Nataly von Eschstruth

Im Schellenhemd


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aber brannte mit dickem Docht, sich in einem eisernen Kettengehäng schaukelnd, über dem Haupt eines Mannes, welcher in talarartigem Gewand im Armsessel vor dem Tische sass. Eine Fellmütze bedeckte seine wüsten, lang niederwallenden Haare, welche im Licht eine unsichere Farbe, halb grau, halb blond zeigten, und ein pelzausgeschlagener Mantel mit weiten Ärmeln hing um die Schultern der anscheinend sehr grossen und hagern Gestalt.

      Er sass tief über ein Pergament geneigt und schrieb. Zeitweise hob er die Hand mit dem verbrauchten Gänsekiel in absonderlichem Gebaren gegen den Tisch, als ob hinter diesem Leute stünden, zu denen er gar eindringlich zu reden habe, — und dann schlug er zornig mit der Faust auf den Tisch, und obwohl keine Menschenseele bei ihm zu erschauen war, brach er in ein dröhnendes Lachen aus und schrie: „Und ich sage euch: Es ist nur ein Gott und eine Göttin! aber es sind viele Gestalten und viele Namen: Sol, Jupiter, Apoll, Christus, Luna, Maria! Aber hütet euch, ein solches auszubreiten! man muss es in Schweigen hüllen wie eleusinische Mysterien! Du mit Jupiters, des besten und grössten Gottes Gnade, verachte stille die kleinen Götter! Wenn ich Jupiter sage, so meine ich Christus und den wahren Gott. Rock und Bart verehren? Fastenspeise? Haha! Die Bettelmönche sind kuttentragende Untiere, und die Knochen gehören auf den Rabenstein! Wo aber hat die Scholastik und die Finsternis noch ihren Sitz? Da schauet auf die Katheder von Köln! Ein Rabe krächzet dort, heisst Tungern! hacket einem Cäsárius — einem Busche, einem Rhagius Aesticampianus nach den hellen Augen! — Wie soll des Humanismus Wurzel Nahrung saugen aus den Gräbern des Magnus und Duns Scotus?! Ich aber sage euch: — schauet gen Morgen, ihr Jünglinge, dort steigt die Sonne!“ —

      Und der Sprecher hielt keuchend inne, stöhnte schwer auf und presste die Hände gegen die Brust, als fühle er Schmerz bei dem grimmen Husten, welcher ihn plötzlich erfasste. Vorn übergebeugt sass er und schien grad aus ins Leere zu starren, dann fasste er abermals die Feder und schrieb.

      Zinkra vermochte sein Gesicht nicht zu sehen, aber bei der heisern, scharfen Stimme, welche so seltsame Worte in die Nacht hinaus schrie, hatte sie ein heimlicher Schauder erfasst. Wer war jener Mann? ein vom Teufel Besessner, oder ein Aufständiger wie der Wittenberger Mönch, oder ein Gelehrter, der nach dem Stein der Weisen sucht, der Gold macht und sich der schwarzen Magie verschworen hat? Drinnen in der Hütte schlug die magere Faust abermals dröhnend auf die Folianten, riss eine Phiole um und stiess sie klirrend auf die Erde, gleichzeitig aber erhob sich knurrend ein mächtiger Wolfshund unter dem Tisch, tat einen Sprung nach der Fensterluke und heulte wild auf. —

      Zinkra wich nicht zurück. Sie hatte ein Brot auf einem Schemel entdeckt, und der Hunger quälte sie; jener Mann war kein Räuber, er wird sie und ihren Knaben herbergen. So hob sie mutig die Hand und klopfte gegen die hölzerne Schalter. —

      Der Mann sprang auf. Ein scharfgeschnittenes, hageres, lederfarbenes Angesicht, mit kühn gebogener Nase und machtvollen Augen wandte sich ihr zu. — Und die Hand fasste ein Kruzifix und hob es ihr stumm entgegen

      „Ach lieber Herr, erbarmet Euch!“ flehte Zinkra, „fahrend Volk klopft an Euere Türe!“

      Da fasste der Einsiedler einen dicken Eisenspeer, hielt den Hund am Halsband und trat zur Tür. — Als er sie aufstiess und wehrhaft herfür trat, stand die Gauklerin und Jung-Irregang vor ihm, und da Zinkra ihn anflehte um Obdach, Speis und Trank, und mit kurzen Worten ihr Elend erzählte, da nickte er, duckte den Hund und sprach: „So du lesen könntest, fremdes Weib, würdest du auf dem Schild über der Tür hier folgendes erkennen: „Bonis concta Pateant!“ — und ferner: „Beata Tranqvillitas! — So du Ruhe suchest, wird die Klause des Homus Eremitus aufgetan sein! Denn gehetztes Wild und gescholtener Mann sind Genossen, und ob gezwungen — oder ungezwungen, wir haben selbander hinausziehen müssen in die Einsamkeit! — Gott segne dich!“ — und der Sprecher, welcher sich Homus Eremitus geheissen, tat eine feierliche Handbewegung, winkte und schritt über die Schwelle zurück. —

      Die Gauklerin und ihr Söhnlein folgten sonder Scheu, und ihr Gastgeber schritt zu einer Kiste, welche in der Ecke stand, gegenüber einer hölzernen Bettlade, die mit Decken und Fellen gefüllt war, öffnete sie und entnahm ihr Brot, Käse und Fleisch.

