Гарриет Бичер-Стоу

Die 15 beliebtesten Kinderbücher in einem Band (Illustriert)


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König. »Da hilft uns die ›non plus ultra‹-Einnahme gut aus« – und auch er langte nun Goldstücke aus seiner Tasche und stellte sie in gezählten Häufchen auf.

      Es erschöpfte fast ihre ganze Barschaft, aber sie machten die Sechstausend-Summe voll.

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      »Hör' mal,« rief nun der Herzog, »ich hab' noch eine andere Idee. Laß uns hinaufgehen, das Geld vorzählen und dann alles den Mädchen geben.«

      »Herzog! Herzog! laß dich umarmen, das ist der brillanteste Gedanke, den ein Mensch haben kann. Du hast das erfinderischste Gehirn, das sich denken läßt. O, das ist grandios, wahrhaftig. Jetzt soll noch jemand mit Zweifel oder Argwohn kommen, wenn er will – dies überzeugt alle.«

      Als wir hinaufkamen, sammelten sich alle um den Tisch. Der König zählte und stellte die Goldstücke auf, dreihundert in jedem Häufchen – zwanzig elegante kleine Türmchen. Jedermann sah hungrig und mundwässrig darauf hin. Dann wurde alles wieder in den Sack gethan und ich sah, wie der König schon wieder zu einer Rede Atem schöpfte. Er sprach:

      »Liebe Freunde! mein armer Bruder, der dort drüben liegt, hat hochherzig an uns gehandelt, die wir hier im Jammerthal zurückgeblieben sind; hochherzig an diesen armen lieben Lämmern, die er geliebt und überwacht hat und die nun vater- und mutterlos zurückbleiben. Ja und wir, die ihn kannten, wissen, daß er noch mehr für sie gethan hätte, wenn er nicht gefürchtet, dadurch seinen teuren William und mich zu schädigen. Glaubt ihr nicht? Ich zweifle nicht im mindesten daran. Nun, schlechte Brüder wären es, die zu solcher Zeit an sich selbst dächten. Und schlechte Onkel, die zu solcher Zeit diese armen süßen Lämmer, die er so liebte, berauben könnten – ja – berauben, sag' ich. Wenn ich William recht kenne – und ich glaube, ich kenne ihn – würde er – nun, ich will ihn gleich fragen.« Er wandte sich und begann mit dem Herzog allerlei Zeichen auszutauschen und der Herzog sah ihn erst eine Zeit lang dumm und dämlich an; dann, als ob ihm plötzlich etwas einleuchtete, sprang er auf den König zu, vor Freude laut gu – gu – end, und umarmte ihn wohl fünfzehnmal, bevor er ihn losließ. Dann sprach der König: »Wußt' ich's doch: dies wird wohl alle überzeugen, wie er darüber denkt. – Hier Mary Jane, Susan, Joanna, nehmt das Geld – nehmt das Ganze. Es ist ein Geschenk von ihm, der dort liegt, kalt aber selig.«

      Dann sprang Mary Jane zu ihm, Susan und die ›Hasenlippe‹ zum Herzog; solch Umarmen, ans Herz drücken und Küssen habe ich niemals gesehen. Und alle drängten sich herbei mit Thränen in den Augen, und die meisten schüttelten den zwei Betrügern die Hände mit Redensarten wie:

      »Ihr lieben, guten Seelen! – wie lieb! – wie konntet ihr das?«

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      Dann sprachen sie alle über den Verstorbenen, wie gut er gewesen, was für ein großer Verlust und der gleichen mehr. Bald drängte sich ein großer Kerl zur Thüre herein, der hatte Kinnbacken wie aus Eisen. Er stand zuhörend und zusehend und sagte nichts, und auch niemand sprach zu ihm, denn der König sprach und alle hörten ihm zu. Der König sagte, in seiner Rede fortfahrend:

      – »Das waren die intimsten Freunde des Verstorbenen, darum sind sie für diesen Abend eingeladen; aber morgen, hoffen wir, werden alle kommen – wir erwarten jeden, denn er achtete jeden, er hatte jeden gern, und darum gehört sich's, daß seine Begräbnis-Orgieen recht öffentlich stattfinden.«

      Und so gings fort und fort, denn er hörte sich gern reden, und gelegentlich brachte er immer wieder die Begräbnis-Orgieen mit hinein, bis es dem Herzog zuviel wurde und er auf ein Stück Papier schrieb: »Obsequien du alter Esel,« es zusammenfaltete und es gu – gu – end dem König über die Köpfe der andern hinüberreichte. Der König las es, steckte es in die Tasche und sagte:

