Stammes auch nicht entfernt so gleichförmig im Charakter, wie oft behauptet worden ist. Die Hottentottenfrauen bieten gewisse Eigenthümlichkeiten dar, welche schärfer markiert sind als diejenigen, welche bei irgend einer anderen Rasse auftreten; aber man weiß, daß sie nicht von constantem Vorkommen sind. Bei den verschiedenen amerikanischen Stämmen weichen die Farbe und das Behaartsein beträchtlich ab; dasselbe gilt bis zu einem gewissen, und in Bezug auf die Form der Gesichtszüge bis zu einem bedeutenden Grade für die Neger in Afrika. Die Form des Schädels variiert in manchen Rassen bedeutend;370 und so ist es mit jedem anderen Charakter. Nun haben alle Naturforscher durch theuer erkaufte Erfahrungen gelernt, wie vorschnell der Versuch ist, Species mit Hülfe inconstanter Charaktere zu definieren.
Aber das gewichtigste aller Argumente gegen die Betrachtung der Rassen des Menschen als distincter Species ist, daß sie gradweise in einander übergehen und zwar, so weit wir es beurtheilen können, in vielen Fällen ganz unabhängig davon, ob sie sich mit einander gekreuzt haben oder nicht. Der Mensch ist sorgfältiger als irgend ein anderes Wesen studiert worden und doch besteht die größtmögliche Verschiedenheit des Urtheils zwischen fähigen Richtern darüber, ob er als eine einzige Species oder Rasse classificiert werden solle oder als zwei ( Virey), als drei ( Jacquinot), als vier ( Kant), fünf ( Blumenbach), sechs ( Buffon), sieben ( Hunter), acht ( Agassiz), elf ( Pickering), fünfzehn ( Bory St. Vincent), sechzehn ( Desmoulins), zweiundzwanzig ( Morton), sechzig ( Crawfurd), oder als dreiundsechzig nach Burke.371 Diese Verschiedenartigkeit der Beurtheilung beweist nicht, daß die Rassen nicht als Species zu classificieren wären, es zeigt aber dieselbe, daß sie allmählich in einander übergehen und daß es kaum möglich ist, scharfe Unterscheidungsmerkmale zwischen ihnen aufzufinden.
Jedem Naturforscher, welcher das Unglück gehabt hat, sich an die Beschreibung einer Gruppe äußerst veränderlicher Organismen zu machen, sind Fälle vorgekommen, – und ich spreche aus Erfahrung – welche dem des Menschen völlig gleichen; und ist er zur Vorsicht disponiert, so wird er damit enden, daß er alle die Formen, welche allmählich in einander übergehen, zu einer einzigen Species vereinigt. Denn er wird sich selbst sagen, daß er kein Recht hat, Objecte mit Namen zu belegen, welche er nicht definieren kann. Fälle dieser Art kommen auch in der Ordnung, welche den Menschen mit einschließt, vor, nämlich bei gewissen Gattungen von Affen, während in anderen Gattungen, wie bei Cercopithecus, die meisten Species mit Sicherheit bestimmt werden können. In der amerikanischen Gattung Cebus werden die verschiedenen Formen von manchen Naturforschern als Species rangiert, von anderen als bloße geographische Rassen. Wenn nun zahlreiche Exemplare von Cebus aus allen Theilen von Süd-Amerika gesammelt würden, und es stellte sich heraus, daß diejenigen Formen, welche jetzt specifisch verschieden zu sein scheinen, durch kleine Abstufungen allmählich in einander übergehen, so würden sie von den meisten Naturforschern als bloße Varietäten oder Rassen aufgeführt werden; und in dieser Weise ist die größere Zahl der Naturforscher in Bezug auf die Rassen des Menschen verfahren. Nichtsdestoweniger muß man bekennen, daß es wenigstens im Pflanzenreiche372 Formen giebt, welche man Species zu nennen nicht umhin kann, welche aber unabhängig von einer zwischen ihnen auftretenden Kreuzung durch zahllose Abstufungen mit einander verbunden werden.
