen.
In dem Podcast ging es dann darum, dass Lobbyisten „Nähe zu Politikern schaffen“. Dazu wurden hübsche Beispiele ausgewählt:
„[00:05:25] Martin Jähnert Am besten hat man Freundinnen und Freunde in der ganzen politischen Auseinandersetzung. Und Freunde kann man sich unter anderem schaffen, indem man Menschen schmeichelt. Und das tut die Brauereiwirtschaft, indem sie jährlich eine größere Veranstaltung schmeißt. Und da wird dann der Botschafter oder die Botschafterin des Bieres gekürt, der Ehrenpreis, jedes Jahr.“
Das ist doch niedlich, oder? Es wird ein Politiker zum „Botschafter des Bieres“ ernannt und das ist demnach Lobbyismus. Klingt nicht problematisch, oder? Dann geht es weiter:
„[00:05:42] Sebastian Spallek Und das heißt, die Lobbyisten suchen die Nähe zur Politik, damit sie dann eben Einfluss, langfristigen Einfluss auf die Politik nehmen können und eben so ihrer Branche Vorteile bringen.
[00:05:52] Matthias Kirsch Und dieses Nähesuchen, von dem du geredet hast, wie sieht das in der Realität aus?
[00:05:58] Sebastian Spallek Also mal ein Beispiel: Der Bier-Botschafter dieses Jahres ist Sigmar Gabriel. Und dadurch, dass der Brauerei-Verband eben diesen Preis vergeben hat, haben die schon so eine Art Nähe geschaffen. Und solche Preise gibt es doch relativ viele. Der FDP-Chef Christian Lindner, der ist gerade Brot-Botschafter und da steckt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks dahinter.“
Das klingt doch nach niedlicher Folklore, oder? Bierbotschafter und Brotbotschafter. Alles gar nicht so schlimm. Ob wohl auch ein „Bankenbotschafter“ gekürt wird?
Was der Spiegel nicht erwähnt, ist, dass mit solchen Preisen meist auch Geld verbunden ist. Politiker bekommen von Lobbyisten Geld bezahlt, wenn sie auf deren Veranstaltungen eine Rede halten. Das kann – wir erinnern uns an Steinbrück, der nach der Annahme des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes sechsstellige Summen für Reden bei Banken und Versicherungen kassiert hat – sogar richtig viel Geld sein.
Aber das ist natürlich keine Korruption, das ist völlig legal in Deutschland: Steinbrück hat als Finanzminister das Gesetz von Freshfields schreiben lassen und den Banken über 60 Milliarden geschenkt und anschließend von den Banken gigantische Honorare für kurze Vorträge bekommen. Da das legaler Lobbyismus und keine Korruption ist, berichtet Transparency International auch nicht darüber. Diese angeblich kritische Organisation gegen internationale Korruption ist ein eigenes Thema.
Und weil das alles legal ist, verdient zum Beispiel „Brotbotschafter“ Lindner mit solchen Vorträgen über 300.000 Euro pro Jahr. Die Regeln des Bundestages zwingen ihn übrigens nicht, offenzulegen, von wem er wie viel wofür bekommen hat. Man weiß nur, dass er das Geld für 50 Vorträge bekommen hat. Lindner bekommt also für eine kurze Rede im Schnitt über 6.000 Euro.
Aber selbst diese angeblich harmlosen Ehrungen verharmlost der Spiegel noch einmal. Denn danach kommt die Frage:
„[00:06:19] Matthias Kirsch Also die Lobbyisten vergeben Preise, kommen so in Kontakt mit den Politikern und können die dann langfristig irgendwie ausnutzen, um Einfluss zu gewinnen. Das ist ja interessant. Aber sag mal, die Politiker, die wissen doch ganz genau, was diese Verbände, was diese Unternehmen vorhaben. Die wissen doch: Die Lobbyisten kommen mit einem ganz klaren Plan zu denen.“
Aber es ist alles natürlich ganz harmlos, wie die Antwort zeigt:
„[00:06:38] Sebastian Spallek Na klar, das wissen die auch. Den Politikern, denen geht es in erster Regel ja um Informationen.