      »Armer William, obwohl tief gebeugt, ist sein Herz doch stets auf dem rechten Fleck. Er wünschte, daß ich jeden bitte, zum Begräbnis zu kommen – sagt, ich soll alle willkommen heißen. Aber er hätte sich darum nicht zu kümmern gebraucht, denn ich war ja gerade dabei.«

      Dann fuhr er unbeirrt fort, in größter Fassung, und brachte wieder seine Begräbnis-Orgieen vor, und wieder und wieder, wie vorher, und nachdem er es dreimal gethan hatte, rief er:

      »Ich sage Orgieen, nicht weil es das gewöhnliche Wort ist, das ist's nicht – das ist Obsequien – sondern weil Orgien der richtige Ausdruck ist. Obsequien wird in England nicht mehr gebraucht, das ist veraltet. In England sagen wir jetzt Orgieen. Orgieen ist besser, denn es bezeichnet genauer, was man dabei meint. Das Wort ist zusammengesetzt aus dem griechischen ›orgo‹, draußen, außerhalb im Freien; und dem hebräischen ›giene‹, pflanzen, mit Erde bedecken, also beerdigen. So könnt ihr also sehen, daß Begräbnis-Orgieen eine offene oder öffentliche Beerdigung bedeutet.«

      Es war der frechste Mensch, der mir je vorgekommen ist, und der Mann mit dem eisen-ähnlichen Kiefer lachte ihm gerade ins Gesicht. Das wunderte alle und sie riefen: »Aber Doktor!« und Abner Shackleford sagte: »Aber Robinson, hast du die Neuigkeit nicht gehört? Dies ist Harry Wilks.«

      Der König lächelte lauernd, hielt seine Tatze heraus und sprach:

      »Ist es meines armen Bruders lieber guter Freund und Arzt? Ich« –

      »Laß deine Hände von mir!« rief der Doktor. »Du – und sprechen wie ein Engländer? du? Es ist die erbärmlichste Nachäffung, die ich je gehört. Du Peter Wilks Bruder? Du bist ein Betrüger, das ist, was du bist!«

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      Ach, wie sie alle entsetzt waren! Sie drängten sich um den Doktor und suchten ihn zu beruhigen, ihm auseinanderzusetzen, wie Harry in vielfacher Weise gezeigt habe, daß er Harry sei, wie er jeden Namen kannte und sogar die der Hunde, und baten und beschworen ihn, Harry nicht zu nahe zu treten und das Zartgefühl der Mädchen zu schonen u.s.w. Aber es war umsonst, er brauste auf und meinte, jemand, der sich für einen Engländer ausgebe und Englands ›Lingo‹ nicht besser nachmachen könnte, als der da, sei ein Betrüger und Lügner. Die armen Mädchen hingen sich an den König und weinten. Plötzlich wandte sich der Doktor zu ihnen und sagte:

      »Ich war eures Vaters Freund und ich bin euer Freund; und ich beschwöre euch als Freund, als ein ehrlicher Freund, der euch zu beschützen und Kummer und Unglück von euch abzuwenden sucht, diesem Gauner den Rücken zu kehren, nichts mit ihm zu thun zu haben, diesem unwissenden Landstreicher mit seinem idiotischen Griechisch und Hebräisch, wie er es nennt. Er ist ein fadenscheiniger Betrüger – kommt her mit einer Masse leerer Namen, die er sich irgendwo zusammengesucht hat, und ihr nehmt sie für Beweise und eure betrogenen Freunde hier helfen euch, euch selbst zu betrügen – die sollten doch gescheiter sein. Mary Jane Wilks, du kennst mich als deinen Freund, und als einen uneigennützigen Freund. Laß dir raten und diesen erbärmlichen Gauner hinauswerfen. Ich bitte dich, thu' es. Willst du?«

      Mary Jane erhob sich stolz in ihrer ganzen Größe – o, wie war sie schön! – und sagte:

      »Hier ist meine Antwort.« Sie hob den Sack Geld auf und legte ihn in des Königs Hände mit den Worten:

      »Nimm diese sechstausend Dollars und lege das Geld für mich und meine Schwestern an, wie du es am besten hältst, wir brauchen keinen Empfangschein darüber.«

      Dann umschlang sie den König mit ihrem Arm von einer Seite, und Susan und die ›Hasenlippe‹ thaten dasselbe von der andern Seite. Alles klatschte mit den Händen und trommelte stürmisch mit den Füßen auf die Diele, während der König seinen Kopf hoch hielt und stolz lächelte. Der Doktor rief:

      »Wohl denn, ich wasche meine Hände in Unschuld. Aber ich sage euch allen, daß die Zeit kommen wird, wo es euch übel zu Mute werden wird.«

      »Um so besser, Doktor,« rief der König höhnisch, »dann werden sie Euch wohl rufen lassen müssen« – das machte alle lachen und sie sagten, das sei ein guter Witz.

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