Schnee als Getränk hatte. An der Südspitze von Amerika leben die Feuerländer ohne den Schutz von Kleidern oder von irgend einem Bau, welcher eine Hütte genannt zu werden verdient. In Süd-Afrika wandern die Eingeborenen über die dürrsten Ebenen, wo gefährliche Thiere in großer Anzahl vorhanden sind. Der Mensch kann den tödtlichen Einfluß des Terai am Fuße des Himalaya und die pesthauchenden Küsten des tropischen Afrika ertragen.
Das Aussterben ist hauptsächlich eine Folge der Concurrenz eines Stammes mit dem andern und einer Rasse mit der andern. Verschiedene hindernde Momente sind fortwährend in Thätigkeit, welche dazu dienen, die Zahl jedes wilden Stammes niedrig zu halten, – so die periodisch eintretenden Hungersnöthe, das Wandern der Eltern und das in Folge hiervon auftretende Sterben der Kinder, das lange Stillen, Kriege, Naturereignisse, Krankheiten, zügelloses Leben, das Stehlen von Frauen, Kindesmord und besonders verminderte Fruchtbarkeit. Wird in Folge irgend einer Ursache eines dieser Hindernisse verstärkt, wenn auch nur in einem unbedeutenden Grade, so wird der auf diese Weise betroffene Stamm zur Abnahme neigen, und wenn einer von zwei an einander stoßenden Stämmen weniger zahlreich und weniger machtvoll als der andere wird, so wird der Kampf sehr bald durch Krieg, Blutvergießen, Cannibalismus, Sclaverei und Absorption beendet. Selbst wenn ein schwächerer Stamm nicht in dieser Weise plötzlich hinweggeschwemmt wird, nimmt er doch, wenn er einmal beginnt abzunehmen, beständig weiter ab, bis er ausgestorben ist.385
Wenn civilisierte Nationen mit Barbaren in Berührung kommen, so ist der Kampf kurz, mit Ausnahme der Orte, wo ein tödtliches Klima der eingeborenen Rasse zur Hülfe kommt. Von den Ursachen, welche zum Siege der civilisierten Nationen führen, sind einige sehr deutlich und einfach, andere compliciert und dunkel. Wir können einsehen, daß die Cultur des Landes aus vielen Gründen den Wilden verderblich sein wird; denn sie können oder werden ihre Gewohnheiten nicht ändern. Neue Krankheiten und Laster haben sich als in hohem Grade zerstörend erwiesen, und es scheint, als ob in jeder Nation eine neue Krankheit viele Todesfälle veranlaßt, bis Diejenigen, welche für ihren zerstörenden Einfluß am meisten empfänglich sind, nach und nach ausgejätet sind.386 Dasselbe dürfte mit den schlimmen Wirkungen der geistigen Getränke und ebenso mit dem unbezwinglich starken Geschmack an solchen, den so viele Wilde zeigen, der Fall sein. So mysteriös die Thatsache ist, so scheint es doch ferner, als ob die erste Begegnung distincter und getrennt gewesener Völker Krankheiten erzeuge.387 Mr. Sproat, welcher die Frage des Aussterbens in Vancouvers-Island eingehend untersuchte, glaubt, daß veränderte Lebensgewohnheiten, welche stets Folge der Ankunft von Europäern sind, eine Störung der Gesundheit herbeiführen. Er legt auch auf eine so unbedeutende Ursache großes Gewicht, wie die ist, daß die Eingeborenen durch das neue Leben um sich herum »verdutzt und dumm werden. Sie verlieren den Trieb zu eigener Anstrengung und erhalten keine neuen Reize an dessen Stelle.«388
Der Grad ihrer Civilisation scheint ein höchst bedeutungsvolles Element bei dem Erfolge der in Concurrenz kommenden Nationen zu sein. Noch vor wenigen Jahrhunderten fürchtete Europa das Eindringen östlicher Barbaren; jetzt würde irgend eine solche Furcht lächerlich sein. Es ist, wie Mr. Bagehot bemerkt hat, eine noch merkwürdigere Thatsache, daß in früheren Zeiten die Wilden nicht vor den classischen Nationen verschwanden, wie sie es jetzt vor den modernen civilisierten Nationen thun. Wäre dies der Fall gewesen, so würden die alten Moralisten sicher über dieses Ereignis ihre Bemerkungen gemacht haben, aber es findet sich in keinem Schriftsteller jener Periode über die untergehenden Barbaren irgend eine Klage.389 Die wirksamste von allen Ursachen des Aussterbens scheint in vielen Fällen verminderte Fruchtbarkeit und Krankheit besonders unter den Kindern zu sein; beides ist Folge der Änderung der Lebensbedingungen, trotzdem die neuen Bedingungen an sich nicht schädlich zu sein brauchen. Ich bin Mr. H. Howorth sehr verbunden, daß er meine Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gelenkt und mir darauf bezügliche Mittheilungen gemacht hat. Ich habe die folgenden Fälle gesammelt.
