jenes Ozeans bekannt sei. Wohl würde er lange Zeit brauchen, ohne Geld dorthin zu kommen, aber hin komme er doch, und jedesmal, wenn er einen Piraten bekehrt hätte, würde er ihm sagen: »Mir danke nicht, mir gebührt die Ehre nicht; nein, wohl aber den guten Menschen der Pokeville Buß-Versammlung, den wahren Brüdern und Wohlthätern der Menschheit – und dem teuren Prediger dort, dem treuesten Freunde, den ein Pirat je hatte!«
Hier brach der König in Thränen aus, und ebenso alle anderen. Dann rief einer: »Sammelt für ihn!« Ein halbes Dutzend sprangen auf und schickten sich dazu an, aber jemand rief: »Laßt ihn selbst den Hut herumreichen!« Alle riefen es nach, der Prediger auch.
So schritt der König durch die Massen, den Hut herumreichend und sich die Augen wischend, das Volk segnend und preisend und ihm dankend, weil es mit den Piraten in der Ferne es so gut meinte; und sie luden ihn ein, eine Woche zu bleiben; und jeder woll te ihn in seinem Hause beherbergen und sich's zur Ehre anrechnen. Doch er sagte, da dies der letzte Tag der Versammlung sei, könne er hier nichts mehr thun und habe Eile, zum indischen Ozean zurückzukehren, um schnell an seine Arbeit bei den Piraten zu gehen.
Als er wieder auf dem Floß ankam und das Geld zählte, fand er, daß er siebenundachtzig Dollars und fünfundsiebenzig Cents gesammelt hatte. Außerdem hatte er einen Dreigallonenkrug Branntwein erwischt, den er unter einem Wagen sah, als wir durch den Wald zurückgingen. Da sagte der König, daß er im Missionsgeschäft kaum jemals einen besseren Tag gehabt habe, als heute. »Heiden,« rief er, »sind doch nichts im Vergleich mit Piraten, wenn's gilt, aus einer Buß-Versammlung Kapital zu schlagen.«
Indessen war der Herzog auch nicht faul gewesen und er freute sich schon im Stillen, erzählen zu können, was er eingeheimst. Als aber der König kam und loslegte, da fühlte er sich doch etwas klein. In der Druckerei hatte er zuerst zwei kleine Aufträge für ein paar Farmer ausgeführt – Rechnungsformulare – und dafür vier Dollars erhalten. Dann hatte er für zehn Dollars Zeitungs-Anzeigen angenommen, was er gegen augenblickliche Vorausbezahlung um vier Dollars that. Der Preis der Zeitung war zwei Dollars pro Jahr, doch hatte er drei Abonnements, jedes zu einem halben Dollar verkauft, unter der Bedingung augenblicklicher Vorausbezahlung. Sie wollten in Brennholz und Zwiebeln bezahlen, aber er sagte ihnen, er hätte das Geschäft eben erstanden und die Preise so niedrig als möglich herabgesetzt, um auf Barzahlung bestehen zu können. Außerdem hatte er ein Gedichtchen in Typen gesetzt; das hatte er aus seinem eigenen Kopfe gemacht – drei Verse – zart und melancholisch – es hieß: »Ja, kalte Welt, erdrück' dies brechend' Herz u.s.w.« – das hatte er fix und fertig dagelassen zum Druck in der nächsten Nummer der Zeitung und nichts dafür gerechnet. So hatte er denn im ganzen neun und einen halben Dollar eingenommen und meinte, er hätte eine gute Tages-Arbeit dafür geleistet.
Dann zeigte er uns noch eine kleine Arbeit, die er besorgt, doch nicht berechnet habe, denn sie sei für uns. Es war das Bild eines entlaufenden Negers, der einen Bündel auf einem Stock über der Schulter trug, und darunter stand geschrieben: »Lstr. 200 Belohnung.« Das übrige auf dem Zettel gab eine genaue Beschreibung von Jim und besagte, derselbe sei von der St. Jakobs-Plantage vierzig Meilen unterhalb New-Orleans letzten Winter wahrscheinlich nordwärts entlaufen, und wer ihn finge und wiederbringe, würde die Belohnung und die Unkosten bezahlt erhalten.
