sehen hiernach, daß viele der wilderen Menschenrassen sehr leicht von Krankheiten leiden, wenn sie veränderten Bedingungen oder Lebensweisen ausgesetzt werden, und nicht ausschließlich, wenn sie in ein neues Klima transportiert werden. Bloße Änderungen in den Gewohnheiten, welche an sich nicht schädlich zu sein scheinen, scheinen dieselbe Wirkung zu haben; in mehreren Fällen werden die Kinder in eigenthümlicher Weise leicht ergriffen. Es ist, wie Mr. Macnamara bemerkt, oft gesagt worden, daß der Mensch ungestraft den größten Verschiedenheiten des Klimas und andern Veränderungen widerstehen könne; dies ist aber nur in Bezug auf civilisierte Rassen wahr. Der Mensch scheint in seinem wilden Zustande in dieser Beziehung beinahe so empfindlich zu sein, wie seine nächsten Verwandten, die anthropoiden Affen, welche eine Entfernung aus ihrem Heimatlande niemals lange überlebt haben.
Die in Folge veränderter Bedingungen eintretende Verringerung der Fruchtbarkeit, wie es bei den Tasmaniern, den Maoris, Sandwich-Insulanern und allem Anscheine nach bei den Australiern der Fall ist, ist noch interessanter als ihre Neigung zu Krankheit und Tod; denn selbst ein geringer Grad von Unfruchtbarkeit wird in Verbindung mit jenen andern Ursachen, welche die Zunahme jeder Bevölkerung zu hindern streben, früher oder später zum Aussterben führen. Die Verminderung der Fruchtbarkeit kann in manchen Fällen durch die Lüderlichkeit der Frauen erklärt werden (wie bis vor Kurzem bei den Bewohnern von Tahiti); Mr. Fenton hat aber gezeigt, daß diese Erklärung bei den Neu-Seeländern ebensowenig wie bei den Tasmaniern genügt.
In dem oben erwähnten Aufsatze führt Mr. Macnamara Gründe zu der Annahme auf, daß die Einwohner von Districten, welche der Malaria ausgesetzt sind, leicht unfruchtbar werden; doch kann dies auf mehrere der obigen Fälle nicht angewandt werden. Einige Schriftsteller haben die Vermuthung ausgesprochen, daß die Ureinwohner von Inseln in Folge lange fortgesetzter Inzucht unfruchtbar und kränklich geworden sind; in den obigen Fällen ist die Unfruchtbarkeit zu genau mit der Ankunft der Europäer zusammengefallen, um uns die Annahme dieser Erklärung zu gestatten. Auch haben wir gegenwärtig keinen Grund zu glauben, daß der Mensch für die übeln Wirkungen der Inzucht in hohem Grade empfindlich ist, besonders in so großen Bezirken wie Neu-Seeland und dem Sandwich-Archipel. Im Gegentheil ist es bekannt, daß die jetzigen Einwohner der Norfolk-Insel beinahe sämmtlich Vettern oder nahe Verwandte sind, ebenso wie die Todas in Indien und die Bewohner einiger der westlichen schottischen Inseln; und doch scheint ihre Fruchtbarkeit nicht gelitten zu haben.398
Eine viel wahrscheinlichere Ansicht wird durch die Analogie mit den niederen Thieren dargeboten. Es kann nachgewiesen werden, daß das Reproductionssystem in einem außerordentlichen Grade (doch wissen wir nicht, warum) für veränderte Lebensbedingungen empfindlich ist; diese Empfindlichkeit führt sowohl zu wohlthätigen als übeln Resultaten. Eine große Sammlung von Thatsachen über diesen Gegenstand habe ich im XVIII. Capitel des zweiten Bandes meines »Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication« gegeben; ich kann hier nur den allerkürzesten Auszug geben; jeder der sich für die Sache interessiert, mag das angeführte Werk zu Rathe ziehen. Sehr unbedeutende Veränderungen erhöhen die Gesundheit, Lebenskraft und Fruchtbarkeit der meisten oder aller organischen Wesen, während von andern Veränderungen bekannt ist, daß sie eine große Zahl von Thieren unfruchtbar machen. Einer der bekanntesten Fälle ist der der gezähmten Elefanten, welche sich in Indien nicht fortpflanzen, trotzdem sie sich in Ava, wo den Weibchen gestattet ist, in gewisser Ausdehnung durch die Wälder zu schweifen, wo sie also unter natürlichere Bedingungen gesetzt sind, häufig vermehren. Der Fall von verschiedenen amerikanischen Affen, von denen beide Geschlechter in ihrem eigenen Heimathlande Jahre lang zusammengehalten worden sind und sich doch nur sehr selten oder niemals fortgepflanzt haben, ist ein noch zutreffenderes Beispiel wegen ihrer Verwandtschaft mit dem Menschen. Es ist merkwürdig, eine wie geringe Veränderung in den Lebensbedingungen häufig bei einem wilden Thiere, wenn es gefangen wird, Unfruchtbarkeit herbeiführt; und dies ist um so befremdender, als alle unsere domesticierten Thiere fruchtbarer geworden sind, als sie im Naturzustande waren; einige von ihnen können den unnatürlichsten Bedingungen widerstehen, ohne daß ihre Fruchtbarkeit vermindert würde.399 Gewisse Thiergruppen werden viel leichter als andere durch Gefangenschaft afficiert, und allgemein werden sämmtliche Arten einer und derselben Gruppe in derselben Art und Weise afficiert. Zuweilen wird aber nur eine einzige Species in einer Gruppe unfruchtbar gemacht, während es die andern nicht werden; andererseits kann auch eine einzelne Species ihre Fruchtbarkeit behalten, während die meisten andern in der Zucht fehlschlagen. Werden die Männchen und Weibchen mancher Species in ihrem Heimathlande gefangen gehalten oder läßt man sie beinahe, aber nicht völlig frei leben, so vereinigen sie sich nie; andere verbinden sich unter gleichen Umständen häufig, bringen aber niemals Nachkommen hervor; andere wieder bringen einige Nachkommen hervor, aber weniger als im Naturzustande; und es ist, da es auf die oben erwähnten Fälle von Menschen Bezug hat, von Wichtigkeit, zu bemerken, daß die Jungen leicht schwach und kränklich werden und gern in einem frühen Alter sterben.