Als Tasmanien zuerst colonisiert wurde, wurde die Zahl der Eingeborenen nach einer ungefähren Schätzung von einigen zu 7000, von anderen zu 20 000 veranschlagt. Bald war dieselbe bedeutend reduciert, und zwar hauptsächlich in Folge ihrer Kämpfe mit den Engländern und unter einander. Als nach der berüchtigten, von allen Colonisten unternommenen Jagd die übrig bleibenden Eingeborenen sich der Regierung überlieferten, bestanden sie nur noch aus 120 Individuen,390 welche 1832 nach Flinders Insel transportiert wurden. Diese zwischen Tasmanien und Australien gelegene Insel ist vierzig Meilen lang und von zwölf bis achtzehn Meilen (engl.) breit; sie scheint gesund zu sein, und die Eingeborenen wurden gut behandelt. Nichtsdestoweniger litt ihre Gesundheit bedeutend. Im Jahre 1834 ( Bonwick p. 250) bestanden sie noch aus siebenundvierzig erwachsenen Männern, achtundvierzig erwachsenen Frauen und sechzehn Kindern, oder im Ganzen aus 111 Seelen. Im Jahre 1835 waren nur noch einhundert übrig. Da ihre Abnahme reißend fortschritt und da sie selbst glaubten, wo anders nicht so schnell auszusterben, wurden sie 1847 nach Oyster Cove im südlichen Theile von Australien zurückgebracht. Damals (20. Dec. 1847) waren es noch vierzehn Männer, zweiundzwanzig Frauen und zehn Kinder.391 Aber die Veränderung des Aufenthalts that ihnen nicht gut, Krankheit und Tod verfolgte sie noch immer, und 1864 lebten nur noch ein Mann (welcher 1869 starb) und drei ältere Frauen. Die Unfruchtbarkeit der Frauen ist eine selbst noch merkwürdigere Thatsache, als die Neigung zu Krankheit und Tod. In der Zeit, als in Oyster Cove nur neun Frauen übrig waren, sagten sie Mr. Bonwick (p. 386), daß nur zwei jemals Kinder geboren hätten; und diese zwei hatten zusammen nur drei Kinder gehabt!
In Bezug auf die Ursache dieses außerordentlichen Verhaltens macht Dr. Story die Bemerkung, daß den Versuchen, die Eingeborenen zu civilisieren, der Tod gefolgt sei. »Wenn sie sich überlassen geblieben wären, so daß sie nach ihrer Gewohnheit hätten herumschweifen können, und nicht gestört worden wären, so würden sie mehr Kinder erzeugt haben und die Sterblichkeit wäre geringer gewesen.« Ein anderer sorgfältiger Beobachter der Eingeborenen, Mr. Davis, bemerkt: »Geburten gab es nur wenige und Todesfälle waren zahlreich. Dies mag in großem Maßstabe Folge der Änderung ihrer Lebens- und Nahrungsweise gewesen sein; aber noch mehr Folge ihrer Verbannung von der Hauptinsel von Van Diemen's Land und der daher rührenden Niedergeschlagenheit ihrer Gemüther« ( Bonwick p. 388, 390).
Ähnliche Thatsachen sind in zwei weit von einander entfernten Theilen von Australien beobachtet worden. Der berühmte Forschungsreisende Gregory sagte Mr. Bonwick, daß »bei den Schwarzen bereits der Mangel der Reproduction selbst in den neuerlichst bewohnten Theilen fühlbar wäre und daß Verfall bald eintreten würde.« Von dreizehn Eingeborenen von Shark's Bay, welche den Murchison River besuchten, starben innerhalb dreier Monate zwölf an Schwindsucht.392
Die Abnahme der Maoris von Neu-Seeland ist von Mr. Fenton sorgfältig untersucht und in einem ausgezeichneten Berichte dargelegt worden, aus dem mit einer Ausnahme alle die folgenden Angaben entnommen sind.393 Die Zahlenabnahme seit 1830 wird von Allen zugegeben, mit Einschluß der Eingeborenen selbst; sie schreitet noch immer stetig fort. Obgleich es sich bis jetzt noch immer als unmöglich herausgestellt hat, eine wirkliche Volkszählung der Eingeborenen vorzunehmen, so sind doch ihre Zahlenverhältnisse von Bewohnern vieler Districte sorgfältig abgeschätzt worden. Das Resultat scheint Vertrauen zu verdienen; es zeigt, daß in den vierzehn Jahren vor 1858 die Abnahme 19,42 Procent betragen hat. Einige der in dieser Art sorgfältig untersuchten Stämme lebten hundert Meilen von einander entfernt, einige an der Küste, einige landeinwärts; auch waren ihre Subsistenzmittel und Lebensweise in einem gewissen Grade verschieden (p. 28). Ihre Gesammtzahl wurde 1858 auf 53700 angenommen; im Jahre 1872, nach dem Ablauf von wiederum vierzehn Jahren, wurde eine zweite Zählung vorgenommen, und die nun angegebene Zahl beträgt