Augustinus von Hippo

Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1


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alle geheilt werden. Wir aber, die wir zusammengekommen sind, wollen uns ergötzen an dem Gastmahl Gottes, und unsere Freude sei sein Wort. Denn er hat uns eingeladen zu seinem Evangelium, und er selbst ist unsere Speise, die süßer ist als alles andere, aber nur wenn man einen gesunden Geschmack im Herzen hat.

       3.

      Eure Liebe aber erinnert sich wohl, glaube ich, daß dieses Evangelium in passenden Lektionen der Reihe nach vorgelesen wird, und ich meine, es sei euch nicht entfallen, was bereits abgehandelt wurde, besonders das letztere von Johannes und der Taube. Von Johannes nämlich, was er Neues am Herrn durch die Taube kennen gelernt hat, obwohl er den Herrn schon kannte. Und gefunden wurde durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes dies, daß Johannes zwar schon den Herrn kannte, daß aber der Herr selbst so taufen werde, daß er die Macht zu taufen von sich auf niemand übertrage; das lernte er durch die Taube, weil zu ihm gesagt wurde: „Auf welchen du den Geist herabsteigen sehen wirst, wie eine Taube, und auf ihm bleiben, dieser ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste“213. Was heißt das: „Dieser ist es“? Kein anderer, obwohl durch einen andern. Warum aber durch die Taube? Vieles ist darüber gesagt worden, und ich kann weder alles wiederholen, noch ist es notwendig; besonders jedoch um des Friedens willen, weil auch das Holz, welches draußen getauft wurde, von der Taube, da sie Frucht daran fand, zur Arche gebracht wurde. Ihr erinnert euch ja, daß Noe eine Taube aus der Arche entließ, die in der Flut schwamm und durch Eintauchen abgewaschen wurde, aber nicht untersank214. Nachdem sie also ausgesandt war, brachte sie einen Ölzweig herbei, aber er hatte nicht bloß Blätter, er hatte auch Frucht. Daher ist dies unsern Brüdern, die draußen getauft werden, zu wünschen, daß sie Frucht haben; die Taube wird sie nicht draußen lassen, sondern wird sie zur Arche zurückführen. Die Frucht aber ist ganz und gar die Liebe, ohne welche der Mensch nichts ist, was immer er sonst haben mag. Und dies haben wir in ausführlicher Weise als die Lehre des Apostels dargelegt und erwiesen. Er sagt nämlich: „Wenn ich die Sprachen der Menschen und der Engel redete, die Liebe aber nicht habe, so bin ich wie ein tönendes Erzgeschirr und wie eine klingende Schelle; und wenn ich alle Wissenschaft hätte und alle Geheimnisse wüßte und alle Weissagungen kennen und allen Glauben besitzen würde (was versteht er aber unter „allem“ Glauben?), so daß ich Berge versetzte, die Liebe aber nicht habe, so bin ich nichts. Und wenn ich all das Meinige unter die Armen verteilte und meinen Leib zum Verbrennen hergebe, die Liebe aber nicht habe, so nützte es mir nichts“215. Auf keine Weise aber können die, welche die Einheit zerreißen, sagen, sie hätten die Liebe. Das ist gesagt worden; laßt uns sehen, was folgt.

       4.

      ] „Johannes gab Zeugnis“, denn er sah. Was für ein Zeugnis gab er? „Dieser ist der Sohn Gottes.“ Es mußte also derjenige taufen, welcher der eingeborene Sohn Gottes ist, nicht der aus Gnade angenommene. Die aus Gnade angenommenen Söhne sind Diener des Eingeborenen; der Eingeborene hat die Macht, die aus Gnade angenommenen den Dienst. Mag auch ein Diener taufen, der nicht zur Zahl der Söhne gehört, weil er schlecht lebt und schlecht handelt, was tröstet uns? „Dieser ist es, welcher tauft.“

       5.

      „Des andern Tages stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger, und als er Jesus dahin gehen sah, sprach er: Siehe, das Lamm Gottes.“ Fürwahr, er ist in besonderer Weise das Lamm; denn auch die Jünger wurden Lämmer genannt. „Siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe“216. Dieselben wurden auch „Licht“ genannt. „Ihr seid das Licht der Welt“217, aber anders jener, von dem es heißt: „Er war das wahre Licht, welches jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt“218. So auch „Lamm“ in besonderer Weise, das allein makellos, sündelos, an dem kein Makel abgewaschen wurde, an dem keine Makel war. Denn wie? Wenn Johannes vom Herrn sagte: „Siehe, das Lamm Gottes“, war er selbst kein Lamm? War er kein heiliger Mann? War er nicht der Freund des Bräutigams? Also in besonderer Weise heißt es von jenem: „Dieser ist das Lamm Gottes“, weil einzig und allein durch das Blut dieses Lammes die Menschen erlöst werden konnten.

       6.