[00:06:42] Martin Jähnert Speziell die Abgeordneten im Parlament brauchen diese externe Expertise, dieses Fachwissen, weil sie gar nicht genügend Ressourcen haben, sich so intensiv in die Themen einzuarbeiten, wie das notwendig wäre. Deshalb sagen da einige: Ich kann ohne Lobbyistinnen und Lobbyisten gar nicht arbeiten, ich brauche dieses Fachwissen. Das Fachwissen ist natürlich immer auch interessengeleitet, natürlich – allzu interessengeleitet darf es dann auch nicht sein. Denn wenn es falsch wird, dann blamieren sich die Abgeordneten, wenn sie dieses Fachwissen annehmen, blamieren sich vor der Presse, vor Kolleginnen und Kollegen, und werden vielleicht mit dem Lobbyisten, der dieses Fachwissen zur Verfügung gestellt hat, ab sofort nicht mehr reden.“
Natürlich ist das Fachwissen nie „falsch“, es ist eben „nur“ interessengeleitet. Denken wir als Beispiel nochmal an die Bankenrettung.
Die Frage war damals, wie man die Vermögen der Anleger und den Zahlungsverkehr schützen kann. Und das wurde ja erreicht. Nur eben für viel mehr Geld als nötig, und nebenbei wurden in erster Linie die Aktionäre, also die Eigentümer der Banken geschützt. „Falsch“ war es also nicht, es war nur unglaublich teuer, und das Ziel hätte wesentlich effektiver und billiger erreicht werden können.
Aber das ist dem Spiegel immer noch nicht harmlos genug, daher kommt dann Folgendes:
„[00:07:14] Matthias Kirsch Das heißt, wenn es jetzt im Bundestag zum Beispiel zu einer Abstimmung, zu einem bestimmten Thema kommt und eine Politikerin, ein Politiker, die kennen sich bei diesem Thema jetzt nicht so gut aus, dann kriegen die tatsächlich ihre Informationen von Lobbyisten.
[00:07:28] Sebastian Spallek Ja, das ist ganz oft so. Und das machen übrigens alle. Es sind nicht nur die großen Industrieunternehmen, wie man sich das vorstellt, die Politikern eben Infos liefern, sondern auch NGOs wie Greenpeace oder Amnesty – die machen genau das Gleiche.“
Was der Spiegel hier verschweigt, ist, dass die Macht der Lobbyisten ja nicht von der Nähe der Lobbyisten zu Abgeordneten abhängt, sondern von der Nähe der Lobbyisten zu Entscheidungsträgern in der Regierung. Es ist die Regierung, die die Gesetze einbringt. Und in die Nähe der Regierung kommt nur, wer genug Geld und Macht mitbringt. Daher werden die Gesetze angenommen, die von reichen Industrielobbyisten gewollt sind, und nicht die Gesetze, die die bettelarmen Verbraucherschützer haben möchten. Das beste Beispiel dafür ist Glyphosat. Bayer (und früher Monsanto) hat die Macht, dafür zu sorgen, dass das Mittel zugelassen wird, egal wie viele Verbraucherschützer dagegen sind.
Und so ist es bei jedem Thema. Es setzen sich am Ende die Lobbyisten durch, die Geld haben und die den Politikern auch noch gute Jobs für die Zeit nach der Politik anbieten können. Und da haben die Verbraucherschützer keine Chance gegen die Industrie.
Nachdem im Spiegel-Podcast ein Lobbyist selbst noch ausführlich darstellen durfte, warum seine Arbeit ganz wichtig und unentbehrlich ist, durfte er zum Ende Folgendes sagen:
„[00:16:08] Matthias Kirsch Wir haben zu Beginn unserer Folge schon gehört, warum Politiker sich mit Lobbyisten treffen. Die Politiker kommen so recht einfach und schnell an Informationen.