Wenn man sieht, wie allgemein dieses Gesetz der Empfindlichkeit des Reproductionssystems gegen veränderte Lebensbedingungen ist und daß es auch für unsere nächsten Verwandten, die Quadrumanen, gilt, so kann ich kaum zweifeln, daß es auch auf den Menschen in seinem ursprünglichen Zustande Anwendung erleidet. Wenn daher Wilde irgend einer Rasse plötzlich dazu veranlaßt werden, ihre Lebensgewohnheiten zu verändern, so werden sie mehr oder weniger unfruchtbar, und ihre Nachkommen leiden in der Jugend an ihrer Gesundheit in derselben Weise und aus derselben Ursache, wie es der Elefant und der Jagdleopard in Indien, viele Affen in Amerika und eine große Menge von Thieren aller Arten bei der Entfernung aus ihren natürlichen Bedingungen thun.
Wir können einsehen, woher es kommt, daß Ureinwohner, welche lange Zeit Inseln bewohnt haben und welche lange Zeit nahezu gleichförmigen Bedingungen ausgesetzt gewesen sind, von irgend welchen Veränderungen in ihren Gewohnheiten speciell afficiert werden, wie es der Fall zu sein scheint. Civilisierte Rassen können sicher Veränderungen aller Art viel besser widerstehen als Wilde; und in dieser Hinsicht sind sie domesticierten Thieren ähnlich; denn obschon dieselben zuweilen in ihrer Gesundheit leiden (wie z. B. europäische Hunde in Indien), so werden sie doch nur selten unfruchtbar, wenngleich einige wenige derartige Fälle bekannt geworden sind.400 Die Immunität civilisierter Rassen und domesticierter Thiere ist wahrscheinlich Folge des Umstandes, daß sie in größerem Maße variierenden Bedingungen ausgesetzt worden sind und daher sich auch mehr an solche gewöhnt haben, als die Mehrzahl wilder Thiere, daß sie früher eingewandert sind oder von Land zu Land gebracht worden sind, und daß sich verschiedene Familien oder Unterrassen gekreuzt haben. Allem Anscheine nach giebt eine Kreuzung mit civilisierten Rassen einer ursprünglichen Rasse sofort eine gewisse Immunität gegen die übeln Folgen veränderter Bedingungen. So nahm die gekreuzte Nachkommenschaft der Tahitianer und Engländer, als sie sich auf der Pitcairn-Insel niederließ, so rapid zu, daß die Insel bald übervölkert war; im Juni 1856 wurde sie nach der Norfolk-Insel übergeführt. Sie bestand dann aus 60 verheiratheten Personen und 134 Kindern, eine Gesammtzahl von 194 ergebend. Hier nahm sie gleicherweise so rapid zu, daß, obgleich sechzehn von ihnen im Jahre 1859 nach Pitcairn-Insel zurückkehrten, sie im Januar 1868 aus 300 Seelen bestand, wobei männliche und weibliche Individuen in genau gleichen Zahlen vorhanden waren. Was für einen Contrast bietet dieser Fall mit dem der Tasmanier dar! Die Norfolk-Insulaner vermehrten sich in nur zwölf und einem halben Jahre von 194 auf 300, während die Tasmanier sich während fünfzehn Jahren von 120 auf 46 verminderten, unter welcher letzteren Zahl nur zehn Kinder waren.401
Ferner nahmen in dem Zwischenraum zwischen den Zählungen von 1856 und 1872 die Eingeborenen reinen Blutes auf den Sandwich-Inseln um 8081 ab, während die für gesünder gehaltenen Mischlinge um 847 zunahmen; ich weiß indessen nicht, ob die letztere Zahl die Nachkommenschaft der Mischlinge oder nur die Mischlinge der ersten Generation enthält.
Die Fälle, welche ich hier mitgetheilt habe, beziehen sich sämmtlich auf Ureinwohner, welche in Folge der Einwanderung civilisierter Menschen neuen Bedingungen ausgesetzt worden sind. Wahrscheinlich würde aber Unfruchtbarkeit