      Meine Brüder, wenn wir unsern Lösepreis erkennen, daß er nämlich das Blut des Lammes ist, wer sind die, welche heute das Fest des Blutes eines gewissen Weibes feiern? Und wie undankbar sind sie? Man nahm den Goldschmuck, sagen sie, vom Ohre eines Weibes, und es floß Blut, und man legte den Goldschmuck auf die Wage und das Blut überwog um vieles. Wenn nun das Blut eines Weibes so viel Gewicht hatte, um das Gold zum Sinken zu bringen, welches Gewicht hat dann, um die Welt zu beugen, das Blut des Lammes, durch welches die Welt geworden ist? Und zwar ist jener Geist ― ich weiß nicht welcher ―, damit er das Gewicht zum Sinken brächte, durch Blut versöhnt worden. Die unreinen Geister wußten, daß Jesus Christus kommen werde, sie hatten es von den Engeln gehört, die hatten es von den Propheten gehört und erwarteten seine Ankunft. Denn wenn sie dieselbe nicht erwarteten, warum schrieen sie: „Was hast du mit uns zu tun? Bist du gekommen, uns vor der Zeit zu verderben? Wir wissen, wer du bist, der Heilige Gottes“219. Sie wußten, daß er kommen werde, allein sie kannten die Zeit nicht. Aber was habt ihr im Psalm von Jerusalem gehört? „Denn Deine Knechte lieben ihre Steine und tragen Leid um ihren Schutt; Du wirst dich erheben“, sagt er, „und Dich Sions erbarmen; denn die Zeit ist gekommen, sich ihrer zu erbarmen“220. Als die Zeit kam, daß sich Gott erbarmte, erschien das Lamm. Was für ein Lamm, das die Wölfe fürchten? Was für ein Lamm ist das, welches getötet den Löwen tötete? Denn vom Teufel heißt es, er sei ein Löwe, welcher umhergeht und brüllt, suchend, wen er verschlinge221; durch das Blut des Lammes wurde der Löwe besiegt. Siehe da, die Schauspiele der Christen! Und was noch mehr ist, jene sehen mit den Augen des Fleisches Eitelkeit, wir mit den Augen des Herzens Wahrheit. Glaubet nicht, Brüder, der Herr habe uns ohne Schauspiele gelassen; denn wenn es keine Schauspiele gibt, warum seid ihr heute zusammengekommen? Siehe, was wir gesagt haben, habt ihr gesehen und Beifall gerufen; ihr hättet nicht Beifall gerufen, wenn ihr es nicht gesehen hättet. Und es ist etwas Großes, dies auf dem ganzen Erdkreis zu sehen, wie der Löwe durch das Blut des Lammes besiegt, die Glieder Christi den Zähnen des Löwen entrissen und mit dem Leibe Christi verbunden wurden. Also ich weiß nicht, was ein gewisser Geist nachgeahmt hat, daß er sein Blut durch Scheingebild erkauft haben wollte, weil er wußte, daß durch das kostbare Blut irgend einmal das Menschengeschlecht erlöst werden solle. Es machen sich nämlich die bösen Geister gewisse Schattenbilder von Ehre, um so diejenigen zu täuschen, die Christus anhängen. Bis zu dem Grade, meine Brüder, daß jene, die durch Amulette, durch Zaubersprüche, durch Kunstgriffe des Feindes zu verführen suchen, ihren Zaubersprüchen den Namen Christi beimischen ―; weil sie die Christen schon nicht mehr so verführen können, daß sie ihnen Gift geben, fügen sie etwas Honig hinzu, damit durch das Süße das Bittere verborgen bleibe und getrunken werde zum Verderben. Bis zu dem Grade, daß, wie ich weiß, zu gewisser Zeit jener Priester des Pileatus222 zu sagen pflegt: Auch Pileatus ist ein Christ. Wozu dies, Brüder, als weil die Christen anders nicht verführt werden können?

       7.

      Suchet also Christus nirgendwo als da, wo er selbst wollte, daß er euch gepredigt werde, und wie er euch gepredigt werden wollte, so haltet ihn fest, so schreibet ihn in euer Herz. Er ist eine Mauer gegen alle Angriffe und gegen alle Nachstellungen des Feindes. Seid ohne Furcht, er versucht nicht, außer wenn er darf; es ist gewiß, daß er nichts tut, es sei denn, daß es ihm gestattet wird oder daß er geschickt wird223. Geschickt wird er als böser Engel von der herrschenden Macht; gestattet wird es ihm, wenn er auf etwas losgeht, und dies, meine Brüder, geschieht nur, damit die Gerechten geprüft, die Ungerechten gestraft werden. Was fürchtest du also? Wandle im Herrn, deinem Gott, sei versichert: was er dich nicht leiden lassen will, leidest du nicht; was er dich leiden lassen will, ist die Geißel dessen, der heilt, nicht die Strafe dessen, der verdammt. Wir werden zur ewigen Erbschaft erzogen, und wir lehnen uns gegen die Züchtigung auf! Meine Brüder, wenn ein Knabe sich weigern würde, mit Faustschlägen oder Ruten von seinem Vater sich strafen zu lassen, wie würde er da als hochmütig erklärt werden, als unheilbar und undankbar gegen die väterliche Zucht? Und wozu erzieht der Vater den Sohn,