»Von jetzt an,« sagte der Herzog, »können wir auch am Tage drauf los fahren. Wenn wir jemand kommen sehen, binden wir Jims Hände und Füße, legen ihn ins Zelt, zeigen ihnen die Anzeige, sagen, wir haben ihn gefangen, seien zu arm, mit dem Dampfboot zu fahren, haben von Freunden dies Floß auf Kredit gekauft und wollen uns jetzt unsere Belohnung holen. Handschellen und Ketten würden sich zwar noch besser ausnehmen, das stimmt aber nicht recht mit unserer Armutsgeschichte. Stricke sind das rechte. Wir müssen die Einheiten einhalten, wie wir auf den Brettern sagen.«
Wir stimmten alle darin überein, daß der Herzog ein findiger Kopf sei und das Reisen bei Tage uns jetzt keine Ungelegenheit mehr bringen würde. Wir hofften diese Nacht noch weit genug zu kommen, um aus dem Bereich des Skandals zu sein, den des Herzogs Arbeit in der Druckerei jenes Städtchens verursachen würde – im übrigen konnten wir unbehelligt reisen.
Wir blieben versteckt und hielten uns still und wagten uns nicht hinaus bis etwa zehn Uhr; dann glitten wir ziemlich entfernt vom Stadtufer dahin und hißten unsere Laterne erst auf, als das Städtchen schon längst außer Sicht war.
Als Jim mich weckte, um die Wacht um vier Uhr morgens zu übernehmen, sagte er:
»Huck, du denken, wir noch viel mehr Könige wer den treffen auf Reise?«
»Glaub's nicht, Jim,« entgegnete ich.
»Nun, das gut sein, ein oder zwei Jim wollen haben ganz gern, wenn müssen, aber das sein auch genug. Sein ganz mächtig betrunken unser König – un Herzog nix viel weniger! –«
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Achtzehntes Kapitel
Shakespeares Wiederaufleben. – Das kgl. Non plus ultra. – Aus der Schlinge gezogen.
Die Sonne war längst aufgegangen, als der König und der Herzog hervorkrochen. Sie sahen recht verschlafen aus; aber nachdem sie über Bord gesprungen waren und etwas geschwommen hatten, waren sie bedeutend frischer. Nach dem Frühstück setzte sich der König auf eine Ecke des Floßes, zog die Stiefel aus, rollte die Hosen auf, ließ die Beine bequem ins Wasser hängen, zündete die Pfeife an und begann seinen Teil in ›Romeo und Julie‹ auswendig zu lernen. Als er es ziemlich gut inne hatte, übten er und der Herzog zusammen. Der Herzog ließ ihn seufzen und die Hand aufs Herz legen; nach einiger Zeit sagte er, es ginge ziemlich gut; »nur,« meinte er, »mußt du ›Romeo‹ nicht so herausbrüllen wie ein Stier – du mußt's sanft liebeskrank und vergehend so sagen: – R–o–o–meo! denn Julie ist ein liebes süßes Mädchen, fast ein Kind, weißt du, und schreit nicht wie ein Esel.«
Nun holten sie ein paar lange Schwerter hervor, die der Herzog aus Eichenstöcken gemacht hatte, und übten ihr Schwertgefecht – der Herzog nannte sich Richard III., und es war wirklich großartig anzusehen, wie sie drauf los hieben und umhersprangen. Nach einiger Zeit glitt der König aus und fiel über Bord; danach rasteten sie und plauderten von allen möglichen Abenteuern, die sie früher längs des Stromes erlebt hatten.
Sobald sich eine Gelegenheit bot, ließ der Herzog einige Anschlagzettel drucken. Auf dem Floß aber ging es in den darauffolgenden Tagen, während wir stromab trieben, sehr lebhaft zu: es gab nichts als Schwertgefechte und Generalproben – wie der Herzog es nannte. Eines Morgens, als wir schon ziemlich weit drunten im Staate Arkansas waren, sahen wir ein kleines Städtchen in einer großen Bucht. Wir legten etwa eine dreiviertel Meile oberhalb an, in der Mündung eines Baches, der, von Zypressen überragt, wie ein Tunnel aussah; und wir alle außer Jim nahmen das Kanoe und fuhren hinunter, um zu sehen, was für Gelegenheit in dem Städtchen für unsere Vorstellung wäre.
Wir trafen es glücklich; am Nachmittag sollte dort ein Kunstreiter-Zirkus stattfinden, und das Landvolk fing schon an, in allerlei alten Rappelkasten von Wagen und auch zu Pferde, herbeizuströmen. Die Kunstreiter wollten vor Abend weiterreisen, so war für unsere Vorstellung gute Gelegenheit. Der Herzog mietete die Rathaushalle und wir gingen umher und klebten unsere Zettel an. Die lauteten so:
Shakespeares Auferstehung!!!
Wunderbare Attraktion!!
Nur für einen Abend!
Die weltberühmten Tragöden
David Garrick der