      „Setzt euch nieder und esset und trinkt aus dem Wasserkrug, und so ihr gesättigt seid, leget euch aufs Bett und schlaft“ — und dabei schob er den Wolfshund zur Seite und sprach zu ihm: „Wahr’ dich, Konrad Rollin! Glaubst du, diese Leute seien Freigeister wie dein Herr und seine Genossen, dass du sie anfallen willst?“ — und da nach kleiner Weile der Rüde sich abermals knurrend erhob, des fremden Weibes Mahl zu stören, da nannte er ihn lachend: „Mutianus“ und sprach: „Gaukler und Poeten sind eines Stammes! Die Welt sagt von beiden, dass sie Volk und Universitäten verdürben, dass es um ihr Christentum schlecht bestellt sei. So wirst du nicht unseres Gleichen reissen wollen. Fass den Bär im schwarzen Rock und zaus ihn, und so die Krähe sich gefangen, würg’ sie! aber Gaukler und Poeten lass ein bei uns!“ —

      Und dann setzte er sich nieder und fuhr fort, sein Pergament zu füllen.

      Da Zinkra und Irregang sich gesättigt, harrten sie vergebens, dass ihr wunderlicher Wirt das Wort an sie richten werde, er schien sie völlig vergessen zu haben, und so legten sich die Todmüden bescheidentlich auf eine Felldecke neben dem Bett nieder und fielen gar bald in einen tiefen, behaglich sichern Schlaf. Einmal noch schrak die Zigeunerin empor. Homus Eremitus stand abermals vor dem Tisch und redete laut in fremder Sprache, — seine Faust schlug zornig auf den Tisch, und er fügte deutsch hinzu: „Denn die Theologen heissen uns hoffen, um uns zu betrügen; während wir auf den Himmel warten, den sie uns versprechen, eignen sie sich unsere irdischen Güter zu!“

      Zinkra hörte die letzten Worte noch wie einen fernen Nachhall, dann schlossen sich ihre Augen abermals zu tiefem, traumlosem Schlaf. — — — —

      Die ersten Strahlen der Morgensonne fielen durch die Fensterluke, als die Zigeunerin sich verwundert die Augen rieb und um sich schaute.

      Blitzschnell kam ihr die Erinnerung an Vergangenes. Irregangs Kopf lag noch schlummernd auf ihrem Schoss, sein zerfetztes Narrenkleid redete eine stumme Sprache von den Schrecknissen der verflossenen Nacht und seine Füsse, dicht an den Körper herangezogen, waren bedeckt von blutrünstigen Schwielen und Dornrissen. Dafür werden die Ellernblätter am Bach drunten bald guten Rat schaffen; Zinkra sorgte sich darum nicht, denn zu jener Zeit waren die Augen gewohnt, viel grausigere Wunden zu schauen! —

      Am Tisch, in seinem Holzsessel zusammengesunken, sass Homus Eremitus und schlief. Der Gänsekiel war seiner Hand entfallen und lag auf der Erde, die Lampe brannte noch in kleinem Funken über seinem Haupt.

      Wie das fahle, hohläugige Angesicht eines Toten zeichnete sich des Schläfers Gesicht von dem schwarzen Tuchrock ab, und die bläulichen Lippen, schmal zusammengepresst, verliehen ihm den Ausdruck von Unglück und Erbitterung. Wer mochte er sein? Es gab in den letzten Jahren so viel absonderliche Heilige, denen spukte, gleichwie den irrfahrenden Kindern der Freiheit, der Geist der Aufklärung hinter der Stirn, die hoben todmutig die Hände, Schranken niederzureissen, welche die Scholastik zwischen Welt und Licht baute. — Scholastik — Freiheit! — Aufklärung und Licht! Das waren die Stichwörter, welche gleich grellen Funken durch manch eine Predigt hindurch blitzten und das Ohr der Menge an ihren Klang gewöhnten. —

      Zinkra erhob sich lautlos, bettete ihren Knaben, auf dass er weiter träume, und schaute sich in dem armseligen Raume um.

      Dort schob ein baufälliger Rauchfang seine Kappe vor, und unter ihr hing ein Kessel in der Holzgabel über der Feuerstelle. —

      Tannäpfel, Reissig und Kienholz lagen zur Seite, auch ein Feuerstein und Zunder, die Gauklerin wollte ihrem Wirt eine dankbare Gastin sein; sie füllte den Wasserkessel, rieb Feuer auf, entzündete das Reissig. Dann sammelte sie die Brotbrocken ihres Mahles, schaute sich um nach Salz und Mehl und begann ein kräftig Brotsüpplein zu brauen. Der Wolfshund erhob sich von den Füssen seines Herrn, umschritt leise knurrend die Fremde und streckte sich, jede ihrer Bewegungen mit wachsamem Auge verfolgend, neben den Herd. —

      Das Feuer flackerte lustig auf, in dem Kessel brodelte es, und eine Stimme sprach leise hinter ihr: — „Es ist doch ein Gutes um Weiberhände, und der liebe Herrgott hat es wohlgewusst, warum er dem Mann eine Gefährtin