Einige Naturforscher haben neuerdings den Ausdruck »Subspecies« angewendet, um Formen zu bezeichnen, welche viele der charakteristischen Eigenschaften echter Species besitzen, welche aber kaum einen so hohen Rang verdienen. Wenn wir nun die gewichtigen Argumente, die oben für das Erheben der Menschenrassen zur Würde von Species mitgetheilt wurde, uns vergegenwärtigen und auf der anderen Seite die unübersteiglichen Schwierigkeiten, sie zu definieren, so dürfte der Ausdruck »Subspecies« hier sehr passend angewendet werden. Aber schon aus langer Gewohnheit wird vielleicht der Ausdruck »Rasse« stets vorgezogen werden. Die Wahl von Ausdrücken ist nur insofern von Bedeutung, als es äußerst wünschenswerth ist, soweit es nur überhaupt möglich ist, dieselben Ausdrücke für dieselben Grade von Verschiedenheit zu gebrauchen. Unglücklicherweise ist dies sehr selten möglich; denn es umfassen die größeren Gattungen allgemein näher verwandte Formen, welche nur mit großer Schwierigkeit auseinandergehalten werden können, während die kleineren Gattungen innerhalb einer und derselben Familie Formen einschließen, welche vollkommen distinct sind; und doch müssen alle gleichmäßig als Species rangiert werden. Ferner sind auch die Species innerhalb einer und derselben großen Gattung durchaus nicht in demselben Grade einander ähnlich; im Gegentheil können in den meisten Fällen einige von ihnen in kleine Gruppen um andere Arten herum, wie Satelliten um Planeten, angeordnet werden.373
Die Frage, ob das Menschengeschlecht aus einer oder aus mehreren Species besteht, ist in den letzten Jahren von den Anthropologen sehr lebhaft behandelt worden, welche sich in zwei Schulen trennt, die Monogenisten und die Polygenisten. Diejenigen, welche das Princip der Entwickelung nicht annehmen, müssen die Species entweder als einzelne Schöpfungen oder als in irgend einer Weise distincte Einheiten ansehen, und welche Menschenformen sie als Species zu betrachten haben, müssen sie nach Analogie der Methode entscheiden, welche gewöhnlich bei der Classification anderer organischer Wesen als Arten befolgt wird. Es ist aber ein hoffnungsloser Versuch, diesen Punkt entscheiden zu wollen, bis irgend eine Definition des Ausdruckes »Species« allgemein angenommen sein wird; und diese Definition darf kein unbestimmbares Element einschließen, wie eben einen Schöpfungsact. Wir könnten ebensogut ohne irgend eine Definition zu entscheiden versuchen, ob eine gewisse Anzahl von Häusern ein Dorf, ein Flecken oder eine Stadt genannt werden soll. Eine practische Illustration der Schwierigkeit haben wir in den kein Ende nehmenden Zweifeln, ob viele nahe verwandte Säugethiere, Vögel, Insecten und Pflanzen, welche einander in Nord-Amerika und Europa vertreten, als Species oder als geographische Rassen aufgeführt werden sollen; und dasselbe gilt für die Erzeugnisse vieler Inseln, welche in geringer Entfernung von dem nächsten Festlande gelegen sind.
Auf der anderen Seite werden diejenigen Naturforscher, welche das Princip der Entwicklung annehmen, – und dies wird von der größeren Zahl der aufstrebenden Männer jetzt angenommen, – keinen Zweifel haben, daß alle Menschenrassen von einem einzigen ursprünglichen Stamm herrühren, mögen sie es nun für passend oder nicht für passend halten, dieselben als distincte Species zu bezeichnen zum Zweck, damit den Betrag ihrer Verschiedenheit auszudrücken.374 Bei unsern domesticierten Thieren steht die Frage, ob die verschiedenen Rassen von einer oder mehreren Species ausgegangen sind, etwas verschieden. Obgleich man zugeben kann, daß alle solche Rassen ebenso wie alle natürlichen Species innerhalb einer und derselben Gattung unzweifelhaft einem und demselben primitiven Stamme entsprungen sind, so ist es doch ein völlig zulässiger Gegenstand der Discussion, ob alle die domesticierten Rassen, z. B. des Hundes, den jetzigen Grad von Verschiedenheit erlangt haben, seitdem irgend eine Species zuerst vom Menschen domesticiert wurde, oder ob sie einige ihrer Charaktere einer Vererbung von distincten Species verdanken, welche bereits im Naturzustande verschieden geworden waren. In Betreff des Menschen kann keine solche Frage entstehen, denn man kann nicht sagen, daß er zu irgend einer besonderen Periode domesticiert worden wäre.
Während eines frühen Stadiums der Divergenz der Menschenrassen von einer gemeinsamen Stammform werden sie nur wenig von einander abgewichen und der Zahl nach nur wenig gewesen sein. In Folge dessen werden sie, soweit ihre unterscheidenden Merkmale in Betracht kommen, weniger Ansprüche gehabt haben, als distincte Species betrachtet zu werden, als die jetzt existierenden sogenannten Rassen. Nichtsdestoweniger würden solche frühe Rassen vielleicht von einigen Naturforschern als distincte Species aufgeführt worden sein, – so willkürlich ist der Ausdruck Species, – wenn ihre Verschiedenheiten, obschon äußerst unbedeutend, constanter gewesen wären, als sie es jetzt sind, und sie nicht allmählich in einander übergegangen wären.
Es ist indessen möglich, wenn auch nicht entfernt wahrscheinlich, daß die ältesten Urerzeuger des Menschen früher bedeutend in ihren Charakteren von einander auseinander gegangen sind, bis